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(Teil 3) WARUM SCHREIBEN SO WENIGE FRAUEN FÜR TUMULT? SIEBEN ANTWORTEN

Dresden, den 24. Oktober 2023


Liebe Frau …,


warum eigentlich schreiben in TUMULT so wenige Frauen? Wie erklären Sie sich das?


Ein alter Freund (der allerdings TUMULT ohnehin mit Argwohn betrachtet) fragte vor Kurzem in einer polemischen E-Mail: „Warum ist im TUMULT vom Frühjahr 2023 neben 20 männlichen Beiträgern nur eine weibliche Stimme zu hören? Und warum sieht es in der Herbst-Ausgabe mit 19:1 nicht besser aus? Das zeigt doch, dass bei der Gleichbehandlung von Frauen noch einiges zu tun ist, woke hin, woke her." Er irrt allerdings, wenn er meint, die Redaktion bevorzuge bei der Texte-Auswahl männliche Autoren. Denn die traurige Wahrheit ist: Angebote weiblicher Autoren treffen bei uns nur selten ein.


Die Frage, die ich eingangs stellte, ist keine rhetorische Frage. Ich selbst habe keine schlüssige Antwort parat.


Marta Stankevica, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons


Liebe Frau ...,


Sie sind nolens volens eine Sachverständige, und als solche spreche ich Sie an. Was denken Sie – warum halten sich schreibende Frauen gegenüber unserer Vierteljahresschrift und vergleichbaren Zeitschriften zurück? Ich bitte Sie um eine schonungslose Antwort. Schon wenige Sätze würden mir genügen.


Wir wollen die Antworten der um Auskunft gebetenen Autorinnen zusammenstellen und im TUMULT-Blog dokumentieren.


Mit herzlichem Dank und Gruß

Ihr

Frank Böckelmann



KAREN M. JAHNS (München)

Vermutlich fühlen sich die meisten schreibenden Frauen in der Zeitschrift mit dem provokanten Untertitel Vierteljahresschrift für Kon­sensstörung nicht vertreten. Denn viele von ihnen profitieren von der Migrationskrise: Die hier gebotenen Beschäfti­gun­gen befriedigen die weib­liche Nei­gung zur Er­ziehung anderer. Auch die Klima- und die Genderpolitik er­nähren etli­che schreibende Frauen. Sie schreiben jetzt Erziehungsfibeln zur Belehrung des autochthonen Bürgers, auf dass er sich ih­rem Leitbild »DEI« – Di­ver­­sität, Ega­lität, In­klu­sion – unterwerfe. Das ist Konsens, alter­nativlos!


Geschmeidige Expertinnen mit der richtigen Haltung, gießen sie und die Heer­scharen ihrer wissenschaft­lichen Zuarbeiterinnen und PR-Damen den 2015er-Staats­streich in Gesetze, Sprechver­bote und Verhaltensregeln. Oh welche Macht verleiht ihnen das! Das Sein, das Werden und Ver­gehen zu be­­­­trachten, ist nicht ihr Ding. An den Erhalt des eige­nen Volkes auch nur zu denken, liegt außer­halb ihres Hori­zonts. Denn diese Frauen denken pro­gres­­siv und ge­nie­ßen sich gesinnungs­ethisch selbst mit jeder Faser ihres Leibes: »Selbstauf­gabe [...] noch lange nicht er­reicht«.*


Stipendiengefördert, in Exzellenz-Clustern auf Linie gebracht, äußern sich staatlich geprüfte Fach­frauen in den Pe­ri­odika ihrer Kreise und leben auskömmlich vom herrschenden Konsens. Sie sind stets da, wo sie die Mehr­­heit wähnen, und halten sich dennoch für kritisch oder gar wider­stän­­dig. Die TUMULT‘sche Kon­sensstörung aber könnte sie ja etwas kosten!


* »›Mehr legale Zugangswege nach Europa‹ EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus über Grenzen in der Migration – und die Aktionen der Letzten Generation«, in: FAZ,30.10.2023, S. 5




CORA STEPHAN (Vogelsberg)


Hm. Schwierige Frage. Vielleicht liegt es daran, dass einige Beiträge zu schwergewichtig oder zu akademisch daherkommen? Also ein Niveau haben, das Frauen sich entweder nicht zutrauen oder das nicht ihr Stil ist? Ich komme ja aus der vortrefflichen Schule von Karl Markus Michel, der hat mir das Akademische ganz schnell ausgetrieben. (Heute ist das von mir einst geliebte Kursbuch von linkssoziologischen Schwurblern besetzt.)


Essays sollten, kurz gesagt, eine gewisse Leichtigkeit haben.


Hauptsache, Sie führen keine Frauenquote ein!!!




SONJA MARGOLINA (Berlin)


Ich bin keine Soziologin. Deswegen kann ich meine Schlüsse lediglich aus den jahrelangen Beobachtungen und Analysen jenes Segments der Gesellschaft ziehen, in dem ich verkehre. Altersmäßig sind das überwiegend Akademiker im Alter zwischen 50 und 80. In den letzten Jahren konnte ich beobachten, dass viele Veranstaltungen – von Lesungen im Literaturhaus, bei Konzerten, Theaterinszenierungen und Büchervorstellungen bis zu Ausstellungen in den Museen – mehrheitlich von Menschen dieser Altersgruppe besucht werden, unter ihnen mehrheitlich Frauen, unter diesen wiederum viele alleinstehende Frauen.


Manchmal macht mich die Abwesenheit der jungen Generation ziemlich deprimiert. „Wie würde dieser Subventionsbetrieb wohl in zehn Jahren aussehen?“, denke ich mir immer wieder. „Denn diejenigen, die heute jünger sind, werden im höheren Alter nicht in unsere Fußstapfen treten. Sie sind bereits von Zooms, Podcasts, virtuellen Angeboten komplett absorbiert. Wieso sollten sie ihren Abend bei einer Lesung verbringen oder teurere Karten kaufen, um klassische Musik zu hören, wenn das alles gratis im Internet zu haben ist?“ Vermutlich kennen viele solche Gedankenläufe. Das Gefühl der sich beschleunigenden Zeit, der Zeitenwende, eines Niedergangs althergebrachter intellektueller Aktivitäten mag mit dem Alter verschärft aufkommen. Man weiß, dass etwa die FAZ, immer noch eine hervorragende Zeitung, überwiegend von Menschen über 60 gelesen wird und ihre Printausgabe – wie bei vielen überregionalen Zeitungen – seit Jahren zu schrumpfen scheint. Dass ÖR-Fernsehkanäle, mit Ausnahme von Fußballspielen, auch zumeist von älteren Menschen in Anspruch genommen werden, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Junge Menschen sitzen indes bei Twitter, TikTok oder Instagram, oft in ihren Filterblasen und brauchen keine Zeitungen, um sich zu informieren.


Umso problematischer sind Zeitschriften als Ansammlung von Gesellschaftsanalysen, die in einem Rhythmus erscheinen, der eine Entschleunigung voraussetzt und deswegen auf zeitübergreifende Themen setzt. Doch nun möchte ich die konkrete Frage nach dem Übergewicht der männlichen Autoren bei TUMULT beantworten.


Es ist kein Geheimnis, dass TUMULT eine konservative Zeitschrift ist. Von Links betrachtet, wird sie vermutlich sogar als rechts-konservativ in der Nähe der AfD wahrgenommen. Ihre Autoren nehmen in der Regel am konservativen Diskurs teil, sind im Rentenalter oder bewegen sich auf den Ruhestand zu und sind meistens „alte weiße Männer“.


In der Atmosphäre der Cancel Culture lassen junge Menschen die Finger davon, weil sie um ihre Karriere fürchten müssen oder Angst haben, ihre Projekte nicht finanzieren zu können. Diese Situation ist etwa bei den Klimaskeptikern typisch. Es gibt kaum Kritiker der Energiewende oder Klimawandel-Psychose, die nicht schon in Rente und deswegen unabhängig sind. Kein Wunder, dass die Klimakritiker von Konformisten in den Wissenschaften und Medien als „alte weiße Männer“ oder sogar als „Nazis“ beschimpft werden. Es ist traurig, dass in der demokratischen Gesellschaft nur Alte ihre geistige Unabhängigkeit zum Ausdruck bringen dürfen, während die Jüngeren aufpassen müssen, dass sie ihre Karriere nicht in Gefahr bringen.


Allerdings sind just in dieser Altersgruppe viel weniger Frauen als Männer aktiv. Obwohl in der Babyboomer-Generation mehr Frauen studieren durften und sich in der Folgezeit immer mehr Frauen intellektuell betätigen durften, waren sie immer noch relativ in der Minderheit. Deswegen scheint es auch schwieriger, einen weiblichen Autor für Zeitschriften wie TUMULT zu finden. Ich könnte mich natürlich irren, aber ich sehe keine anderen Motive für das Fehlen weiblicher Autoren als ihre Unterrepräsentation in der Alterskohorte, zu der männliche Autoren zumeist gehören. Das ist keine Wertung, sondern ein Versuch, die Frage „soziologisch“ zu beantworten.


Bedauerlich ist meiner Meinung nach weniger ein Mangel an weiblichen Autoren als vielmehr die gesellschaftlich geförderte Feigheit.



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