Im Namen der neuen Gottheit „Antirassismus“ werden vorgeblich „belastete“ Monumente geschliffen. Der politische Ikonoklasmus führt stattdessen zu neuen Lenin-Statuen.
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2001 sprengten die Taliban in Afghanistan die riesigen Buddha-Statuen von Bamiyan aus dem 6. Jahrhundert. 14 Jahre später tat es die IS-Miliz im syrischen Palmyra gleich und jagte die Ruinen des antiken Baal-Tempels in die Luft. Beide versuchten „Tabula rasa mit der ‚heidnischen‘ Vergangenheit zu machen“, meint Roger Letsch und erkennt eine „ideologische Gemeinsamkeit dieser Ereignisse: In beiden Fällen glaubten die Abrissbevollmächtigen, rechtmäßig zu handeln.“ Der Westen, dessen Aufschrei beide Male groß und einhellig war - Kunstwerke zerstören geht gar nicht! -, sieht sich nun selbst mit Abrissbevollmächtigten konfrontiert, die ihrerseits Statuen im Dienst der neuen Gottheit „Antirassismus“ vernichten.
Die Anbetung derselben erfolgt seit dem Verhaftungstod des schwarzen US-Kleinkriminellen George Floyd in Minnesota durch einen weißen Polizisten hunderttausendfach nicht nur in zahlreichen Städten in den Vereinigten Staaten, sondern auch in London, Brüssel und sogar im auf Diversität, Toleranz und Selbstverleugnung gebürsteten Deutschland. In London werden Statuen beschmiert und umgeworfen; die Liste der „rassistischen Ehrenmale“, die gefälligst entfernt gehören, ist allein in Großbritannien 60 Einträge lang. Winston Churchill, Oliver Cromwell und König Charles II., Christoph Columbus, Francis Drake und Horatio Nelson stehen darauf. AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland spricht von einem „ideologisch gefährlich verengten Geschichtsbild. Gerade Churchill, der mit seiner Entschlossenheit maßgeblich dazu beigetragen hat, das nationalsozialistische Terrorregime niederzuringen, nun angebliche rassistische Aussagen vorzuwerfen, ist absurd und geschichtsvergessen.“
In den USA fordert die 80jährige Vorsitzende des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, dass man aus dem Kongress 11 von diversen Bundesstaaten gestifteten Standbilder bekannter Konföderierter entferne, darunter auch das ihres demokratischen (!) Parteigenossen Jefferson Davis, dem einzigen und glücklosen Präsidenten der Konföderation, welche den Amerikanischen Bürgerkrieg 1861–1865 gegen die Union verlor. In einem Schreiben an einen parteiübergreifenden Ausschuss des Kongresses forderte sie, dass diese Abbilder von Männern, die für „Grausamkeit und Barbarei“ eingetreten seien, entfernt werden müssten. Mit ihnen werde „dem Hass gehuldigt“, so Pelosi. Im US-Staat Virginia wurde prompt eine Statue von Davis auf der berühmten Monument Avenue in der Hauptstadt Richmond umgestürzt. „Kommst du in der Gegenwart politisch nicht weiter, verleugne, verdamme und bekämpfe öffentlichkeitswirksam deine eigene Vergangenheit“, kommentiert Peter Bartels süffisant.
Auch Davis‘ Vize, Alexander Stephens, wurde in Stein gemeißelt. Ebenso wie Robert E. Lee, General der konföderierten Armee, der die Truppen unter anderem in die berühmte Schlacht von Gettysburg führte. Das Denkmal des Generals fiel bereits - nicht in Washington, dafür aber in New Orleans. Die Weisung, die Statue abzubauen, gab der Bürgermeister der früheren Südstaaten-Metropole, Mitch Landrieu. Und auch in Richmond im US-Bundesstaat Virginia soll das Abbild des Generals auf Anordnung des Gouverneurs Ralph Northam verschwinden. Hier stellte ein Gericht die Statue jedoch noch für zehn Tage unter Schutz. Der US-Bundesstaat North Carolina bereitet gar ein Gesetz vor, dass alle Denkmäler verbieten soll, die ein positives Licht auf Sklaverei und damit auf Rassismus werfen könnten.
zwischen Zustimmung und scharfer Kritik
Die Teilnehmer der Proteste sähen in den Statuen einen Puffer für ihre Wut, so der Tenor der deutschen Mainstreammedien. „Dieselben Aktivisten, die nun für Körperverletzung, Raub und Plünderungen Straffreiheit fordern, schwingen sich gleichzeitig zu Scharfrichtern der Geschichte auf. Man fordert also ‚Gerechtigkeit# von der Geschichte und entzieht sich dieser in der Gegenwart“, ärgert sich Letsch. So wurde selbst eine Statue von Christopher Kolumbus in einem Park von Boston geköpft. Im Anschluss an den Vorfall kündigte Bostons Bürgermeister Marty Walsh an, auch den Rest des Denkmals von Amerikas Entdecker abbauen zu wollen. Kritiker und Historiker sehen zwischen Christopher Kolumbus und dem transatlantischen Sklavenhandel einen direkten Zusammenhang. Außerdem wird sein gewalttätiges Vorgehen gegen amerikanische Ureinwohner kritisiert. Seit Floyds Tod ordneten Beamte im Süden der Vereinigten Staaten – wo Afroamerikaner noch bis zum Ende des Bürgerkriegs 1861–1865 versklavt wurden – nun die Entfernung von Denkmälern zu Ehren der Konföderation an, die die Sklaverei verteidigte.
US-Präsident Donald Trump wies derweil Forderungen nach Umbenennungen von US-Militärbasen zurück. Dabei geht es um Basen, die nach militärischen Führern von konföderierten Generälen während des Sezessionskrieges benannt sind. „Diese monumentalen und mächtigen Stützpunkte sind Teil eines großartigen amerikanischen Erbes geworden und einer Geschichte des Sieges und der Freiheit. Deswegen wird meine Regierung nicht einmal über die Umbenennungen dieser herrlichen militärischen Einrichtungen nachdenken“, twitterte er. Zehn Stützpunkte der US-Armee sind nach Generälen der Südstaaten benannt. Der pensionierte General David Petraeus hatte gefordert, die Basen umzubenennen, da die Namensgeber heutzutage nicht mehr als „Quelle der Inspiration“ dienten. Und Trumps Ärger gipfelte in einem Tweet aus Großbuchstaben: „Wer seine Geschichte verleugnet, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen!“
Außerhalb der USA haben die Behörden in Antwerpen bereits auf die Anti-Rassismus-Proteste reagiert, bei denen auch in Belgien Tausende Menschen auf die Straße gingen. Sie ließen die Statue des früheren Königs Leopold II. entfernen. Er hatte Belgien von 1865 bis 1909 regiert und im Kongo ein Kolonialregime errichtet, das von Historikern als eines der gewalttätigsten der Geschichte angesehen wird. In Brüssel wurden Statuen des früheren Monarchen mit Farbe besprüht. Aktivisten fordern per Petition, auch dieses Denkmal zu entfernen. Im britischen Bristol warfen Demonstranten die Statue eines Sklavenhändlers ins Hafenbecken. Die Statue von Edward Colston war zu Fall gebracht und dann zum Hafen gezogen worden. Die politischen Reaktionen schwankten zwischen Zustimmung und scharfer Kritik. Selbst die neuseeländische Stadt Hamilton hat die Statue ihres Namensgebers aus der Kolonialzeit entfernt. Ein Kran hob die Bronzeskulptur des britischen Militärkommandanten John Fane Charles Hamilton am Freitag vom Stadtplatz, nachdem Maori-Vertreter darum gebeten hatten.
Die Behörden der südenglischen Hafenstadt Poole nahe Bornemouth wollen vorsichtshalber eine Statue des Pfadfinder-Gründers Robert Baden-Powell (1857 bis 1941) entfernen, um zu verhindern, dass sie ebenfalls im Wasser landet. Baden-Powell ist umstritten: Kritiker werfen ihm Rassismus, Homophobie sowie Verbindungen zu den Nazis vor, während seine Anhänger die Errungenschaften der weltweiten, 54 Millionen Mitglieder zählenden Pfadfinderbewegung hervorheben. In Poole versammelten sich rund 20 Demonstranten, um ihre Unterstützung für Robert Baden-Powell auszudrücken. Die Universität von Liverpool will ein nach dem ehemaligen Premierminister William Gladstone benanntes Gebäude wegen dessen Verbindungen zum Sklavenhandel umbenennen. Und in der schottischen Stadt Edinburgh soll eine Tafel an einem Denkmal des Politikers Henry Dundas dessen Verbindungen zum Sklavenhandel erläutern.
„Versuche, ein von allen störenden Aspekten bereinigtes Geschichtsbild durchzusetzen, kannte man bislang nur aus totalitären Systemen“, meint Gauland. Das heiße nicht, dass die Personen, an die mit einem Denkmal erinnert wird, nicht kritisiert werden dürfen, aber: „Der aktuelle Bildersturm zeigt wieder einmal, dass die Menschen immer tapferer werden, je länger die von ihnen kritisierten geschichtlichen Ereignisse entfernt oder die handelnden Personen tot sind. In Deutschland kennen wir das vom nachgeholten Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der immer fanatischer wird, je weiter das Ende des Naziregimes zurückliegt.“ „Die Last der großen Geister zu entsorgen“, nennt das Norbert Bolz in der Welt: „Hegel hat den Krieg gelobt, Nietzsche die Notwendigkeit der Sklaverei proklamiert, der hypersensible Walter Benjamin hat das Wort ‚Zigeuner‘ benutzt. Die politische Korrektheit greift auf das Denken über und tief in die Geschichte zurück. Was hier geschieht, könnte man Tribunalisierung der Vergangenheit nennen.“
„Abkömmling eines Gorillas“
„Wenn Systeme im Umbruch sind“, sagt Winfried Speitkamp, Historiker und Präsident der Universität Weimar der Zeit, „dann gibt es immer das Bedürfnis, den Bann der alten Denkmäler einzuhegen.“ 1967 stürzten Hamburger Studenten bspw. die Statue des Kolonialgouverneurs Hermann von Wissmann. Und aus der Hansestadt kommt einer der absurdesten Vorschläge, die deutschen Proteste in genehme ideologische Bahnen zu lenken. Als Historiker sei er nicht dafür, dass man Denkmäler abräumt: Man solle sie in „Gegendenkmäler“ verwandeln, sagt der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer, der bereits die Umbenennung des Robert-Koch-Instituts gefordert hatte, dem Express.
Für Kölns Bismarckturm - der Reichskanzler hatte zu seinem 60. Geburtstag 1875 die Kölner Ehrenbürgerwürde erhalten - schlägt der Wissenschaftler vor: „Man könnte ihn etwa durch Stacheldraht brechen, die auf die Konzentrationslager im Genozid an den Herero und Nama verweisen. Es handelt sich dabei schließlich um das Ende einer Entwicklung, die mit Bismarcks Entscheidung, Südwestafrika zu deutschen Schutzgebiet zu erklären, begann.“ Auch auf DLF Nova vertrat er diese Ansicht, „dass wir uns heute von den Ideen und Taten dieser Kolonialherren distanzieren, etwa indem wir Statuen dekonstruieren, auf den Kopf stellen oder deutlich kennzeichnen.“ Ähnliches fordern Aktivistenkollektive wie Hamburg Postkolonial, die Monumente umgestalten, hinlegen, auf den Kopf stellen, „Gegendenkmäler“ dazustellen oder einen „Postkolonialen Park“ einrichten wollen – natürlich unter Einbeziehung der „Kolonisierten“.
Gesellschaften, die nicht mehr willens oder in der Lage sind, sich mit überkommenen Zeugnissen der Vergangenheit auseinanderzusetzen, sondern stattdessen jede Erinnerung an die in ihren Augen unliebsamen Aspekte der Geschichte radikal entsorgen wollen, begeben sich auf einen gefährlichen Weg und berauben sich der Möglichkeit, aus der Geschichte Lehren zu ziehen“, warnt Gauland dagegen. „Das kann – nicht nur in Deutschland – niemand wollen.“ Allerdings scheint gewollt zu sein, gute, richtige, eben „antirassistische“ Figuren einerseits trotz aller schwierigen Charakterzüge nicht zu dekonstruieren und andererseits bewusst ins kulturelle Gedächtnis zu pflanzen.
Eine gute Figur etwa ist der linksproletarische Vordenker Karl Marx, dem nirgendwo ein steinernes Haar gekrümmt wird – obwohl er als Rassist gelten muss. Nachdem Lasalle ihn 1862 in London besucht hatte, beschimpft ihn Marx als „jüdischen Nigger Lasalle“ und schreibt: „Es ist mir jetzt völlig klar, dass er, wie auch seiner Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, von Negern abstammt, die sich dem Zug des Moses aus Ägypten anschlossen. Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt hervorbringen. Die Zudringlichkeit des Burschen ist auch niggerhaft.“ Selbst seinen eigenen Schwiegersohn Paul Lafarge, dessen Mutter eine kubanische Kreolin war, erniedrigte er in einem Brief an seine Tochter Jenny als „Negrillo“ und „Abkömmling eines Gorillas“.
Und eine richtige Figur ist selbstredend Russlands Revolutionsführer Lenin, von dem tatsächlich eine Statue Mitte Juni in Gelsenkirchen aufgestellt werden durfte. Für Peter Weispfenning, Pressesprecher der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands MLPD, passt er einfach in die heutige Zeit: „Als Gegner jedes Rassismus, als Revolutionär in Krisenzeiten, als visionärer Theoretiker und höchst praktischer Arbeiterführer.“ Die Vertreter von SPD, CDU und Grünen sollten sich schämen, dass sie im Bezirk West bereits gemeinsam mit der AfD extra eine Resolution gegen die Statue verabschiedeten, so der linke Anwalt, der sich freut, dass sich die Stadt zweimal von Gerichten belehren lassen musste, dass man die Aufstellung einer historischen Statue nicht mit vorgeschobenen „Denkmalschutzargumenten“ verbieten kann.
„Die Taliban sind mitten unter uns“
Parallel dazu verbarrikadierte London die rund 60 Denkmäler und Statuen der Liste der britischen „Black Lives Matter“-Bewegung, die diese wegen „Glorifizierung von Sklaverei“ entfernt haben will. Das darf man durchaus als Kapitulation vor der Kulturrevolution nach chinesischem Vorbild verstehen, die seit Jahren im Gange ist. „Die Zerschlagung der vier Alten“ läuft nun auch in Europa, gemeint sind alte Denkweisen, alte Kulturen, alte Gewohnheiten und alte Sitten. „Die totalitären Bilderstürmer anarchistischer Umsturzbewegungen wandeln längst auf den Spuren der Islamisten. Allein, dass ihre Ideologie bislang nicht als Religion anerkannt ist, unterscheidet sie von diesen“, befand der liberale Publizist Ramin Peymani.
Doch es regte sich Widerstand. Ein Zusammenschluss mehrerer englischer Hooligangruppen, die Democratic Football Lads Alliance (DFLA), hatte dazu aufgerufen, die Kriegsdenkmäler im Londoner Regierungsviertel zu schützen. Das Treffen sei jedoch nicht als Demonstration oder als Gegenprotest zu Black Lives Matter zu verstehen. Es gehe lediglich darum, „Denkmäler und Gedenkstätten zu schützen“ und „das zu verteidigen, was unsere Kriegshelden für dieses Land und ihre Ehre getan haben“. Der Labour-Abgeordnete Unmesh Desai, Sprecher der Partei für Polizei und Kriminalität, hat unterdessen alle in London ansässigen Profifußballklubs angeschrieben und sie gebeten, den geplanten Protest zu verurteilen. „Ich fordere Ihren Club dringend auf, seinen weit verbreiteten Einfluss zu nutzen und die Pläne der DFLA und anderer rechtsextremer Gruppen, die BLM-Proteste zu stören und zu sabotieren, öffentlich anzuprangern“, heißt es in dem Brief. Umsonst: natürlich kam es zu Unruhen und rund 100 Verhaftungen.
Und auch parallel dazu haben mehrere Streamingdienste ihr Programm politisch korrekt angepasst. Einige Filme sind verschwunden, darunter auch der Klassiker „Vom Winde verweht“ mit Vivien Leigh und Clark Gable aus dem Jahr 1939. Die Schauspielerin Hattie McDaniel hatte für ihre Rolle des Kindermädchens als erste afro-amerikanische Frau einen Oscar gewonnen. Das Südstaatendrama pflege einen „problematischen“ Umgang mit Sklaverei und „rassistischen Vorurteilen“, teilte der amerikanische Video-Anbieter HBO Max mit. John Ridley, Drehbuchautor des Dramas „12 Years a Slave“ hatte zuvor gefordert, den Film dauerhaft zu entfernen, weil er den „Horror der Sklaverei romantisiere“. Nach der Entfernung durch HBO Max bekam der Klassiker aber plötzlich so viel Zulauf, dass er nun zu den meistverkauftesten Filmen auf Amazon gehört. Nebenbei: er gilt immer noch als meistgesehener Film in den USA.
Auch BBC und Netflix haben ihr Programm „korrigiert“. Sie bieten die Sketch-Serie „Little Britain“ vorerst nicht mehr an, weil dort „Blackfacing“ (Schwarzschminken weißer Schauspieler, um Dunkelhäutige darzustellen) zu sehen war. Die Reality-Doku „Cops“ des Senders Fox, in der Polizisten bei der Patrouille begleitet werden, musste ebenfalls dran glauben, weil die Serie unverhältnismäßig viele Kriminelle mit dunkler Hautfarbe zeige und somit Vorurteile gegen Schwarze befeuere. Der britische Video-Dienst UKTV entfernte eine einzelne Folge der Serien-Komödie „Fawlty Towers“ mit John Cleese. Der Schauspieler zeigte sich verärgert: Wer nicht sehe, dass Rassismus dort kritisiert und nicht befürwortet werde, sei schlicht „dumm“, sagte Cleese laut der Süddeutschen Zeitung. Doch die Streamingdienste entfernen nicht nur Titel, sie fügen auch neue, politisch korrekte hinzu. Netflix präsentierte eine Liste an Filmen mit dunkelhäutigen Darstellern, die aktuell auf dem Video-Portal verfügbar seien, um „Schwarze zu zelebrieren“.
Wir halten fest: Einerseits werden vorgeblich „rassistische“ Personen aus Geschichte, Denkmal- und Medienkultur getilgt – inzwischen geht es selbst der schwarzen Reismarke „Uncle Bens“, ja gar der nach Zuschauern erfolgreichsten deutschen Kinoproduktion „Otto – der Film“ an den Kragen. Jacek Slaski kommentiert im Tip-Magazin „Das N-Wort fällt und es gibt eine ganze Szene, in der Otto gemeinsam mit einem dunkelhäutigen US-Soldaten (gespielt von Günther Kaufmann) einen Trickbetrug durchzieht und den afroamerikanischen GI, den er auch noch ‚Herrn Bimbo‘ nennt, einer älteren Dame als Sklaven verkauft. Man könnte jetzt sagen, diese Kritik sei kleinlich, doch unter dem Eindruck der anschwellenden Rassismus-Debatten nach George Floyds gewaltsamen Tod, nach dem Streit um den ‚N-König‘ in Astrid Lindgrens ‚Pippi Langstrumpf‘ und der Tatsache, dass Netflix jetzt Filme wie ‚Vom Winde verweht‘ aus dem Sortiment nimmt, weil diese Rassenklischees transportieren, sollte man vielleicht doch auch über Otto nachdenken.“
Andererseits bleiben im Namen von Ideologie ähnliche Personen unangetastet oder werden gar als linke Ikonen neu gefeiert. „Urteile nicht leichtfertig über die Geschichte, wenn deine noch nicht geschrieben ist. Und lass die Finger von Dingen, die aus der Vergangenheit zur Gegenwart sprechen. Höre ihnen lieber zu“, lautet das Credo von Roger Letsch. „Der Opferstatus macht mit seinem Pathos der Empörung jede Argumentation überflüssig“, befindet Bolz. „Als wäre die Vergangenheit noch unabgeschlossen, wird Geschichte umgeschrieben. Kinderbücher werden gereinigt oder zensiert; eine gendergerechte Bibel befreit Gott von dem Makel, ein Vater zu sein; Straßen werden umbenannt, Feiertage korrigiert und Statuen gestürzt. Die Taliban sind mitten unter uns.“
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Über den Autor:
Thomas Hartung, geb. 1962 in Erfurt; promovierte nach seinem Lehramtsstudium in Magdeburg 1992 zur deutschen Gegenwartsliteratur und war danach als Radio- und Fernseh-Journalist in Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie als freiberuflicher Dozent für Medienproduktion und Medienwissenschaft an vielen Hochschulen Deutschlands tätig; der bekennende „Erzliberalkonservative“ trat als Student in die LDPD ein und 1990 aus der FDP aus: von „misslungener Einheit“ nicht nur mit Blick auf die Parteienfusion spricht er bis heute; Hartung war im April 2013 Mitbegründer der AfD Sachsen und wurde zweimal zum Landesvize gewählt. Seit März 2020 ist er Pressesprecher der AfD-Fraktion Baden-Württemberg.
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