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Thomas Küchenmeister: SOZIALWISSENSCHAFT UND STRUKTURÄHNLICHKEIT - EIN BEISPIEL AUS DER GEGENWART

Art. 5 Abs. 3 GG garantiert in der Bundesrepublik das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit.

Ideologie heißt dagegen Blickrichtung und Weltbetrachtung von einem primären Standpunkt aus. Seit geraumer Zeit vollzieht sich an den Universitäten und Hochschulen des Landes eine Ideologisierung und Politisierung der Geistes- und Sozialwissenschaften. Freiheit und Ideologie jedoch sind unvereinbar, was den Leitungen der Universitäten und Hochschulen eigentlich bekannt sein sollte – von ihnen aber offenbar ignoriert wird.


Zähne ziehen im Hörsaal. Leipzig 1969.

Bundesarchiv, Bild 183-H0617-0016-001 / Raphael (verehel. Grubitzsch), Waltraud / CC-BY-SA 3.0


Die gegenwärtigen Dilemmata und Verwerfungen sozial-wissenschaftlicher Lehre und Forschung hat Professor Peter J. Brenner in TUMULT (Ausgabe Sommer 2022) treffend charakterisiert. Diese dort beschriebenen Konflikte sollen hier am Beispiel der TU Dresden kurz angerissen werden. Als Fallbeispiele seien genannt:


  • das Zentrum für Integrationsstudien Zfl der TU

  • das Mercator Forum Migration und Demokratie MIDEM

  • die GenderConceptGroup

  • das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. HAIT


Allen Einrichtungen ist zunächst gemeinsam, dass sie weltanschauliche Vorentscheidungen und Akzentuierungen der Parteiendemokratie in Lehre und Forschung zum Ansatz bringen und

somit die im Grundgesetz verbriefte Offenheit universitären Handels zumindest stark einschränken.

Die symbiotische Bindung an diverse politische Vorfeldorganisationen der Parteien, Demokratieförderorganisationen und NGOs schränken die Perspektiven wissenschaftlicher Arbeit ein und mindern erheblich die Aussichten auf Erkenntnisgewinn (vgl. Brenner in TUMULT).


ZfI

Während das Problem der unkontrollierten Migration in der Gesellschaft bis zur Ebene des Sächsischen Ministerpräsidenten zunehmend kontrovers behandelt wird (im Osten bekanntlich mit einer starken Ablehnung bisherigen Regierungshandelns), steht im ZfI die Fortführung bzw. Intensivierung der bisherigen unkritischen Einwanderungspolitik völlig außer Frage. Hier folgt man gleichsam einer Lehre der totalen Weltoffenheit. Ein Forum des ZfI im Rahmen der „Interkulturellen Tage 2022“ unter dem Motto „Grenzen überwinden“ muss angesichts der unkontrollierten Masseneinwanderung auf viele Bürger des Landes wie Hohn und Provokation wirken. Gegenpositionen zum Regierungshandeln sind im ZfI nicht erkennbar. Mehr noch: Das ZfI betreibt selbst von Anbeginn seines Bestehens 2016 eine intensive politische Unterstützung der unkontrollierten Migration. Im Rahmen des Projektes „Refugee Law Clinic“ wird für abgelehnte Asylantragsteller Rechtsberatung angeboten. Auf dem Weg zu einer

„Inklusiven Gesellschaft“ kooperiert das ZfI mit einer Vielzahl politischer Vorfeldorganisationen

zumeist links-grüner Couleur.


MIDEM


Auch das Mercator Forum für Migration und Demokratie reflektiert in keiner Weise die Vielstimmigkeit innerhalb der Gesellschaft zu den hier behandelten Fragen. Steht

wissenschaftliche Forschung für Infragestellung, Offenheit und Suche nach Neuem setzt MIDEM immer schon die prinzipielle Vereinbarkeit entwickelter demokratischer Strukturen mit ungehinderter Migration aus z.T. noch tribalistischen Kulturen voraus. An keinem Punkt thematisiert MIDEM die Nachteile einer unkontrollierten Migration. Es ist der utopische Machbarkeitswahn, der beansprucht, die Gesellschaft insgesamt transformieren zu können. Weshalb kooperiert eine Universität mit einer übernationalen Einrichtung, einer NGO, deren ideologische Ausrichtung bis auf die Ebene personeller Verflechtungen zum Politischen nachweisbar ist? Die Frage der finanziellen Zuwendungen drängt sich wohl auf, bleibt aber völlig im Dunkeln. MIDEM steht nicht für ergebnisoffene Suche, sondern – wie man sich dort selbst eingesteht – für Vermittlung von Leitbildern. MIDEM erinnert damit fatal an die ideologische Indienstnahme der Geisteswissenschaften durch den DDR-Staat.


GenderConceptGroup


Die Genderstudien an der TU vertreten höchst einseitig affirmative Positionen zu einem Problemkreis, der in der breiten Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird. Mit dieser Überbetonung ignoriert man die Tatsache, dass die weltabgehobenen Aufgeregtheiten dieser Studien bei der Mehrzahl der wirklich arbeitenden, normalen Menschen nur Kopfschütteln und Ablehnung hervorrufen. Die starke kritische Reflexion der Gesellschaft zur Genderfrage ist in den universitären, ideologisch fundierten Studien in keiner Weise erkennbar. Den Autoren eines 2022 veranstalteten Kolloquiums zum Thema „Querness/Intersex, Feministische Pornografie“ ist angesichts der Realprobleme der Gesellschaft wirklich nicht mehr zu helfen. Man könnte sie als pathologische Fälle abtun, wäre da nicht die unangenehme Bedenken- und Verantwortungslosigkeit der Universitätsleitung, derartige Projekte aus Steuermitteln zu finanzieren.


HAIT


Das unmittelbar nach der Wende an der TU gegründete HAIT widmet sich im Bereich der Totalitarismusforschung ohne Zweifel durchaus verdienstvoll den Ursachen, Ausformungen und Gefahren des militanten Rechtsextremismus in Deutschland und weltweit. Im Umkehrschluss bleiben andere Gefahren für den Bestand und das Funktionieren der freiheitlich demokratischen Grundordnung weitgehend unbeachtet. Seit Gründung des Instituts verkürzt man

das Totalitarismusproblem auf den Rechtsextremismus. Ernsthafte Studien zu linker Gewalt,

wie sie speziell in Sachsen reichlich zu beobachten ist, blieben bislang aus.


Diese Beispiele zunehmender Ideologisierung ließen sich beliebig fortsetzen. Allen

Forschungsrichtungen gemeinsam ist, dass bereits in den Untersuchungsansätzen politisch-ideologische Grundsatzentscheidungen getroffen werden. Die Indienststellung für den woken Zeitgeist verstellt den Blick auf die wirklichen Probleme und Fragen:


  • Warum thematisiert z.B. das HAIT nicht die potentiellen Totalitarismus-Gefahren, die sich aus der Machtfülle der Brüsseler Institutionen für das Funktionieren der demokratischen Institutionen in Deutschland ergeben?

  • Warum wendet sich das MIDEM nicht der Frage zu, ob ein Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen den Bestand einer Gesellschaft gefährdet bzw. ob es Grenzen der Zumutbarkeit bei der Aufnahme gibt, bei dessen Erreichen (staatliche) Maßnahmen zur Stärkung jener Grenzen unausweichlich werden?

  • Warum unterstützt das ZfI trotz der wachsenden Probleme völlig unbeeindruckt die unkontrollierte Masseneinwanderung?


Solange diese Perspektiven ausgeblendet werden, solange bleiben alle Forschungsansätze

unvollständig und ideologisch. Statt angewandte Sozialforschung für das vielgestaltige „Hier und Jetzt“ gibt es woke Gesellschaftsutopie für ein imaginäres Weltganzes. Diese Weltfremdheit dürfte auch der Grund sein, weshalb die meisten Bürger der sächsischen Landeshauptstadt von diesem abgehobenen universitären Treiben kaum etwas wahrnehmen – was die woke Priesterkaste der Sozialwissenschaftler natürlich nicht im Geringsten stört. Schließlich hat man sich in turbulenten Zeiten bequem eingerichtet.


Es geht dieser Priesterkaste natürlich um Macht, um Gestaltungsmacht über Lehrpläne, Forschungsprojekte und Stellenvergaben. Die haben sie inne, und verändern die Landschaft der Geisteswissenschaften – nicht nur in Dresden – dramatisch. Schade! Und unangenehm. In einer Zeit multipler Krisen wird eine akademische Potenz dringend gebraucht. Ein Vergleich zur Realität der späten DDR drängt sich auf, eine Strukturähnlichkeit ist unverkennbar. Wer das bezweifelt, sollte vielleicht die konsultieren, die es vor einer Generation selbst noch erlebt haben.


*


Über den Autor:


Thomas Küchenmeister hat nach Absolvierung seines 18-monatigen Grundwehrdienstes bei der NVA von 1971 bis 1977 an der Leipziger Universität Geschichte studiert. Von 1977 bis zur Wende arbeitete er an der dann abgewickelten Hochschule für Verkehrswesen in Dresden. 1984 wurde er an der Bergakademie Freiberg promoviert.



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