In Freibädern häufen sich – auch sexuelle – Übergriffe einer Migrantenklientel. Zugleich darf ein Migrant medienwirksam behaupten, es sei obszön, wenn Frauen öffentlich Eis essen. Mit Oswald Spengler muss man inzwischen fragen: Welcher „Daseinsstrom“ gewinnt?
Es war am Ende des Wonnemonats Mai, als sich die ZEIT bemerkenswert ehrlich machte: „Integration war gestern“, begann ein Twitter-Teaser für einen aktuellen Artikel über den demographischen Wandel. Und weiter: „Deutschland ist das zweitgrößte Einwanderungsland der Welt und die Urdeutschen [sic!] dürften auf absehbare Zeit zu einer numerischen Minderheit unter vielen werden. Und nun?“ Urdeutsche? Das ist kein Witz. Im Artikel selbst, der die Überschrift trug: „Sie werden die Mächtigen sein“, hieß es gar: „Deutschland will nicht begreifen, was es heute ist: ein Land, in dem Migranten nicht mehr Minderheit sein werden … Kommen da noch alle mit?“ Der nicht nur mediale Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten. „Die Überschrift und das zugehörige Titelbild könnte die AfD unverändert auf ein Wahlplakat drucken“, kommentierte ein Leser, „4 junge Männer in einem Cabrio sind das perfekte Cliché überwiegend junger männlicher Migranten, die auf nicht nachvollziehbare Weise an einige Luxusgegenstände gekommen sind.“
Obwohl der Tweet rasch und kommentarlos gelöscht wurde (nicht der Artikel), ebbte der Shitstorm kaum ab: Zahlreiche Nutzer hatten Screenshots gezogen und warfen der ZEIT vor, „rechte“ Narrative zu bedienen, darunter selbst Sawsan Chebli (SPD). Kein Gedanke mehr daran, dass einerseits schon 2016 der linke SPIEGEL-Journalist Hasnain Kazim, noch relativ unbeachtet, geschrieben hatte: „Wir sind hier, werden immer mehr und beanspruchen Deutschland für uns. Ob du willst oder nicht“. Kein Gedanke mehr daran, dass andererseits selbst der palästinensische Publizist Ahmad Mansour von Migranten eine „Bringschuld“ forderte. Nein, Integration wurde von einem linken Leitmedium kurzerhand für erledigt erklärt: Aufgrund der „Kraft des Faktischen“, zu dem sicher auch jüngst die gewaltsame Stürmung eines Abiballs von Syrern und Türken nachts um drei in Görlitz gehörte.
Stattdessen rückte das geradezu prophetische „Strategiepapier“ der Flüchtlingsbeauftragten der Bundesregierung und stellvertretenden SPD-Chefin Aydan Özoguz vom September 2015 wieder in den Blick. Es sollte als Diskussionsgrundlage für Bundes- und Landesministerien dienen – aber las sich wie ein Masterplan für die gesellschaftliche Einbindung jener Asylsuchenden, die in Deutschland bleiben werden. Damals wusste noch keiner, dass dies quasi alle sind. Die Flüchtlingsbeauftragte fordert darin deutlich mehr Anstrengungen von Bund, Ländern und Wirtschaft und endete mit der vielzitierten Botschaft: „Wir stehen vor einem fundamentalen Wandel. Unsere Gesellschaft wird weiter vielfältiger werden, das wird auch anstrengend, mitunter schmerzhaft sein.“ Das Zusammenleben müsse täglich neu ausgehandelt werden (was im Übrigen eine Definition von Anarchie ist). Eine Einwanderungsgesellschaft zu sein heiße, „dass sich nicht nur die Menschen, die zu uns kommen, integrieren müssen. Alle müssen sich darauf einlassen und die Veränderungen annehmen“.
Seit Juli nun wird dem „Urdeutschen“ nicht nur zugemutet, „Veränderungen anzunehmen“, sondern gleich das „Aushandeln“ als Kulturkampf auszutragen: Verändert werden soll der öffentliche Eisgenuss der Frau, ausgehandelt das Sozialklima im Freibad. So hat in der Süddeutschen der syrische Autor Mohamad Alkhalaf berichtet, dass es in Syrien vor allem bei Frauen als „obszön“ oder „vulgär“ gelte, im Freien Eis zu essen. Hintergrund sei ein Erlebnis mit einem Freund, der in München „mit der ihm unbekannten Offenheit zu kämpfen“ hatte, wie der Focus schrieb. Und in Berlin-Neukölln wurde das Columbiabad nach massiven Migranten-Ausschreitungen geschlossen: „Wir können nicht mehr“, sagten Mitarbeiter des Bades dem Tagesspiegel. Selma Duman fragte auf Tichys Einblick, ob Lauterbachs Hitzeschutzplan „nicht eher auf sozialen Schutz und psychische Sicherheit von Deutschen abzielt als auf den vermeintlich gesundheitlichen der ganzen Gesellschaft.“
Verpackt wird die Zumutung übrigens in eine Vokabel aus dem Sozialgesetzbuch (SGB XI), das, welch Zufall, zuletzt im Juni geändert wurde: „Kultursensibel“. Unter § 1 Ziff. (5) ist da zu lesen, dass in der Pflegeversicherung geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Pflegebedürftigkeit von Männern und Frauen und ihrer Bedarfe an Leistungen berücksichtigt „und den Bedürfnissen nach einer kultursensiblen Pflege nach Möglichkeit Rechnung getragen werden“ sollen. Hintergrund sei die erste Generation der Gastarbeiter, die in den 50er bis 70er Jahren nach Deutschland kam und jetzt in einem Alter ist, in dem die Pflegebedürftigkeit eine wachsende Rolle spielt. Sonst findet man das Wort noch nicht einmal bei Wikipedia geschweige anderen Wörterbüchern oder Lexika.
Kein Verständnis für Frauenverachtung
Abgesehen von der kultur- und staatspolitisch vielfach interpretierbaren Metapher der offensichtlichen „Pflegebedürftigkeit“ auch der schon länger hier Lebenden, die an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben soll, frappiert vor allem die mediale Zuspitzung der Zumutung: In klassischer Freund-Feind-Manier Carl Schmitts werden der syrische Autor bzw. die jungen muslimischen Gewalttäter euphemisiert, ihre Erfahrungen verklärt und insgesamt mit nachgerade lächerlich erschriebener Ursachenforschung verniedlicht; andererseits die Bürger im- bis explizit zur positiven Reflexion des und der Fremden animiert und die Folgen des Tuns nicht nur unter der Özoguz-Perspektive kleingeschrieben, sondern auch der von Katrin Göring-Eckardt (Grüne), die beim Parteitag Ende 2015 erklärte: „Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich drauf!“ Die Bürger wiederum lassen sich diese Bevormundung nicht gefallen und kommentieren in kämpferischem Antimodus.
Beginnen wir mit dem vorpubertären Eis-Text, in dem Alkhalaf das „Verspeisen von Mahlzeiten, die als phallisch geformt angesehen werden können“, ernsthaft als „provokant oder anstößig“ wertet. Sogar Bananen würden dort vor dem Verzehr in Stücke geschnitten, um keine schlimmen Fantasien auszulösen. Das ist auch kein Witz. Also twittert der deutsch-türkische (!) Aktivist Ali Utlu: „Weil Ibrahim nervös wird, wenn Frauen am Eis lecken, soll man sich jetzt schämen, Eis zu lecken? Entweder schreiben für die Süddeutsche mittlerweile die Taliban oder ein woker Volltrottel“. Auch Boris Reitschuster warf die Frage auf, ob für die Tageszeitung mittlerweile die Taliban schrieben: „Die Süddeutsche legt ihren Lesern nahe, dass sich Frauen schämen müssen, im Freien ein Eis zu essen, weil Zuwanderer aus dem arabischen Raum dadurch nervös werden könnten.“
Ein anderer User hat ebenfalls wenig Verständnis: „In der @SZ wird ernsthaft suggeriert, es könne ‚obszön‘ sein, wenn Frauen in der Öffentlichkeit Eis essen. Für diese Frauenverachtung sollte es kein Verständnis geben - egal wie das gerechtfertigt wird“. Ähnlich sieht es ein weiterer, der schreibt: „Wer sich bereits von Eis essenden Frauen so sehr sexuell erregen lässt, dass es sich lohnt, einen Artikel darüber zu schreiben, hat oder ist ein Problem“. „Wer beim Eis lutschen obszöne Gedanken hat, hat sich selbst ertappt“, befindet ein nächster. Twitter-Userin Berry Calls erklärt, dass sie als syrisch-deutsche Frau an heißen Sommertagen gerne ein Eis esse oder ein Bier trinke und dies auch in Syrien gerne getan habe. Dennoch ärgert sie sich über die Sexualisierung: „Männer, die alles sexualisieren, sollen bloß zu Hause bleiben!“
„Kulturrelativismus ist einfach zum Kotzen“, empörte sich auch Marianna von Artsruni vom Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. „Dinge wie das Eisessen, Fahrradfahren oder Knöchel zeigen von Frauen im öffentlichen Raum zu skandalisieren sind keine banalen Kulturunterschiede, denen man als Zeitung zur Salonfähigkeit verhelfen sollte.“ „Über was wird hier plötzlich diskutiert? Ist das ein Vorgeschmack auf das neue Spießertum, das mit der Zuwanderung zu uns kommt?“, moniert Publizistin Anabel Schunke. „Und umgekehrt wedeln wohlstandsverwahrloste Leute auf Prides in Hundemasken mit ihrem Penis rum. Genau mein Humor. Das wird noch lustig hier.“ Sollen Frauen also gezielt eingeschränkt und verunsichert werden? Und so regt sich aus feministischen Kreisen auch Kritik: „Wenn Männer völlig normale Alltagshandlungen sexualisieren, dann sollten sie den Blick senken und das Haus nicht mehr verlassen“, schreibt Victoria Feuerstein.
Die Tiroler FPÖ-Abgeordnete Gudrun Kofler forderte Alkhalaf auf, sich auf die wirklich obszönen Dinge in Deutschland zu konzentrieren. Dazu gehörten Männer, die halbnackt vor Kindern tanzten und sich diese bei öffentlich geförderten Lesungen auf den Schoß setzten. Der Berliner AfD-Politiker Georg Pazderski erinnerte den Syrer derweil daran, Gast in Deutschland zu sein. Er solle dankbar dafür sein, hier sein zu dürfen. „Solches Denken muss verpönt sein und ins gesellschaftliche Abseits führen“, meint ein „Fritz“. „Die Christopher Street Day Paraden sind auch nicht kinderfrei. Eis essende Frauen in der Öffentlichkeit sind selbstverständlich absolut harmlos dagegen. Warum dann dieses Gezeter an der falschen Stelle?“, fragt eine Userin. „Solchen Gedankengängen, frauenverachtend, mittelalterlich, wird in der Süddeutschen auch noch Raum gegeben“.
„Wenn Männer aus Syrien und ähnlichen Kulturen sexuelle Phantasien bekommen, nur weil eine Frau ein Eis schleckt, dann finde ich das sehr bedenklich“, befindet eine weitere. „Wenn man dann noch bedenkt, dass Gruppenvergewaltigungen in der Regel von Männern aus denselben Kulturen begangen werden, da stellt sich schon die Frage: ist das lediglich ein formeller, oder vielleicht doch ein kausaler Zusammenhang? Und wenn dem so ist: habe ich als Frau in meinem eigenen Land nicht ein Recht darauf, vor solchen primitiven Männern geschützt zu werden? Und wiegt dieses Recht nicht schwerer als das Gastrecht solcher Menschen?“ Damit deutet sie das dahinterliegende Problem an: Trägt im Falle einer Vergewaltigung die deutsche eisschleckende Frau dann vermutlich eine Mitschuld? Müssen die Gefühle der Ankommenden geschützt werden? Was sagt eigentlich unsere feministische Außenministerin dazu?
Unser Land und unser Eis
„Ich spreche einem syrisch-arabischen Journalisten das Recht ab, in einer deutschen Zeitung seine Meinung über unsere kulturellen Gepflogenheiten zu verfassen. Ich begebe mich damit gern in einen Kulturkampf, der offenbar nicht mehr aufzuhalten ist. Es ist unser Land und unser Eis“, zürnt ein nächster. Der österreichische exxpress erkennt richtig: „Bunte Zebrastreifen über jede Straße, Pride-Flaggen auf Öffis und Transgender-Bilder in Kindergärten. Während wir immer bunter werden, fragt eine große deutsche Zeitung, ob Frauen in der Öffentlichkeit Eis essen sollen.“ Und Welt-Kolumnistin Anna Schneider denkt darüber nach, wie es sein kann, „dass wir uns im Jahr 2023 solche gesellschaftlichen Steinzeitfragen überhaupt stellen?“ Und folgert konsequent: „Müsste man als empathischer Mensch demjenigen die Pein ersparen wollen, der dabei offenbar an nichts als Oralverkehr denken kann?“ Ihre Antwort liegt „wie so oft in der absolut erträglichen Leichtigkeit des Neins. Kein noch so verletztes religiöses Gefühl rechtfertigt die Einschränkung weiblicher Freiheit.“
Apollo News meinen, dass Beschreibungen wie „Früher kauften wir im Falle einer Speiseeisvertilgung eine große Box für die Familie, nahmen das Eis mit nach Hause, schlossen die Tür – und ließen es uns schmecken“ nicht wie eine scharfe Kritik an der illiberalen islamischen Gesellschaft des Nahen Ostens klingen – „sondern wie eine Romantisierung einer Gesellschaft, die es Frauen nicht erlaubt, in der Öffentlichkeit ein Eis zu essen, weil es ‚phallisch‘ geformt ist.“ Am Ende sei in diesem Text mehr Verständnis für das Unbehagen syrischer Flüchtlinge gegenüber frei lebenden Frauen da als die Verurteilung dieser rückständigen Vorstellungen. Von hier ist es nicht mehr weit zum Selbsthass der Linken-Abgeordneten Steffi Pulz-Debler, die im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vor ein paar Tagen sagte, sie schäme sich für ihr Privileg, „deutsch, weiß und westeuropäisch“ zu sein. Das kann man nur noch als mentale Diarrhoe beschreiben.
„Nicht eine Eis essende Frau ist obszön, sondern die Sexualisierung völlig normaler Alltagsangelegenheiten im Taliban-Style“, twittert ein erboster User. „Unser Problem ist, dass den Islamisten die pure Existenz einer westlichen Kultur als Beleidigung gilt“, antizipierte Frank Schirrmacher bereits 2016 in der FAZ. Vereinzelte linkskonservative Stimmen meldeten sich jedoch auch zu Wort. So schrieb der Essener Verband der Nachwuchsorganisation der Linkspartei: „In unserer Gruppe sind Menschen aus der Türkei, Kurdistan, Palästina, Marokko und dem Iran. Niemand teilt die Idee von Ibrahim, dass Eisessen irgendwie obszön ist. Im Gegenteil: in all diesen Ländern essen die Menschen Eis. Der Artikel stellt den Nahen Osten vollkommen falsch dar.“ Nun stelle man sich aber vor, ein deutscher Journalist schreibt in einer syrischen Zeitung etwas Kritisches über deren Lebensweise...
Humorvoll um eine Befriedung der Debatte bemüht zeigte sich der Publizist Julius Böhm: Die Streitigkeiten um das Eisessen würden ohnehin hinfällig, wenn sich bald niemand mehr ein Eis leisten könne. Noch besser Elisa David, die auf Tichys Einblick sarkastisch vermutet: „Vielleicht ist diese Kolumne ja auch einfach nur nicht gekennzeichnete Schleichwerbung für die Eiscreme-Branche.“ Aber anschließend interpretiert sie das Problem auf den Punkt: „Wenn Du Eis isst, muss ich an Sex denken, also hör auf Eis zu essen.“ „Ich freue mich auf die Kolumne von Herrn Mohamed Alkhalaf zum CSD“, wünscht sich prompt ein weiterer, „Wenn ich das lese, denke ich an Michel Houellebecq. Es ist so weit“, resigniert ein anderer. „Wir können noch so viele Milliarden für weitere Integrationsbeauftragte und Sozialarbeiter in die Hand nehmen! Wir werden einen Großteil dieser Menschen niemals integrieren können!“, erkennt ein nächster, und ein letzter gar „das vorsichtige Vortasten Richtung Scharia.“
Zu den vehementen Beschwichtigern gehörte Ex-Bildblog-Chef Stefan Niggemeier, für den die „richtige Klage“ wäre: „Jetzt darf man nicht mal mehr darüber schreiben, was für ein Kulturschock es ist, wenn man als aus Syrien geflohener Mensch plötzlich in Deutschland lebt!“ Und weiter: „Man darf seine Erfahrungen nicht mehr teilen, seine frühere Prägung nicht mehr schildern, seine Lernprozesse, die mit dem Wechsel aus einer repressiven Gesellschaft wie in Syrien in eine freie Gesellschaft wie in Deutschland verbunden sind. Man darf nicht mehr mit Staunen auf Dinge blicken, die Deutschen nicht nur als selbstverständlich erscheinen, sondern als selbstverständlich selbstverständlich.“ Das ist kein Witz. Auch keiner, dass Niggemeier beim Lesen der Kolumne „regelmäßig selbst etwas lernen“ könne, „zum Beispiel warum in Syrien fast jeder Wasserkanister, Holzknüppel, Taschenlampe, Batterien, Schaufel und Fotokamera im Auto hat“. Vielleicht findet man diese Tipps im bald klimaversteppten Brandenburg hilfreich…
Integration scheitert mangels Selbstreflexion
Beschwichtigt wurde auch, und damit zum zweiten Problemkreis, das Gewaltproblem in Schwimmbädern, zumal in Berlin. Die Zeit schreibt im Zusammenhang mit Gewalt und sexuellen Übergriffen, dass „in Freibädern der Pommespreis steigt.“ Da sei es „kein Wunder, dass da manch ein Badegast durchdreht.“ Das ist auch kein Witz. Der Deutschlandfunk ist ebenfalls in Phantasia unterwegs: „Faktoren, wie sich die Gesellschaft verändert hat, spielen eine Rolle“, wird Erik Voß, Leiter der Aus- und Fortbildung der deutschen Gesellschaft für das Badewesen, zitiert: So werde die „Erwartungshaltung“ der Kunden immer höher und gebe es wegen Corona ein höheres Aggressivitätspotenzial. Wer hier welche Erwartungen hegen könnte oder wollte, verschweigt der Sender geflissentlich. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann behauptete, es gebe zu wenig Bademeister.
Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) macht als Schuldige nicht aggressive Besucher aus, sondern die Bäder selbst: „Ich habe die klare Erwartungshaltung, dass die Berliner Bäder-Betriebe alles daransetzen, ihrem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden“, erklärte sie dem Tagesspiegel. Das ist ebenfalls kein Witz. Sie müssten „für die Sicherheit in ihren Anlagen Sorge tragen“. Es könne nicht sein, dass bei jedem Vorfall eine Strafanzeige bei der Polizei gestellt werde: „Wo viele Menschen sind, gibt es auch viel Konfliktpotenzial.“ Kein Wort dazu, welche „Menschen“ das sind. Auch das ist kein Witz. Moritz Herrmann und Jana Luck fragen gar im aktuellen Stern: „Wieso bringt dieser Ort die Deutschen so in Wallung?“ Die Deutschen? Integration scheitert da, wo der Wille zur Selbstreflexion fehlt. Prompt hat sich Innenministerin Faeser (SPD) für stärkere Polizeipräsenz in Freibädern ausgesprochen; CDU-Chef Merz auch. Der SPD-Kanzler fand, der Staat müsse reagieren, Grünen-Boss Nouripour forderte eine klare Grenzziehung, „bis hierhin und nicht weiter“: Für Hermann und Luck „politischer Überbietungswettbewerb in der Badehose.“
Höhepunkt des Appeasements war Ende Juli eine Demo von, laut rbb, „rund 130 Teilnehmenden“, vor dem Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg, die sich gegen vermehrte Polizeipräsenz an Freibädern richtete. Zum Protest aufgerufen hatte die antirassistische Gruppe Migrantifa. Sie kritisiert die neuen Regeln in Freibädern, die nach wiederholten Gewaltvorfällen eingeführt wurden. Dazu zählen unter anderem mobile Polizeiwachen vor Bädern, die besonders von Auseinandersetzungen betroffen sind, sowie eine Ausweispflicht in allen Einrichtungen. In den Augen der Demo-Veranstalter werden durch die Einlasskontrollen „rassistische Vorurteile“ produziert. Menschen mit Migrationshintergrund würden unter Generalverdacht gestellt. Statt dieser Maßnahmen fordert die Gruppierung mehr Investitionen in soziale Angebote. Der „Kein Witz“-Verweis erübrigt sich an dieser Stelle.
Moment: In welches Land kann man einreisen ohne Pass, aber muss genau diesen vorzeigen, wenn man ins Freibad will? Der Migrantifa-Vorwurf des Generalverdachts ist überdies absurd: Würden sich arabischstämmige männliche Jugendliche sich nicht derart, gelinde ausgedrückt, „danebenbenehmen“, wäre dieser Kontrollaufwand nicht notwendig. Dass sie neben Raufereien auch Frauen, Minderheiten, besonders Transpersonen oder queere Menschen anpöbeln und bespucken und damit ihrerseits diese diskriminieren, beschweigen die Aktivisten aber, die eher auf Anti-Polizeidemos denn in Schwimmbädern anzutreffen sind. Wer kriminelles Verhalten einer identifizierbaren Gruppe benennt und Gegenmaßnahmen einleitet, ist nicht rassistisch. Warum der rbb den Vorwürfen einer Migrantifa-Aktivistin in der Art eines öffentlichen Bekennerschreibens unwidersprochen Raum gibt, zeigt die verschobenen Maßstäbe der Öffentlich-Rechtlichen weg von Ausgewogenheit hin zu linksgrüner Parteilichkeit.
Rassistische Feindbilder
Was war eigentlich geschehen? Bereits in den vergangenen Jahren war es in den Berliner Freibädern zu tumultartigen Auseinandersetzungen gekommen, sodass die Polizei eingreifen musste. Die Berliner Bäder-Betriebe setzen daher an warmen Tagen mancherorts Wachleute von privaten Sicherheitsfirmen ein. 1,5 Millionen Euro werden dafür pro Jahr ausgegeben. In den vergangenen fünf Jahren wurden mehr als 730 Hausverbote allein in den Berliner Freibädern erteilt. Überwiegend ging es dabei um Verstöße gegen die Hausordnung. Laut Tagesspiegel hatten sich Angestellte bereits Mitte Juni dieses Jahres mit einem Brief an die Leitung der Bäderbetriebe gewandt und von regelmäßigen Gewaltandrohungen gegen Mitarbeiter und Gäste berichtet.
Anfang Juli dann hatten Jugendliche Beschäftigte des Columbiabades und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes provoziert, das Bad war daraufhin geräumt worden. In der Folge meldeten sich mehrere Mitarbeiter krank. Daraufhin blieb das Freibad wegen des hohen Krankenstands geschlossen, und die Diskussion nahm bundesweit Fahrt auf. So beantragte angesichts mehrerer Vorfälle die AfD-Fraktion Baden-Württemberg im Landtag die Aktuelle Debatte „Sommer, Sonne, Schlägereien: Geht die innere Sicherheit baden?“ Denn in Mannheim war es im Freibad zu einer Massenschlägerei mit 40 Beteiligten gekommen, in Malsch wurde ein Bademeister verprügelt, „Stuttgart-Ost, Untertürkheim, Möhringen, Esslingen, Kirchheim unter Teck, Lenningen, Fellbach, Leonberg, Asperg: Das ist die Liste der Freibad-Tatorte in der Region“, musste allein die Stuttgarter Zeitung eingestehen. Wie das Innenministerium durch eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion festgestellt hat, erfasste die Polizei im letzten Jahr knapp 1.200 Straftaten in Freibädern. Dabei war die Anzahl der Rohheitsdelikte wie Körperverletzungen um über 25 Prozent im Vergleich zu 2019 gestiegen. Allein 2022 bleiben 687 Straftaten unaufgeklärt, die Aufklärungsquote stagniert bei knapp 42 %.
Die Täter haben zwar auch die Merkmale Ausländer bzw. Migrationshintergrund und auch jung und männlich, befand der innenpolitische AfD-Fraktionssprecher Daniel Lindenschmid MdL: „Aber es geht noch weiter. Es sind Täter aus bestimmten Kulturkreisen. Mittelalterliche, patriarchalische Kulturkreise, denen Sie stets kultursensibel begegnen wollen. In diesen sind Frauen, Homosexuelle und vermeintlich schwache Menschen Freiwild. Es wird dort nicht als falsch angesehen, diese Gruppen anzugreifen, zu schlagen, auszurauben oder zur Befriedigung niederer Triebe zu missbrauchen. … Sie holen tagtäglich Antisemiten, Homophobe, Kriminelle, darunter auch Sexualstraftäter, direkt in die Sozialsysteme. Weil Sie die angeblich unschönen Bilder an der Grenze bei der Auseinandersetzung mit jungen wehrfähigen Männern scheuen, werden nun die Einheimischen Opfer im eigenen Land.“
Die grünschwarze Regierung tobte; die AfD baue „rassistische Feindbilder“ auf und spiele mit den Ängsten der Menschen, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Fadime Tuncer. Kretschmann fühlte sich gar bemüßigt, noch Tage danach medienwirksam zu wiederholen, dass man den „Einzelfällen“ konsequent nachgehe, und warnte davor, „einzelne“ Übergriffe „hochzujazzen“. Die Realität aber sieht anders aus. „Während der Ausländeranteil in Baden-Württemberg bei 17,8 Prozent liegt, beträgt der Anteil von Straftätern im Freibad ohne deutschen Pass 34,6 Prozent. Handelt es sich um Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, vergehen sich Ausländer knapp doppelt so häufig an Frauen und jungen Mädchen. Im Raum Stuttgart ist die Quote an ausländischen Grabschern zwölfmal so hoch“, resümierte Fraktionschef Anton Baron MdL zum Start der Plakatkampagne „Grenzen schützen – statt Freibäder“. „Der Bundesverband Deutscher Schwimmmeister beklagte schon 2019, dass Frauen von Migranten massiv belästigt würden, es eine hohe Gewaltbereitschaft gebe und den Mangel jeglichen Respekts“, musste Philip Eppelsheim in der FAZ zugeben.
Marodierende Migrantenmobs
Ende Juli nun wurde bekannt, dass mehrere Polizeidienststellen bundesweit Straftaten verschwiegen. Rund vier Wochen nach der „Langen Kulturnacht“ in Villingen-Schwenningen haben Stadt und Polizei eingestanden, dass es zu massiven Ausschreitungen mit bis zu 300 Beteiligten kam. In Bruchsal wurde ein Rettungsschwimmer angegriffen und verletzt: „Eine offizielle Mitteilung der Polizei im Vorfeld gab es nicht“, musste der SWR berichten. „Zu der Frage, warum es nicht früher eine Meldung zu dem Vorfall gab, wollte sich die Polizei nicht äußern.“ Als die Security die Personalien aufnehmen wollte, sei der Angreifer entkommen – auch weil andere Badegäste den mutmaßlichen Täter geschützt und die Sicherheitsleute bei der Arbeit „massiv“ behindert hätten. „Wir müssen die Gesellschaft wachrütteln, das Problem beim Namen nennen“, lässt der Sender gar Eberhard Oehler, Chef der Stadtwerke Bruchsal, sagen.
Und in Berlin wurden gleich zwei Gruppenvergewaltigungen unter dem Deckel gehalten: eine am Schlachtensee von minderjährigen Mädchen und eine im Görlitzer Park, wo Dealer eine Frau vor den Augen ihres Freundes vergewaltigten. Dafür wurde sogar eine eigenen Ermittlungsgruppe mit dem vielsagend-relativierenden Titel „Calor“ (spanisch für „Hitze“) gegründet – nicht, dass jetzt der Klimawandel als Gewaltursache an den vorgeblich sehr heißen Tattagen herhalten muss. Weitere Angaben etwa zu Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund machte die Staatsanwaltschaft unter Verweis auf das Alter der Beschuldigten nicht. „Der Zweck eines auf Erziehung und Vermeidung von Stigmatisierung ausgerichteten Jugendstrafverfahrens“ werde gefährdet, „wenn weitere Informationen erteilt würden“, teilte eine Sprecherin der WELT mit.
Schon erstaunlich, wie sehr man darauf bedacht ist, mit Kriminellen behutsam umzugehen – die Mädchen bzw. Frauen sind fürs ganze Leben gezeichnet. Wo bleibt hier der Aufschrei der Feministinnen und sonstigen Weltverbesserer? „Am Ende gehen dann wieder alle als Verlierer vom Platz“, bilanzierte Henning Hoffgaard in der Jungen Freiheit. „Die Politik, weil sie beim Vertuschen ertappt wurde. Die Polizei, weil sie an Vertrauen verliert. Und auch die Bürger, die die Suppe am Ende auslöffeln müssen.“ Ein hilfloses Rezept gegen die Gewalt lautet inzwischen „Respektlotsen“. Das sind in Baden-Württemberg junge Ehrenamtliche, die meist selbst migrantische Wurzeln haben und den „richtigen Ton“ bei denen träfen, die bei den Übergriffen eine Rolle spielen. Pikant: In Berlin waren es migrantische Kontrolleure, die dann die Pässe deutscher Familien kontrollierten – was in den sozialen Medien Heiterkeit bis Entsetzen auslöste. Bei den Stuttgarter Vorfällen stammten die erwischten Tatverdächtigen überwiegend aus Kriegsgebieten.
Dabei fiel Duman auf, dass alle Familien „unglaublich gut“ mit Speisen und Getränken ausgestattet seien. „Manche hatten sogar ganze Zelte dabei, in denen der Nachwuchs ein Schläfchen halten konnte, während die Mutter auf einem kleinen Campingtisch das Fladenbrot und Gemüse schnitt, für die Frikadellen aus der Tupperdose. Manche Badegäste hatten sogar so etwas wie echte Bettdecken dabei. An anderer Stelle kam gerade der Security-Mitarbeiter hinzu, weil jemand einen Einweg-Grill anschmeißen wollte. Es war so, als würden die Menschen, ebenso wie in der Heimat, einen familiären Tagesausflug an die Gestade eines kühlenden Gewässers machen. Dafür nimmt man gefühlt immer den halben Hausrat und den ganzen Kühlschrank mit.“ Das kann man mit dem Ex-Berliner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD!) nur noch Landnahme nennen, der öffentliche Raum wird für die Einheimischen schleichend immer mehr eingeschränkt. Verliert man aber den öffentlichen Raum, verliert man alles.
Mit einem Brief, der ein Ende der bisherigen Asylpolitik fordert, hat sich prompt die Stadt Burg in Sachsen-Anhalt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt. Darin heißt es: „Die Akzeptanz in unserer Kreisstadt – sowohl im politischen Bereich und viel wichtiger: im Kreis unserer Einwohner – für die von Ihrer Bundesregierung zu vertretende Asylpolitik nach dem Motto ‚weiter so‘ schwindet besorgniserregend.“ Den Brandbrief haben Bürgermeister Philipp Stark (SPD) und der Vorsitzende des Stadtrates, Markus Kurze (CDU), unterschrieben. Zuvor hatte der Burger Stadtrat das Schreiben, das dem MDR vorlag, mehrheitlich angenommen. So heißt es darin, den Bürgern erschließe sich nicht, warum die Leistungen für Migranten in Geld und nicht in Sachleistungen erbracht werden. Außerdem müssten abgelehnte Asylbewerber abgeschoben sowie die EU-Außengrenzen stärker gesichert werden. Die Burger Politiker fordern auch die Erweiterung der sicheren Herkunftsländer um die Staaten Marokko, Tunesien, Algerien und Georgien. „Der Brief aus Burg liest sich wie das AfD-Programm zur Migrationspolitik“, bilanziert die Junge Freiheit.
Tage für Machos unter 30
Die markige Forderung des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann nach „Schnellgerichten“, die „noch am selben Abend“ Verdächtige aburteilen, „zielt offenkundig auf eine neuerdings zur AfD tendierende Wechselwählerschaft“, versucht sich Bodo Mrozek in der taz in Ironie: „Die aber ist schon einen Stechschritt weiter und fordert in zahlreichen Onlinekommentaren ethnische Schranken an der Schwimmbadkasse. Damit stellt sie sich in die unselige Tradition des deutschen Bäderantisemitismus, der schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert, etwa im Seebad Borkum, dazu führte, dass ganze Strände als ‚judenfrei‘ gemeldet wurden.“ Auch das ist kein Witz. Angesichts steigender Umfragezahlen für die AfD werden die sprachlichen Mittel gegen sie immer enthemmter: „die AfD verbreitet sich im demokratischen System wie Metastasen im Körper eines Krebskranken“, schreibt Tobias Peter in der Stuttgarter Zeitung.
In dieser Situation brachte es die WELT fertig, in einem Pro und Contra-Kommentar zu fragen: „Sollten Besuche im Freibad mehr reglementiert werden?“ Anna Kröning behauptete als Ja-Sagerin zunächst, dass Freibäder „seit Jahren … zu Manegen eines aggressiven Machotums [mutieren], das man schon bei Zwölfjährigen beobachten kann.“ Leider vergaß sie die Zahl der Jahre zu beziffern; denn nach glaubhaften Recherchen sowohl in Ost als auch in West war dieses „Machotum“ bis weit in dieses Jahrtausend hinein nicht feststellbar, waren Freibäder im Gegenteil assoziiert mit Sommer, Sonne, Wasser, Rutschen, glücklichen Kindern und Familienerholung. Es müsse uns nachdenklich machen, dass ein friedliches Miteinander nur durch ein hartes Durchgreifen und Kontrollen möglich ist, meint sie dann. Jemand müsste der Autorin mal den Widerspruch in ihrer Aussage erklären. Das entbinde uns nicht davon, „mittel- und langfristige Lösungen gegen solches Machtgebaren zu finden, neue Wege der Sozial- und Integrationspolitik zu gehen“. Aktuell brauche also es mehr Reglementierung: „Dazu gehören schnelle Verfahren gegen Randalierer, mehr Security-Personal, Einlasskontrollen, Hausverbote und Familientage.“ Wofür sollen die normalen, anständigen Bürger ausgegrenzt, ja bestraft werden? Auch hier erübrigt sich der Witzhinweis.
Als Nein-Sager lehnte Rainer Haubrich Familientage ab; „für welche“, fragt er zu Recht. „Traditionsorientierte Großfamilien oder Patchworkfamilien mit Vater-Vater-Kind? Und was kommt dann als nächstes? Tage für moderne Frauen ohne BH und Tage für konservative Frauen? Tage für Machos unter 30? Tage für nonbinäre Schwimmer*innen? Tage für Bayern-Fans und Tage für Dortmund-Fans?“ Zwar verweist er auf die Wortwurzel „frei“: Nämlich frei von jeder Reglementierung. Aber der Satz „Wenn eine tolerante, gewaltfreie Gesellschaft schon im Freibad nicht funktioniert, wird sie auch im richtigen Leben nicht funktionieren“, liest sich eher wie ein achselzuckender Ausdruck von Hilflosigkeit. Kurz zuvor hatte Claudia Kade in derselben Zeitung vom „fatalen Eindruck“ geschrieben, „dass sich der Staat von bestimmten Gruppen auf der Nase herumtanzen lässt“. Dabei erinnerte sie an den „Pakt für den Rechtsstaat“, eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zu Zeiten der Großen Koalition 2019 zur besseren personellen Ausstattung von Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Justiz, um Täter schneller zu ermitteln, rascher abzuurteilen und zu bestrafen. Die Ampel-Koalition hat den Pakt nicht verstetigt.
„Die Politik der Worte statt Taten, die Politik der Androhungen statt der Konsequenzen hat dafür gesorgt, dass sich marodierende Migrantenmobs inzwischen alles erlauben und auch keinerlei Respekt mehr vor der Polizei haben“, erregte sich Lindenschmid. „Unsere Polizeibeamten sollen jetzt auch noch in den Freibädern den Kopf für die verfehlte Politik der etablierten Parteien hinhalten, ohne dabei aber die nötige politische Rückendeckung zu erhalten, um auch wirklich hart durchgreifen zu können! Gerade bei den Tätern aus steinzeitlich anmutenden Kulturkreisen kann es nur heißen: Wer diese Kulturen auslebt, soll das doch bitte zu Hause tun! Hier gilt: Abschieben schafft Sicherheit!“ Der Fellbacher Schwimmbadchef Kai Steuernagel sagte der Stuttgarter Zeitung Tage nach der Debatte: „Was wir heute erleben, ist ja nur das vorläufige Ende einer unguten Entwicklung von schwachen Hausherrn mit fataler Signalwirkung. Welche Fehlentwicklungen sich da anbahnen, war vorhersehbar.“ Ein Wunder, dass auf die „schwachen Hausherren“ niemand reagierte.
Minimierung des Gesichtskreises
Aber wer diese Vorhersehbarkeit aufs politische Tableau brachte – das begann nicht erst bei Thilo Sarrazin (SPD) – hatte sofort „rechte“ Vorwürfe zu vergegenwärtigen. Und dies umso mehr, als die Polizei in Berlin anlässlich der Pride-Wochen die Regenbogenflagge vor dem Präsidium hisste: Wer kann also gegen Weltoffenheit und Vielfalt sein – und „bunte“ Täter stigmatisieren? Vielleicht sollte man statt des Kampfs gegen Rechts den Kampf gegen Rechtsbrecher intensivieren. Aber als Exportnation für politische Irrtümer hat Deutschland nach wie vor Weltniveau. Steht zu befürchten, dass die deutsche Kleinstaaterei wiederkommt? Es gibt heute im Ruhrgebiet schon Clanstrukturen und Stadtbezirke, die ihre eigenen Gesetze machen und Friedensrichter beauftragen. Der Osnabrücker Migrationsforscher Jens Schneider dagegen warnt im FAZ-Podcast vor „Fehlschlüssen“ und versteigt sich zu der Behauptung, dass es angesichts eines Migrantenanteils von bis zu 70 % an den Jugendlichen mancher Städte „erstaunlich“ sei, wenn keine Migranten unter den Tätern wären. Das ist ebenfalls kein Witz, rundet aber den eingangs zitierten Zeit-Text ab.
Als Reaktion auf diese und andere Krisen ziehen sich die Deutschen einer aktuellen Studie des Kölner Rheingold-Instituts zufolge mehr und mehr ins Private zurück. Themen, die in Politik und Medien diskutiert werden, klammern sie weitgehend aus und richten den Fokus auf ihre persönliche Lebenswelt. Nur noch 34 Prozent haben Vertrauen in die Bundesregierung. Als Zufluchtsort wird das eigene Zuhause liebevoll zur Wohlfühl-Oase ausgebaut – 93 Prozent der Befragten gaben an, es sich daheim so schön wie möglich zu machen. Für 84 Prozent hat auch das Miteinander mit Freunden und Familie an Bedeutung gewonnen – wobei dieser soziale Kreis zunehmend aus Gleichgesinnten besteht, die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden wird vermieden. Für den Psychologen und Autor Grünewald ist das überraschendste Ergebnis, dass nur 23 Prozent zuversichtlich im Hinblick auf Politik und Gesellschaft sind, im Privaten aber großer Optimismus vorherrscht. So äußerten sich 73 Prozent in der repräsentativen Befragung zuversichtlich zu ihrer Arbeit, ihrem Studium oder ihrer Ausbildung. „Das ist eine ungeheure Diskrepanz“, findet Grünewald. „Den Deutschen gelingt die Maximierung ihrer Zuversicht durch die Minimierung ihres Gesichtskreises“.
Denn was minimiert der Gesichtskreis inzwischen? Den Dauerstreit um das Kopftuch, die Umbenennung von Weihnachtsmärkten in Wintermärkte, die Abkehr von Schweinefleisch in Mensen und Kantinen, die Teilnahme hochrangiger Politiker am Fastenbrechen, die verweigerten Handschläge für Lehrerinnen – die Zeichen, dass die Landnahme inzwischen Züge von Houellebecqs „Unterwerfung“ annimmt, mehren sich. Man könnte aus der Studie interpretieren, dass die jahrzehntlange Umerziehung im Westen dazu führte, sich lieber feige zu verkriechen. Da muss der Ostdeutsche ja gleich doppelt beängstigend wirken: Er hält dem Westen, auf der Straße protestierend, auch noch den Spiegel vors Gesicht. Aber ohne radikalen Schnitt ist dieser Kulturrelativismus nicht mehr in die Büchse der Pandora zurückzusperren: „Wenn in der Welt der Wahrheiten der Beweis alles entscheidet, so in der Tatsachenwelt der Erfolg“, wusste Spengler. „Erfolg, das bedeutet den Triumph eines Daseinsstromes über die andern. Das Leben hat sich durchgesetzt; die Träume der Weltverbesserer sind Werkzeuge von Herrennaturen geworden.“ Stichwort schwache Hausherren: Wenn naturalistisch eine Vergewaltigung als evolutionärer Erfolg gilt, dann hat sich die Quelle aufgetan – und der Strom ist nicht mehr aufzuhalten.
Denn vergessen wir erst recht nicht: „In Westeuropa läuft ein Experiment, das in der Geschichte der Migration einzigartig ist: Länder, die sich als monoethnische, monokulturelle und monoreligiöse Nationen definiert haben, müssen ihre Identität wandeln. Wir wissen nicht, ob es funktioniert, wir wissen nur, dass es funktionieren muss. Dabei kann es auch zu vielen Verwerfungen kommen…“ hieß es seitens des US-Politologen Yascha Mounk 2015 im Spiegel. Nein, wir wissen, dass es nicht funktionieren kann, nicht funktionieren wird. Kulturaggressiv statt kultursensibel, die Forderungen können nur noch lauten: Austritt aus der Genfer Flüchtlingskonvention, Remigration sowie sofortiger Zuwanderungsstopp für Menschen aus islamischen und afrikanischen Ländern. Eine Einzelfallprüfung muss eine absolute Ausnahme und auch nur dezidierten Härtefällen vorbehalten bleiben. Sonst ist ein öffentliches Eistabu für Frauen noch unser geringstes Problem.
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Über den Autor: Thomas Hartung, geb. 1962 in Erfurt; promovierte nach seinem Lehramtsstudium in Magdeburg 1992 zur deutschen Gegenwartsliteratur und war danach als Radio- und Fernseh-Journalist in
Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie als freiberuflicher Dozent für Medienproduktion und Medienwissenschaft an vielen Hochschulen Deutschlands tätig; der bekennende „Erzliberalkonservative“ trat als Student in die LDPD ein und 1990 aus der FDP aus: von „misslungener Einheit“ nicht nur mit Blick auf die Parteienfusion spricht er bis heute; Hartung war im April 2013 Mitbegründer der AfD Sachsen und wurde zweimal zum Landesvize gewählt. Seit März 2020 ist er Pressesprecher der AfD-Fraktion Baden-Württemberg. Hier können Sie TUMULT abonnieren. Für Einzelbestellungen klicken Sie bitte hier.