ÜBER DIE VIERTELJAHRESSCHRIFT
TUMULT – Vierteljahresschrift für Konsensstörung schlägt Schneisen in die subventionierte Wirklichkeit, sorgt für Belichtungen von toten Winkeln der Wahrnehmung und öffnet Landschaften der Poesie.
TUMULT – Vierteljahresschrift für Konsensstörung durchmisst die Räume des Politischen, erforscht die Lebenswelt Netz, informiert über Die Bewirtschaftung der Zukunft und sucht Das Gespenst Sexualität heim.
TUMULT – Vierteljahresschrift für Konsensstörung erscheint vier Mal im Jahr, und zwar jeweils im Frühjahr (März), im Sommer (Juni), im Herbst (September) und im Winter (Dezember). Verleger und Inhaber der Zeitschrift ist der Verein Freunde der Vierteljahresschrift TUMULT e. V., Dresden. Näheres siehe Menüpunkt FÖRDERVEREIN.
MOTIVE DER GRÜNDUNG
TUMULT – Vierteljahresschrift für Konsensstörung wurde bis einschließlich der Ausgabe Winter 2015/16 gemeinsam von Frank Böckelmann (Dresden) und Horst Ebner (Wien) herausgegeben. Seit der Ausgabe Frühjahr 2016 gibt Böckelmann, unterstützt von zwei Beratern und einer wachsenden Zahl von ständigen Mitarbeitern, die Zeitschrift allein heraus. Zum Hintergrund dieser Entwicklung vgl. die Äußerungen Horst Ebners (siehe unten).
Für die Entscheidung, TUMULT als Organ aktueller Auseinandersetzung neu zu gründen, gibt es vor allem zwei Motive: die auffällige Zurückhaltung der Intellektuellen angesichts der Konvulsion globaler Mächte und Märkte und der wachsende Konsensdruck in der öffentlichen Meinung online und offline. Beides bedingt sich wechselseitig.
TUMULT reagiert auf diesen Konsensdruck, erzeugt von global vernetzten Wirklichkeitspächtern, sprich: machtvollen Sinnproduzenten (TV-Riesen und Massenblattverlagen), Formatgebern von Internet und Mobiltelefonie und Großwerbekunden. TUMULT reagiert auf die Reformierung der Hochschulen nach Maßgabe der Effizienzsteigerung. Unter dem Eindruck der Mittelknappheit und schrumpfender Anstellungs- und Aufstiegschancen vermeiden es die Lehrenden und Forschenden tunlichst, Dinge zu sagen, die ihrem Fortkommen abträglich sein könnten. Von inoffiziellen Sprachregelungen legen viele Tagungsberichte beklemmendes Zeugnis ab.
Parallel zur Entkräftung tradierter Gesinnungen und ideologisch begründeter Denkverbote beschleunigt sich in omnipräsenten Netzgemeinschaften der Abgleich von Vorverständnissen, Sicht- und Sprechweisen, Selbstdarstellungsmoden, Argumenten und (In-)Toleranzen. Dieser Ideenfilter der fragmentierten Alltagskommunikation ergänzt gleichsam die Absprachen unter Vertretern von Medien, Parteien, Regierungen, Konzernen, Organisationen und Beratungsfirmen in weltweit geknüpften Elite-Netzwerken.
So wie der Hochfrequenzhandel mit Wertpapieren die persönliche Lageeinschätzung der Marktteilnehmer ablöst, so resultiert aus der permanenten Beliebtheitsprüfung von Stichworten, Vorlieben und Haltungen auf Social Media-Foren, in Rankings und über andere digitale Dienste eine zwanglose, doch hochkonforme Verständnisinnigkeit – die aber meist als entfesselter Schlagabtausch und vielstimmiges Spektakel erlebt wird.
Die Gleichschaltung von heute – das ist die neue Form der Offenheit selbst. Die Verfahrensregel vereinnahmt den Sinngehalt, die Kommunikation das Kommunizierte. Erfolgt nämlich der Schlagabtausch der Meinungen im Sekundentakt, schieben alle Teilnehmer ganz automatisch die Kurzformeln vor, die noch Aufmerksamkeit und Zustimmung oder Skandalisierung versprechen. So weicht die Auseinandersetzung zwischen Positionen, Bekenntnissen und Lebensweisen dem Werben für die Gleichberechtigung aller (toleranten) Überzeugungen.
Horst Ebner begründete seine Entscheidung, sich aus der gemeinsamen Herausgeberschaft der Vierteljahresschrift für Konsensstörung zurückzuziehen, »mit der Art und Weise, wie in einer Stimmung kollektiver Überforderung vor allem Autoren aus dem engeren Umfeld der Zeitschrift auf das epochale Thema Massenwanderungen nach Europa reagierten«. Dies erläuterte er wie folgt: »Weniger im argumentativen Widerspruch als vielmehr mit moralisierender Erregungsrhetorik wurden plötzlich wieder alte ideologische Frontlinien gezogen. Bekennerhaft zielte diese auf jenen Generalverdacht ab, hier werde einem politisch verwerflichen Denken neuer Raum gegeben. Die Entzweiung und die mit ihr einhergehende Beschädigung, auch der persönlichen Integrität, lassen eine weitere gestaltungsfreudige Redaktionsarbeit nicht mehr zu. Zurück bleibt, mit Hans Blumenberg gesprochen, nur die Frage: ›Wo hält sich der Spürsinnige auf, wenn der Zeitgeist erregt ist?‹« (Ausgabe Frühjahr 2016, S. 7.) Vgl. das Wikipedia-Stichwort »Tumult (Zeitschrift)«.
CHARAKTER DER VIERTELJAHRESSCHRIFT
TUMULT – Vierteljahresschrift für Konsensstörung ist eine von Wissenschaftlern und Künstlern (im weitesten Sinne) betriebene Plattform, aber keine wissenschaftliche Zeitschrift und keine Kunstzeitschrift. Mainstreamkundig und randständig, versteht sich TUMULT als unabhängiges Organ der Gegenwartserkundung fernab akademischer und volkspädagogischer Sprachregelungen.
Eben die vielberedeten Entwicklungen und Probleme gilt es als (teilweise) unverstandene Phänomene zu entdecken: Massenzuwanderung, multipolare Globalordnung, nachrichtendienstliche Weltnetzüberwachung, Affinität zwischen der Eigendynamik der Finanzmärkte und dem humanitären Universalismus, Profiteure und Opfer der europäischen Einheitswährung, Abwanderung der Lebenszeit ins Internet, Energiequellen-Dilemma, »Sex« und »Sexismus«. TUMULT präsentiert Denker und Sprachkünstler, die sich den Automatismen einer raschen Verständigung entziehen, die laufenden Ereignisse mit befremdetem Blick betrachten und auf kompromisslose Empirie und Erfahrungsverdichtung dringen.
Auf der Suche nach einem schlagenden Begriff für solche Geister haben wir uns den Selbstdenker entliehen, von Arthur Schopenhauer in den Parerga und Paralipomena eingeführt und zuletzt von Karl Heinz Bohrer wieder aufgegriffen. Die Figur des Selbstdenkers gewinnt an Plausibilität in der Allgegenwart einer neuartigen, coolen Servilität und Bravheit, die weniger dem Gebot einer druckvollen Ideologie als vielmehr der Sorge um das berufliche Fortkommen, die Reputation im Kollegenkreis und die Zuteilung von Budgetmitteln gehorcht. Vorbeugend befleißigt man sich einer großzügigen Phraseologie (»Weltoffenheit«, »Vielfalt«, »Demokratisierung«), um jedenfalls, komme was da mag, auf der richtigen Seite zu stehen. Den Anspruch auf souveränes Denken wahren heute nur jene, die es aushalten, dass ihre Denkergebnisse auf absehbare Zeit nutzlos sein werden. Wir sehen nicht, welchen Karriere-Vorteil eine Mitarbeit in der Vierteljahresschrift für Konsensstörung bringen könnte.
TUMULT publiziert neben Luftigem und Unaufgeräumtem auch Schwieriges und Unplausibles, neben experimentellen Textsorten auch Manifestartiges. Die Redaktion schätzt denkerische Strenge und Konsequenz, aber nicht die rituelle Stilisierung selbstgenügsamer Wissenschaftlichkeit. Erkenntnis als Frucht der Begierde zu begreifen, was vor sich geht, ist heute annähernd überflüssiger Luxus. Es herrscht die Zuversicht vor, man könne sich die Welt nach Belieben zurechtmachen, müsse sie nicht erst erkennen.
Aber wir hängen am Luxus und nehmen gern das Risiko in Kauf, elitär zu erscheinen. Die Intellektuellen sind die Elite der Überflüssigen.
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