„Schwarzfahren“ sei eine rassistische Metapher, ein sichtbarer Sarotti-Mohr bereits „Alltagsrassismus.“ Linksgrüne Umerziehungsversuche ideologisieren inzwischen selbst die Farbenlehre.
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Wer ist eigentlich rassistisch - derjenige, der das Wort „schwarz“ mit einer Bevölkerungsgruppe verknüpfen oder derjenige, der es ohne Personenbezug als Farb-Adjektiv gebrauchen will? Richtig, der zweite. Wer nun darüber staunt, hat noch nicht bemerkt, dass es in diesem Land inzwischen unmöglich geworden ist, etwas „an sich“ zu sehen, sondern immer „für sich“ begreifen zu müssen. In diesem Fall für die Zwangsbindung von Farbe an ein Werturteil – ein Mechanismus, der erneut den moralischen Trick linker Gesinnungsethiker illustriert: aus jedem Unterschied eine Ungleichheit zu machen und aus Ungleichheit sofort Ungerechtigkeit herbeizuphantasieren.
Das jüngste Beispiel dieser unsäglichen Zwangsideologisierung lieferte jetzt in der Zeit Lann Hornscheidt – richtig, die inzwischen emeritierte Sprachwissenschaftlerin, die sich für geschlechtslos hält und einst als „Proffesx“ statt Professorin (für „Gender Studies und Sprachanalyse am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien“ der Berliner Humboldt-Universität) angesprochen werden wollte. Heute firmiert sie als „Profex Drex.“ Unter der Überschrift „Der Antirassismus-Knigge“ entwirft sie ein sprachhandlungsleitendes „Update“ von Knigges „Über den Umgang mit Menschen“ von 1788, um „antidiskriminierenden Sprachhandlungen“ einen Riegel vorzuschieben.
So zeige die Beschreibung „Möbel im Kolonialstil“, wie „unkritisch Kolonialismus noch heute besetzt ist“. Wenn man „diskriminierende Kinderlieder“ wie „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ als deutsches Kulturgut verteidigt, müsse man zugleich reflektieren, „was dies für die so aufgerufene ‚Kultur‘“ heiße. Und vor allem blieben „rassistische Metaphern wie ‚Schwarzfahren‘ und ‚Schwarzsehen‘, ‚schwarzmalen‘ und ‚schwarze Schafe‘“ unhinterfragt. Hornscheidts Bilanz: „Auf diese Weise werden rassistische Vorstellungen genährt und bestätigt, weitergeführt und fließen als subtile Gewalt ins eigene Leben ein.“ Das ist kein Witz.
„Menschen in Deutschland sind deutsche Menschen“
Die Sprachwissenschaftlerin scheint keine Ahnung davon zu haben, dass „schwarzsehen“ ebenso wie „schwarzmalen“, „schwarzärgern“ etc. in der europäischen Farbsemantik begründet ist – im Gegensatz zu „weiß“ als Farbe des Bösen und Schädigenden, des Zorns und der moralischen Minderwertigkeit, der Illegalität („schwarzarbeiten“, „schwarzschlachten“ usw.), auch des Aberglaubens und der Nacht. Vor allem die sich schwarz färbende Leiche macht die Farbe zu jener von Trauer und Tod - der „schwarze Tod“ ist bis heute Synonym für die Beulenpest. Schwirzen oder Schwärzen ist ein Ausdruck für Schmuggeln und stammt von Menschen, die früher nachts Schmuggelgut auf ihrem Rücken über Grenzen getragen haben. Wenn man im Dunkeln nicht gesehen werden will, sollte man sein Gesicht mit Ruß schwärzen - tatsächlich einer der Nachteile von Menschen weißer Hautfarbe.
Manche Linguisten erkennen darin auch noch das jiddische Wort „shvarts“, das „arm“ bedeutet und daran erinnert, dass sich nicht jeder eine öffentliche Beförderung leisten kann. Auch davon scheint Hornscheidt keine Ahnung zu haben, ist damit allerdings nicht allein: vor fast genau einem Jahr hatte der grüne Vize-Pressesprecher der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Sebastian Brux, via Twitter nach einer Erklärung zur „rassistischen Begriffserklärung des ‚Schwarzfahrens‘“ gesucht – und einen Shitstorm geerntet. Und bereits 2012 hatte der Münchner Linken-Stadtrat Orhan Akman Diskriminierung gewittert und wollte den Begriff Schwarzfahren durch einen anderen ersetzen lassen. Die Münchner Linguistin Christiane Wanzeck verwies auf die Analogie, dass ein blinder Passagier auch nichts mit Blinden zu tun habe. Schon vor Jahrhunderten seien solche Kombinationen aus Farbadjektiven und Hauptwörtern weit verbreitet gewesen, sagte sie der Abendzeitung.
Und erst recht scheint Hornscheidt keine Ahnung davon zu haben, dass der Begriff „schwarzes Schaf“ auf die Wertmaßstäbe der Schafzucht zurückgeht, wonach die Wolle weißer Schafe als wertvoller anzusehen ist, da sie sich einfacher färben lässt. Die Wolle eines einzigen schwarzen Schafes dagegen senkte die Wollqualität der ganzen Herde, weshalb solche Tiere schon in der Zucht, wenn möglich, aussortiert wurden. Ihr Zwischenfazit lautet: „Privilegiert zu sein in Bezug auf Rassismus bedeutet, durch all dies nicht persönlich beschädigt zu werden.“ Auch das ist kein Witz.
Hornscheidt hat die von ihr inkriminierten Begriffe nie selbst etymologisch, sprich sprachhistorisch tiefgründig, hinterfragt und aktualisiert sie ausschließlich oberflächlich, um unwahre Behauptungen aufstellen, die der gängigen „Ideologie to go“ dienen. Über den Kolonialismus- oder gar Diskriminierungsunsinn von Kulturgütern wie Möbeln oder Liedern breitet man lieber den Mantel des Schweigens – nicht aber über Handlungsanweisungen, die Hornscheidt aus ihren hanebüchenen Herleitungen ableitet. Als übergreifende Option formuliert sie erwartbar: „Schreiben Sie Menschen nicht gruppenbezogene Eigenschaften zu. Schlussfolgern Sie nicht von einzelnen Personen und Schlagzeilen in den Medien auf riesige Gruppen“ – gesinnungsethischer Subjektivismus schlägt verantwortungsethische Systemik. Dann aber wird es absurd: „Menschen in Deutschland sind deutsche Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies stimmt, ist sehr viel höher als alle selbst erlebten oder medial dramatisierten Ausnahmen.“
Diese Absurdität wird noch auf die Spitze getrieben durch die Forderung, migrantische Verhaltensweisen wie etwa Gewalt nicht subjektiv zu bewerten: „Zu beobachten und nicht zu interpretieren bedeutet auch, eigene Deutungen dazu, was ‚zu emotional‘, ‚zu aggressiv‘ ist, nicht über andere zu stülpen. … Sich erlauben zu können, nicht emotional zu werden, kann Anzeichen einer Privilegierung sein.“ Und am Ende reziprokisiert Hornscheidt gar noch Wirklichkeit: „Allzu häufig werden in den Medien absurde Vergleiche und Übertreibungen angestellt, stilisieren sich Privilegierte im Internet zu Opfern von ‚Meinungsdiktaturen‘ und ‚Gesinnungspolizei‘. Dies ist eine Umkehrung der Tatsachen.“ Das ist ebenfalls kein Witz.
„Es geht zu weit, wirklich“
An diesem Text lassen sich mustergültig die – untereinander auch mannigfach kombinierbaren – Propagandatechniken beschreiben, mit denen in Deutschland seit geraumer Zeit ein „Zwiesprech“ in Orwell‘scher Manier etabliert werden soll, das letztendlich zu „Zwiedenk“ und damit Zwietracht führt. Zum ersten werden Begriffe ihrer traditionellen Semantik entkernt und entweder auf eine genehme semantische Nuance verengt oder gar gleich auf eine neue hin interpretiert – das ist ideologisches Framing und wird von vielen Kommentatoren angeprangert. „Ist ‚schwarzärgern‘ genauso rassistisch wie ‚zur Weißglut bringen?“, fragt einer. „Jedes Unternehmen ist froh, wenn es endlich schwarze Zahlen schreibt“, feixt ein zweiter.
„Schwarze Kleidung bei Beerdigungen ist dann wohl auch rassistisch. Am besten, wir schaffen die Farbe Schwarz einfach ab, dann gibt es auch keinen Rassismus mehr“, schimpft ein dritter. „Diese gut gemeinten Ratschläge könnten zur schleichenden Einschränkung der freien Rede dienen“, erkennt ein vierter. Und ein fünfter entwirft ein an Orwell gemahnendes Szenario: „Man könnte die Smartphones auf Dauerabhören voreinstellen, und jeder bekommt ein Band ans Handgelenk. Wer ein diskriminierendes Wort sagt, bekommt einen Stromschlag in einer Stärke, die abhängig vom Diskriminierungsgrad zu definieren ist. Die Liste diskriminierender Wörter wird wöchentlich vom Innenministerium aktualisiert.“
Zum zweiten wird unterstellt, dass individuelle Wertungen und Deutungen nie von anderen im Sinne mehrheitlichen Weltverständnisses geteilt werden könnten – das ist Wahrnehmungsmanipulation. Zum dritten wird fingiert, dass Nachteile mancher immer auf Vorteilen anderer und daher „Privilegierter“ beruhen – das ist Demagogie in der schlechtesten Tradition von „divide et impera“. Zum vierten wird die Realität nur in jenen Ausschnitten interpretiert, die der erwünschten Deutung entsprechen, und alle anderen ausgeblendet, denen damit ihre Existenz und hermeneutische Legitimation abgesprochen wird – das ist normative Selektion: als hielte eine selbst ernannte Elite „die Menschen nicht für reif, alle Tatsachen zu bekommen“, weil sie darauf „falsch“ reagieren würden, wie der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz auf Phoenix vermutet.
Zum fünften werden die selektierten Ausschnitte wissentlich und absichtlich fehlgedeutet bis ins Gegenteil dessen, was das Nichtselektierte, Ausgeblendete bislang als gesicherten Erkenntnisvorrat angeboten hat – das ist strategische Desinformation, böswillig könnte man auch einfach Volksverdummung, ja Lüge dazu sagen. Zum sechsten wird die eigentlich mediale Suggestionstechnik, vom novitären Teil aufs tradierte Ganze zu schließen, überstrapaziert bis ins logisch Surreale hinein: jedem die Nationalität des Landes zuzuschreiben, in dem er sich gerade befindet, ist so falsch, dass nochmal nicht das Gegenteil richtig ist. Das muss man intentionale Dramatisierung nennen. Und zum siebten wird permanent, ebenso übergreifend wie übergriffig, das Eigene negativiert, entwertet und das Fremde als notwendig einzunehmende, positive Perspektive normalisiert – das ist gesinnungsethisches Nudging. Hier wird ein schlechtes Gewissen allein aus der Abwesenheit von „Diskriminierung“ konstruiert.
„Nämlich nicht im Vordergrund“
Viele Kommentatoren regten sich vor allem darüber auf. Man habe es mit jemandem zu tun, „der sein Geld damit verdient, Diskriminierungen zu finden“, meint einer. „Hier wird die Hypersensibilität einiger weniger Betroffener zum allgemeinen Maßstab erhoben, und das kann nicht funktionieren“, ein anderer. „Die Beispiele hier wirken wahrlich unglaublich konstruiert und tun dem eigentlich löblichen Ansatz, Rassismus zu erkennen, keinen Gefallen“, so ein Dritter. Ein vierter verweist darauf, dass es bestimmte gesellschaftliche Grenzen geben muss, „unter deren Schwelle man vom Einzelnen eine gewisse Resilienz erwarten können darf.“ „‚Wissenschaft‘, die Menschen und ihre Sprache derart in Schubladen steckt, rutscht selbst ins Ideologische und Totalitäre ab und reißt Gräben auf, wo man Brücken bauen müsste. Es geht zu weit, wirklich“, befindet ein fünfter. Apropos zu weit: prompt forderte Christian Bangel Tage später ebenfalls in der Zeit, wir „Weißen ohne Zuwanderungsgeschichte“ sollten „Rassismus“ aus „Sicht der Betroffenen“ als Bedrohung betrachten. Das ist nicht nur gelenkte Wahrnehmung, sondern schon gelenkter Identitätsverzicht.
Dieses Nudging ist inzwischen nicht mehr nur auf Sprache gemittelt, sondern manifestiert sich leider schon in Handlungen. Nachdem die Bar des Mannheimer Kulturhauses Capitol viele Jahrzehnte lang der Sarotti-Mohr schmückte, begannen sich 2018 einige Besucher eines Veranstaltungsabends am „Alltagsrassismus“ der traditionellen Werbe-Dekoration zu stören. Nach vielerlei ideologischem Hickhack wurde prompt ein Künstler mit der „Heilung“ der rassistischen Wunden beauftragt, der – in selbstverstandener Tradition Christos – den Schriftzug jetzt mit Stoff verpackte. Das „Verstecken“ der einstigen Leuchtreklame reflektiere „das, was Alltagsrassismus in unserer Gesellschaft tatsächlich ist. Nämlich nicht im Vordergrund. Nicht genug thematisiert“, nicht täglich da, wo er sein sollte, zitiert die Junge Freiheit den Grafiker Georg Veit, zugleich künstlerischer Leiter des Hauses. „Ich wünsche mir, dass der Betrachter irritiert wird, nachdenkt und dann mit anderen ins Gespräch kommt“, sagte er.
Er könne sich zwar nicht in die Lage derer versetzen, „die das erdulden müssen“, habe aber Verständnis für die Betroffenen, die sich an dem Mohr „nicht nur stören“, sondern für die es „eine Einschränkung bedeutet, wenn die Werbeanlage hängen bleibt“, gibt sich der Geschäftsführer des Eventhauses, Thorsten Riehle, schuldbewusst - er ist gleichzeitig auch der Kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion in Mannheim. Grundsätzlich soll der Mohr aber bleiben, hatte das Capitol schon vor längerer Zeit bekannt gegeben: Die hundertjährige Figur lasse sich historisch nicht mit Rassismus in Verbindung bringen. Wie nun aus einer historisch unbelasteten Figur eine belastete geworden sein könnte, verschweigen die Betreiber. An der Entscheidung gab es natürlich Kritik: Tahir Della von der „Initiative Schwarzer Menschen“ hat im SWRerklärt, er sehe die Figur als rassistisch an - daran würde auch eine Umgestaltung nichts ändern. Auch das Antidiskriminierungsbüro Mannheim betrachtet die Sarotti-Werbung laut Stuttgarter Zeitung als ein inakzeptables „Paradebeispiel von wiederkehrender Alltagsdiskriminierung“.
Sarotti-Produzent Stollwerck hatte die Werbefigur bereits 2004 nach dem ersten Aufkommen solcher Vorwürfe offiziell umdesignt: Aus dem kohlrabenschwarzen „Botschafter des guten Geschmacks“ in Diener-Habitus wurde ein auf einer Mondsichel balancierender „Magier“ mit goldener Haut, der nach den Sternen greift. Und damit nähern wir uns endlich dem eigentlichen ideologischen Problem, das sich hinter den ganzen Wortklaubereien und Semantikzaubereien verbirgt: ein Neger darf nicht mehr als servil wahrgenommen werden. Wer also einen Schwarzen nicht mehr „dienen“ lassen möchte, tut das nun offenbar weniger aus Antirassismus, sondern weil er Angst vor dem mitschwingenden Vorwurf hat, noch der Sklaverei und damit einem längst überholten ständischen Denken anzuhängen.
Die zwangsweise Herstellung sozialer Gleichheit heißt das staatliche Gebot der Stunde, das betrifft nicht nur Schwarze, Neger und Mohren gleichermaßen, sondern alle Neubewohner dieses Landes. Unterschiede verschwinden aber weder dadurch, dass man sie verschweigt noch durch allerlei Denk- und Sprachverrenkungen nivelliert. Das führt zum Verschwinden von Individualität und damit zur Unfreiheit. Und die kann nicht das Ziel einer modernen Gesellschaft sein. „Die Kombination von Unwissenheit und moralischem Überlegenheitsgestus hat noch immer Unheil gebracht“, warnt der Bärstadter Pfarrer Eberhard Geisler in einem Leserbrief an die Welt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
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Über den Autor:
Thomas Hartung, geb. 1962 in Erfurt; promovierte nach seinem Lehramtsstudium in Magdeburg 1992 zur deutschen Gegenwartsliteratur und war danach als Radio- und Fernseh-Journalist in Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie als freiberuflicher Dozent für Medienproduktion und Medienwissenschaft an vielen Hochschulen Deutschlands tätig; der bekennende „Erzliberalkonservative“ trat als Student in die LDPD ein und 1990 aus der FDP aus: von „misslungener Einheit“ nicht nur mit Blick auf die Parteienfusion spricht er bis heute; Hartung war im April 2013 Mitbegründer der AfD Sachsen und wurde zweimal zum Landesvize gewählt. Als Presse- und PR-Chef verantwortete er alle Publikate von der Pressemitteilung bis zum Fernsehspot und damit auch maßgeblich den Landtags- und vor allem den Bundestagseinzug des Landesverbands als stärkste Kraft vor der CDU.
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