Bewährung für einen Sprengstoffanschlag auf das Döbelner AfD-Büro – zehn Jahre Haft für einen Sprengstoffanschlag auf eine Dresdner Moschee: Deutschland taumelt nach links.
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„Die Waage der Justitia hat ein weiteres, deutliches Ungleichgewicht bekommen. Scheinbar trägt die Arbeit der ‚Bullenbrenn‘-Justizministerin in Sachsen erste Früchte“, ärgert sich der sächsische AfD-Fraktionsvize Rolf Weigand MdL. „Geht es um Leib und Leben von AfD-Mitgliedern und –Sympathisanten, gelten in Deutschland und im links angegrünten Sachsen offenbar nicht dieselben Gesetze und ganz andere Regeln für ermittelte Täter“, schimpft der Leipziger AfD-Stadtrat Holger Hentschel MdL. „Das Verfahren sowie das Ergebnis müssen für jeden Linksextremisten, für jeden Antifa-Aktivisten geradezu als Ermutigung aufgefasst werden, weitere Anschläge zu verüben. Ist es das, was die grüne Justizministerin in Sachsen, Katja Meier, herbeiführen will?“, fragt der AfD-Obmann im Bundestags-Rechtsausschuss, der Dresdner Jens Maier MdB.
Der Grund für die Empörung: Ende Februar verhängte das Amtsgericht Döbeln Bewährungsstrafen zwischen neun und 24 Monaten gegen drei Männer, die vor fast genau einem Jahr eine tschechische Kugelbombe mit 1,1 kg Sprengstoff (Feuerwerk der Kategorie F 4) vor dem Döbelner AfD-Büro Weigands gezündet hatten. Durch die Wucht der Detonation wurden eine Fensterscheibe nach innen gedrückt sowie Teile des Inventars und vor dem Gebäude geparkte Fahrzeuge erheblich beschädigt. In einer gegenüberliegenden Wohnung zersplitterten zwei Fensterscheiben, ein Mädchen im Raum blieb nur unverletzt, weil es gerade aufgestanden war. Es entstand Sachschaden von insgesamt 16.000 Euro. Auf die Spur der drei war man durch einen Zeugen gekommen, der die Männer beim Wegfahren mit einem Auto gesehen und sich das Kennzeichen notiert hatte. Zudem hatten vier Kameras in dem AfD-Büro die Tat aufgezeichnet. Das Trio gab zwar an, nicht politisch aktiv zu sein, doch bei Hausdurchsuchungen wurden bei einem Täter linke Plakate und eine Schreckschusswaffe entdeckt.
Das Gericht war überzeugt, dass eine linke Gesinnung der drei, die der Punkszene nahe stehen und einräumten, mit der Politik der AfD nicht einverstanden zu sein, die Tat beflügelte. Laut Richterin Karin Fahlberg „darf nicht hoffähig werden, dass man politische Ansichten so ausdrückt wie hier geschehen. Dem muss man einen Riegel vorschieben.“ Das Gericht hat den beiden Haupttätern allerdings abgenommen, das sie das Ausmaß ihres Handelns nicht einschätzen konnten. Zudem hätten sie sich entschuldigt und ihre Tat bereut: „Zeigten viel Reue, aber kein Gesicht“ kommentierte die Morgenpost. Außerdem müssen sie jeweils 2.500 Euro an die Opferhilfe Chemnitz zahlen und den Schaden ersetzen. „Wir wollen ihre Tat nicht kleinreden. Sie war extrem gefährlich und es gab viele Schutzengel“, so die Richterin.
„lächerlich niedrig“
Schwerwiegendste Empörungsursache: Als am 26. Juni 2016 vor einer Dresdener Islamistenmoschee eine aus Polenböllern hergestellte Rohrbombe hochging, wurde der Täter nicht nur in Untersuchungshaft genommen, sondern im August 2018 vom Leipziger Landgericht zu neun Jahren und acht Monaten Haft wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, besonders schwerer Brandstiftung sowie versuchten Mordes verurteilt. Der 5. Leipziger Strafsenat des Bundesgerichtshofs bestätigte im Übrigen das Urteil. In der Urteilsbegründung hieß es unter anderem: „Mit dem Anschlag habe er den in Deutschland lebenden Muslimen zeigen wollen, dass diese ihres Lebens nicht mehr sicher seien.“ Der in der Moschee lebende Imam und seine Familie waren zwar nicht zu Hause, „in der Nähe lebende Menschen wurden jedoch traumatisiert“.
Im Gegensatz zum Dresdner Anschlag wurde im dicht bewohnten Döbelner Stadtzentrum offenbar niemand traumatisiert. Auch Leib und Leben von AfD-Mitarbeitern scheinen „offensichtlich nicht in dem Maße bedroht gewesen zu sein, wie es in Dresden mit der Familie des Imams der Fall war“, erregt sich Hentschel, dem selbst im Sommer 2016 im Stadtteil Mockau erst sein Auto und dann sein Motorroller abgefackelt wurden. Denn die nach wenigen Stunden festgenommenen und geständigen Täter wurden von der Polizei auf freien Fuß gesetzt, da die Staatsanwaltschaft für einen Haftbefehl keinen Grund sah.
Nun ist die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion aber ein Verbrechen und wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft (§308 Abs. 1 StGB). Die Täter wurden weiter wegen versuchter Brandstiftung, Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz verurteilt. Allein bei der Brandstiftung, ebenfalls ein Verbrechen, liegt der Strafrahmen bei einem bis zehn Jahre Freiheitsstrafe (§306 StGB). Insofern ist das Urteil „lächerlich niedrig ausgefallen“, befindet Maier. Dass statt am Landgericht am Amtsgericht verhandelt wurde, wo sonst Ladendiebe, notorische Schwarzfahrer und andere Kleinkriminelle verurteilt werden, zeigt für ihn, „dass diese Tat von Anfang an bagatellisiert wurde“.
Ein weiteres Indiz ist der Strafantrag des Staatsanwalts, der für das Extremistentrio nur Haftstrafen von knapp über zwei Jahren ohne Bewährung beantragt hatte. „Seit dem die sächsische Justiz in den Händen der Grünen Katja Meier liegt, scheint man dort komplett auf Kuschelkurs gegenüber linksextremen Tätern gegangen zu sein“, erkennt Hentschel. Ihn ärgert auch, dass es in der Öffentlichkeit kaum Informationen über das Bombertrio gab, von dem nur einer bei der Tat nüchtern war, während im Dresdner Fall schon kurz nach der Verhaftung die ganze Lebensgeschichte des Täters durch die Presse ging. „Der Rechtsstaat wird zur Farce“, bilanziert Sachsens Parlamentarischer Geschäftsführer Jan Zwerg MdL. Eine aktuelle Anfrage der AfD-Fraktion (7/1305) hatte ergeben, dass allein in den letzten zwei Jahren in Sachsen 70 Brand- und Sprengstoffanschläge von linken Gewalttätern verübt wurden. Von rechten Tätern gab es im gleichen Zeitraum drei derartige Delikte. „Hier wird ganz offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, je nach extremistischem Hintergrund.“
„Verzweiflungstaten“
Das Urteil ist politisch auch darum makaber, weil Tage zuvor ein „freischaffender Journalist, Kurator, Veranstalter, Dramaturg und Schriftsteller“ namens Stephan Zwerenz auf seinem persönlichen sowie dem sächsischen Medien-Blog Flurfunk ein Framing unter dem Titel „AfD im Kampf gegen unliebsame Kultureinrichtungen“ etablierte, das nur infam zu nennen ist. Denn das mittelsächsische Döbeln beherbergt auch das soziokulturelle Zentrum „Treibhaus“ e.V., das als mindestens links, wenn nicht gar linksextrem gelten muss, wie Aufkleber im hauseigenen „Café Courage“ nahelegen: „Das Material verstößt augenscheinlich selbst gegen die Richtlinie des Programms ‚Weltoffenes Sachsen‘, aus dem der Verein mit dem sinnigerweise FAIR benannten Projekt seine stümperhafte Schnüffelei und äußerst dürftige Propaganda gegen ominöse ‚rechte Netzwerke‘ finanziert“, erklärt AfD-Kreisrat Jörg Bretschneider. Prompt forderte die AfD-Kreistagsfraktion, dem Verein die staatlichen Zuschüsse zu streichen – vergebens, mit den Stimmen der CDU wurden die beantragten Fördermittel bewilligt.
Zwerenz versuchte nun nachzuweisen, dass „seit dem Einzug der AfD in die Stadt- und Landesparlamente [...] dieser Kampf gegen Kulturarbeit nun mit politischen Mitteln weitergeführt“ werde und die Kulturvereine „politisch zersetzt werden“ sollten. Mit dem Satz „Jetzt fürchten viele, dass ihre mühsam erkämpften Freiräume durch die Partei eingeschränkt werden“ leitet er dann die Klimax seines Textes ein: „Dementsprechend kommt es seit dem Einzug der AfD in den Landtag auch zu immer mehr Verzweiflungstaten von Einzelpersonen, zu Angriffen auf AfD-Büros und Privathäuser von AfD-Mitgliedern. Darunter ist auch ein Anschlag mit einer 1,1 kg schweren Kugelbombe aus Tschechien auf das Büro von Rolf Weigand.“
Verzweiflungstaten aufgrund vorgeblicher Einschränkungen mühsam erkämpfter Freiräume - wobei sich der „Kampf“ auf das gelungene Ausfüllen politisch erwünschter Fördermittelanträge beschränkt, die häufig nur den Wunsch nach Alimentierung persönlicher Hobbys oder gleich des eigenen Lebens verbrämen sollen? Das ist kein Witz. Erinnern wir uns: Als Jens Maier 2017, damals Richter am Landgericht Dresden, als AfD-Bundestagskandidat nach Angaben zweier Journalisten zur Mordserie des norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik gesagt haben soll, „Breivik ist aus Verzweiflung heraus zum Massenmörder geworden“, ging ein Aufschrei durch die Republik. Maier kommentierte danach: „Ich habe die Taten von Breivik weder entschuldigt, noch verharmlost“. Er habe für den Täter auch kein Verständnis, sondern lediglich nach einer „Erklärung“ für die furchtbaren Taten gesucht.
Das hat Zwerenz nun auch getan – ohne dass die Parallelität aufgefallen geschweige thematisiert worden wäre. Dabei ist mitzudenken, dass selbst Maiers Richter-Kollege, der Ex-Bundesrichter Thomas Fischer, „rechter Umtriebe“ höchst unverdächtig, im April 2017 in der Zeit unter der Schlagzeile „Hauptsache, Empathie!“ sich auch für die Entwicklung dieser Emotionskompetenz gegenüber dem Täter ausgesprochen und sie glasklar gegen den Vorwurf der Billigung der Tat abgegrenzt hat. Verständnis für den Täter und die Tat zu haben, sei Voraussetzung für den Richter-Job.
„nicht notwendig antidemokratisch“
Der Vorgang verweist auf die seit geraumer Zeit beobachtbare Tendenz in der deutschen Rechtsprechung und Politik, ein und dasselbe Erklärungsmuster gemäß den entgegen gesetzten politischen Spektren auch entgegen gesetzt zu interpretieren, womit der weiteren Spaltung des Landes weiter Vorschub geleistet wird. Erst jüngst ließ sich etwa der Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja in einer Kolumne über die Zusammenhänge von AfD-Erfolgen und Demokratie in der Berliner Zeitung zu diesen Sätzen hinreißen: „Denn Demokratie ist mehr als bloße Volksherrschaft. Erst ihr Erleben und ihr Leben füllt das komplexe theoretische Konstrukt mit einer freiheitlichen Grundordnung. Denn Demokratie kann rein technisch betrachtet auch ohne diese Kultur der Freiheit funktionieren. Das haben sich auf deutschem Boden einst die Nationalsozialisten und zuletzt die Bonzen der SED zunutze gemacht.“
Übersetzt: ein Wahlergebnis ist nur legitim, solange das Wahlvolk den unterstellten Zusammenhang von „Freiheit“ und Demokratie nicht verletzt. Dazu muss man wissen, dass schon für Carl Schmitt, den sogenannten „Kronjuristen des Dritten Reiches“, Bolschewismus und Faschismus zwar „wie jede Diktatur antiliberal, aber nicht notwendig antidemokratisch“ waren. Das lässt tief ins Demokratiebewusstsein gewählter Mandatsträger blicken. Schon in der antiken Demokratie fanden Wahlen und Ämtervergabe - unter Verzicht auf Frauen, Sklaven, Metoiken und Idiotes - nur innerhalb eines kleinen, elitären Bürgerzirkels statt, der als Minderheit politische Entscheidungen traf, die idealerweise zum Wohl des gesamten Gemeinwesens beitrugen. Heute fällen diese Minderheiten Entscheidungen, die eben nicht mehr zum Gemeinwohl, sondern eher ihrem eigenen beitragen, und begründen sie mit floskelhaften Begrifflichkeiten, ja Reizwörtern, die sich mit Eindrücken aus der jeweiligen Lebenswelt befüllen lassen, mit denen man auch ohne Kenntnis des wissenschaftlichen Bedeutungshintergrunds spontan etwas assoziieren kann. Ob die Assoziation im theoretischen Sinne exakt ist, ist nicht relevant – Hauptsache, es hat Trivialisierungs-, Gefühls-, ja Empörungspotential.
Das ist durchaus nicht Zufall, sondern hat Methode: Über die Bedeutung dieser Begrifflichkeiten sollen die Gemeinwohlträger nicht mehr diskutieren – was die gerade in Ostdeutschland nicht mehr hinzunehmen gewillt sind. Den bundesweit ausbleibenden Protest dagegen hat Thomas Rietzschel jüngst auf achgut als „Kapitulation des Bürgertums“ bezeichnet. Die Bürger seien seit 2005, dem Kanzlerstart Merkels, durch eine „Gehirnwäsche“ um den kritischen Verstand gebracht worden: „Sich selbst entfremdet, setzen sie blindes Vertrauen in das Vorgesagte.“ Er erkennt den Triumph der politischen Behauptung über die Wirklichkeit „ohne ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Vernunft und befeuert von halbgescheiten Phantasten. Von der Wissenschaft, auf die sie sich gern berufen, verstehen sie so viel wie der Hahn vom Eierlegen… Ihr Denken wird beherrscht von den wirren Ideen derer, die sich berufen fühlen, die Menschheit auf den rechten Weg zu führen.“ In solcher Situation sollte man mal wieder Götz Alys Befund zu „Hitlers Volksstaat“ ebenfalls 2005 in der Welt reflektieren: Nie habe es eine „größere Übereinstimmung zwischen Volk und Führung gegeben als in den zwölf Jahren der NS-Herrschaft.“ Das muss Demokraten – erst recht jenen, die sich selbst dazu erklären – zu denken geben.
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Über den Autor: Thomas Hartung, geb. 1962 in Erfurt; promovierte nach seinem Lehramtsstudium in Magdeburg 1992 zur deutschen Gegenwartsliteratur und war danach als Radio- und Fernseh-Journalist in Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie als freiberuflicher Dozent für Medienproduktion und Medienwissenschaft an vielen Hochschulen Deutschlands tätig; der bekennende „Erzliberalkonservative“ trat als Student in die LDPD ein und 1990 aus der FDP aus: von „misslungener Einheit“ nicht nur mit Blick auf die Parteienfusion spricht er bis heute; Hartung war im April 2013 Mitbegründer der AfD Sachsen und wurde zweimal zum Landesvize gewählt. Als Presse- und PR-Chef verantwortete er alle Publikate von der Pressemitteilung bis zum Fernsehspot und damit auch maßgeblich den Landtags- und vor
allem den Bundestagseinzug des Landesverbands als stärkste Kraft vor der CDU.
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