Sehr geehrte Frau Professorin Staudinger,
als Bürger der Stadt Dresden gratuliere ich Ihnen auf diesem Wege zu Ihrer Wahl zur
Rektorin der Technischen Universität Dresden.
Dessen ungeachtet möchte ich mich mit zwei Anmerkungen an Sie wenden, ich beziehe mich dabei zunächst auf einige politische Implikationen eines Interviews, das Sie am 25.08.2020 der Sächsischen Zeitung gegeben haben.
Auf die Frage der SZ, ob sich die Technische Universität auch weiterhin politisch in den „Kampf gegen Rechts“ einmischen werde, antworteten Sie mit einem klaren Ja und führten dazu aus: „Wir werden weiterhin mit Protestaktionen, Kundgebungen oder eben auch der Menschenkette deutlich machen, wo die freiheitlich-demokratischen Grenzen sind.“
Ich darf Sie zunächst darauf aufmerksam machen, dass „rechte Positionen“ zum legitimen Spektrum unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehören, einer Ordnung, zu der sich die Bundesrepublik mit Erfolg seit dem Jahr ihrer Gründung bekennt. „Rechts“ ist bekanntlich Teil einer legitimen politischen Leitunterscheidung in jedem demokratischen Verfassungsstaat. Zu unseren demokratischen Grundrechten gehört auch das Recht, politisch rechts zu sein. Rechte Überzeugungen begründen nicht die Freiheit, diese Überzeugungen zu diffamieren oder zu stigmatisieren. Werden „rechte Positionen“ per se ontologisiert und außerhalb der Rechtsordnung verortet, wird auch vergessen, dass es sich hier um Relationsbegriffe handelt. Sicherlich teilen Sie meine Auffassung, dass der „Kampf gegen Rechts“ nicht zum trojanischen Pferd gegen ebenso berechtigte konservative Positionen in unserer Gesellschaft missbraucht werden darf. Es stimmt deshalb bedenklich, wenn immer öfter geradezu reflexartig zum „Kampf gegen Rechts“ aufgerufen wird – ohne dass inhaltliche Positionen überprüft worden wären. So auch geschehen in Ihrem Interview in der „Sächsischen Zeitung“ vom 25. August 2020
Ich darf Sie außerdem darauf aufmerksam machen, dass die staatsrechtliche Bestimmung der „freiheitlich-demokratischen Grenzen“ der Bundesrepublik – von der Sie sprechen – eben nicht abschließend in den Ermessensraum institutionalisierter Sozialwissenschaften oder der Leitung einer Universität fallen. Derartige, die Verfassung unseres Landes betreffende Fragen obliegen ausschließlich den verfassungsgebenden Organen, allen voran dem Parlament sowie dem Bundesverfassungsgericht. Sie fallen im Übrigen auch nicht in den Kompetenzbereich einer noch in der politischen Selbstfindung begriffenen Studentenschaft. Einer zumeist linken Studentenschaft, die das Kunststück vollbringen möchte, als Teil des Ganzen zugleich das Ganze – natürlich hypermoralisch – zu repräsentieren.
Sehr geehrte Frau Professorin Staudinger, in diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch auf eine Einrichtung unter dem Dach Ihrer Universität aufmerksam machen, deren Existenz mir äußerst problematisch erscheint. Es handelt sich um das sogenannte Zentrum für Integrationsstudien. Die Einrichtung wurde auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise geschaffen und folgt fast ausschließlich dezidiert einseitigen politischen Zielstellungen. Ohne jetzt auf Einzelheiten eingehen zu können, bin ich der Überzeugung, dass das ZfI dem genuinen Selbstverständnis und Auftrag einer Universität eher schadet als förderlich ist. Das Zentrum ist ein undemokratisches Mittel politischer Einflussnahme und wohl eher eine Karikatur als eine Zierde wissenschaftlicher Tätigkeit.
Meine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der zunehmenden politischen Instrumentalisierung geisteswissenschaftlicher Forschung und Lehre an der TU um den Preis ihrer qualitativen Verflachung habe ich in der Vergangenheit wiederholt Herrn Professor Vorländer und weiteren Professoren der Universität, insbesondere des HAIT, mitgeteilt. Die Antwort war stets beredtes Schweigen. Man kapselt sich im akademischen Milieu ein und glaubt damit, den realen Auseinandersetzungen dieser Gesellschaft entgehen zu können. Glaubt z.B. Prof. Vorländer wirklich, in elitären Gesprächszirkeln (z.B. in der Denkfabrik Schloss Proschwitz) angemessen auf die tiefe Legitimationskrise des politisch-medialen Komplexes und damit auf die Erosion unserer rechtsstaatlichen Ordnung reagieren zu können? Eine solche Haltung steht m. E. für den Niedergang der einstmals international so hoch geschätzten deutschen Sozialwissenschaften. Sie wird sich nicht auszahlen.
Sehr geehrte Frau Rektorin, die Geschichte der geisteswissenschaftlichen Disziplinen an der Technischen Universität Dresden hatte ihre hellen und weniger hellen Episoden. Setzen Sie sich bitte dafür ein, dass die Universität Dresden gestärkt aus den gegenwärtigen Wirrnissen hervorgeht. Lassen Sie in Ihrer Verantwortung nicht zu, dass aus den Wirrnissen möglicherweise (wieder einmal) ein Absturz wird. Dass dies prinzipiell immer möglich ist, gehört zur Offenheit der Geschichte und auch zum Bestand deutscher Erinnerungskultur. Schrecken Sie dabei bitte nicht vor den Sanktionen des Zeitgeistes zurück.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Küchenmeister
PS.: Und wieder einmal gehört viel Mut dazu, in Deutschland die Wahrheit zu sagen.
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Über den Autor:
Thomas Küchenmeister hat nach Absolvierung seines 18-monatigen Grundwehrdienstes bei der NVA von 1971 bis 1977 an der Leipziger Universität Geschichte studiert. Von 1977 bis zur Wende arbeitete er an der dann abgewickelten Hochschule für Verkehrswesen in Dresden. 1984 wurde er an der Bergakademie Freiberg promoviert.
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