Ralf Rosmiarek: BEIM BEUGEN EINES UNBEUGSAMEN
- vor 4 Tagen
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Vormärz. Raues Klima, eisiger Wind. Flüsterstimmung. Eine schaurige und bedrohliche Atmosphäre in Deutschland, vor allem aber langanhaltend. Denunziantentum und Spitzelwesen erlebten eine Phase der Hochkonjunktur, die öffentliche Debatte lag brach und schwächte die Kräfte des nationalen und liberalen Strebens. Die Idee der Volkssouveränität – gefordert in der Französischen Revolution – galt dem Fürsten Clemens Wenzel Lothar von Metternich als fatal. Die Universität, die Freie Presse waren in seinen Augen der Nährboden „demagogischer Umtriebe“. Und siehe, schon wurde der Schriftsteller August von Kotzebue, von seinen Verächtern, die „Fratze der Reaktion“ und „eine in Weimar ausgehaltene deutsche Schmeißfliege von alles befleckender und beschmutzender Beweglichkeit“ genannt, ermordet. Anlaß genug für ein Sofortprogramm. Das monarchische wie staatenbündische Prinzip, somit die innere Sicherheit in den Ländern des Deutschen Bundes, schienen nicht nur dem Österreicher Metternich gefährdet. Vom 6. bis zum 31. August 1819 tagten Vertreter des Deutschen Bundes in Karlsbad. Schwer zu schaffen machten die am 20. September angenommenen Karlsbader Beschlüsse dann bald den Universitäten. Zu entlassen waren alle Lehrkräfte, die „der öffentlichen Ordnung feindselige oder die Grundlagen der bestehenden Staatseinrichtungen untergrabende Lehren“ verbreiteten. Zugleich wurden die Burschenschaften verboten. Jede Universität erhielt einen Überwachungskommissar, der Universitätswechsel setzte dessen Zustimmung voraus. Das Zeugnis des Wohlverhaltens war zu erbringen. Des Weiteren unterwarf ein Pressegesetz alle schriftlichen Veröffentlichungen (Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren etc.) einer Vorzensur, alle Bücher einer Nachzensur. Auf das Verbot eines Einzelheftes oder einer Einzelnummer konnte das Verbot des gesamten Presseorganes folgen. Schließlich wurde in Mainz eine zentrale Kommission zur Untersuchung „revolutionärer Umtriebe“ eingesetzt. So schuf man „eine Art erster Bundesexekutive mit der Funktion von Verfassungsschutz und Geheimpolizei“ (Thomas Nipperdey).

„Alles ist mißtrauisch, unzufrieden, voll banger Sorge um die Zukunft, keiner traut dem anderen, denn er weiß nicht, ob ihn da nicht ein Polizeispitzel umlauert …“, notiert 1824 Erzherzog Johann von Österreich. Indes scheint, der Vormärz will nicht vergehen. Er dauert fort bis in unsere Tage und wird gekräftigt mit solch Ungetümen wie dem „Demokratiefördergesetz“ oder gar einem „Hinweisgeberschutzgesetz“, das wohl doch trefflicher „Denunziantenförderschutzgesetz“ hieße. Das Gesetz verpflichtet Einrichtungen und Betriebe, Meldestellen für mutmaßliche Straftaten einzurichten. Der „Hinweisgeber“ bleibt anonym, gemachte Falschmeldungen werden nicht bestraft. Das Vormärz-Klima bleibt ungesund.
Mit Zuversicht die Zukunft gestalten
Nun aber: Aufatmen. Allerorten wird „Buntheit“ und „Vielfalt“ gepriesen. Prozessionen ziehen durchs Land. Mit ihnen wandeln die aufgezogenen Sprech- und Tanzpuppen aus dem Öko- und Willkommenskindergarten, der Globalfinanz, den Freunden von kommunistischem Manifest und Great Reset. Nur mit dem eigentlichen Karneval will’s auch in den vormaligen Hochburgen nicht mehr so recht klappen, da bunkert man sich besser ein. Keinesfalls will man im eigenen Blute waten. Doch: Unaufhaltsam kommt er, der März, „März, wie es eh´dem war“. Viel Grünes hat er im Gepäck, Heimsucher auch und manches Anheimelnde gegen die Winterdepression. Eine spritzige Autofahrt etwa oder das Messer, nach Belieben und jeweiliger Gärtnerkunst auch die Machete. Nicht nur im Garten läßt so sich „Mit Zuversicht die Zukunft gestalten“, das weiß man nun mit schmerzhafter Gewißheit in Magdeburg, Berlin, Aschaffenburg und andernorts. Befreiungsschläge. Der als Gesundheitsminister bezeichnete Karl Lauterbach tröstete länger schon das deutsche Pflegepersonal, der schnelle Griff zum Messer sei lediglich eine Abreaktion. Es sprießt eben etwas ungezügelt die Physis – „´s ist wieder März geworden“ – in den einwandernden jungen Männern aus Syrien, Afghanistan und den aus weiteren Ländern aufgenommenen. Eine Million von ihnen sollen psychisch krank sein: „Mit Blumen, mit verdorrten erscheint das junge Jahr.“ Deutschland, als postnationales Siedlungsgebiet, wandelt sich zur „Heilanstalt für Geisteskranke“. Für den Mord gibt es den Krankenschein. Ein ungeheuerlicher Vorgang der Verharmlosung angesichts der Blutspur vollzieht sich vor aller Augen: Der tatsächlich Kranke nun mit Mördern gleichsetzt. Beruhigungspillen werden zuhauf verordnet. „Mit Blumen, mit verdorrten? / O nein, doch das ist Scherz – / gar edle Blumensorten bringt blühend uns der März“. Die Sedierung wirkt und hält an. Politiker und Medien dann unisono: „Unsere Gedanken sind bei …“, „Wir müssen zusammenstehen“, „Die ganze Härte des Rechtsstaates“, „Wir sind erschüttert“ … Was sind auch schon die 990 Messerdelikte jährlich allein in der bunten Stadt Hamburg?
So raunt es sattsam und wiederkäuend von Plakatwänden, es kämen nun endlich „die richtigen Antworten zur richtigen Zeit“. Die Antworten finden sich sogleich im Kampf Gegen Rechts! Mehr bedarf es nicht. Das endlose Mantra ist vor, mit und während der Pilleneinnahme zu sprechen oder wenigstens zu „denken“. Verschrieben werden noch „Demos gegen Rechts“, sie sind tagtäglich zu absolvieren. Die Geldmittel dafür sind eingestellt. „Nie wieder ist jetzt“, „AfD-Wählen ist 1933“, „AfDler töten“ und weitere beliebte Zeichen vollständiger Verblödung schleppt man mit stolzer Haltung herum. Die allermeisten dieser Demokratie-Retter und -Verteidiger verschanzten sich allerdings zuhause, als es im Zuge der Corona-Politik darum ging, die Grundrechte – Basis der Demokratie – zu verteidigen und legten sich den Maulkorb um. Die Raute genügte zum Zeichen. Man hatte da schon verstanden: Nur wer links ist, gehört dazu, der ist hip und der ist woke und besitzt dann bald die staatliche Heilbefähigung, das weiß man zuvörderst in den Redaktionen von Presse und Funk. Schauerliche Wohligkeit! „Stabilität statt Chaos“ heißt es vollmundig sodann. Freudige Erwartung allenthalben. Denn unaufhaltsam kommt er, der März: „Seht doch die Pfaffenhütchen: / den Rittersporn, wie frisch!“
Das Tor zur Hölle geöffnet
„Der März ist wohl erschienen. / Doch ward es Frühling?“ Nein – die Antwort selbst schon im alten Revolutionslied von 1848. Überhaupt alles ein einziges Mißverständnis. Er sei es doch, der da ist und der da kommt und der da war – der Friedrich: „Mein Name ist Merz, Merz mit e“. So rief er es schon im Jahre 2017 vom Podium im Haus der Bundespressekonferenz in den Saal. „Merz mit e“, das macht den Unterschied, stand doch auf der Einladungskarte gedruckt – März, wie der gleichnamige Monat. Eine Unverschämtheit solche Vergeßlichkeit. Denn er war doch längst auf der politischen Bühne, nicht einmal unerfolgreich, erschienen. Fraktionsvize im Bundestag 1998, ein Jahr später kürte ihn die damalige CDU-Generalsekretärin Angela Merkel zum Vorsitzenden des Bundesfachausschusses Wirtschaft und Finanzen. Unruhe bringt die Parteispendenaffäre in die Karriere des „Merz mit e“. Zwar sieht es anfangs mit der Machtteilung nach dem Rücktritt von Wolfgang Schäuble verheißungsvoll aus, wird er doch Fraktionsvorsitzender der Union im Hohen Haus. Doch Parteichefin Merkel hat andere Pläne, erdacht beim Frühstück am 11. Januar 2002 in Wolfratshausen mit CSU-Chef Edmund Stoiber: Kanzlerkandidat der Union wird Edmund Stoiber, Merkel übernimmt den Fraktionsvorsitz. Der Abschied des „Merz mit e“ von der politischen Bühne kommt dann in Raten. 2004 erfolgte die Bekanntgabe, alle politischen Ämter in Fraktion und Partei aufzugeben, drei Jahre später die Ankündigung im Jahre 2009 nicht mehr bei der Bundestagswahl antreten zu wollen. Es sei nun „Zeit, auch mal Geld zu verdienen“, läßt er Vertraute wissen. Doch er wußte, unverschlossene Hintertüren sind nicht zu verachten und so sprach er bereits 2009 gelassen: „Wenn meine Partei der Meinung ist, dass sie wieder mehr Grundüberzeugungen braucht, bin ich der Letzte, der sich einer Mitarbeit verschließt“. Gegenüber dem Deutschlandfunk wird er die Aussage 2012 nochmals wiederholen.
Viele Querelen in der CDU später war er dann tatsächlich wieder da, am 29. Oktober 2018 erfolgt die Bekanntgabe seiner Kandidatur für den Parteivorsitz. Zweimaliges Scheitern folgte. Den Parteivorsitz im Dezember 2018 übernahm Annegret Kramp-Karrenbauer, 2021 unterlag er Armin Laschet. Am 22. Januar 2022 wurde Merz dann endlich zum CDU-Vorsitzenden gewählt. Die Spannungen wollten dennoch nicht vergehen. „Zuletzt war das Binnenklima bei uns schwierig. Ich will es verbessern“, wird Merz verlauten lassen, denn „der anständige Umgang miteinander [sei] ein Teil der DNA unserer Partei“. Dieses anständigen Umgangs erinnert sich auch Angela Merkel in diesen Tagen, nur „zwei, drei Knöpfe drücken“, dann sei Merz wieder Geschichte, wird sie während eines Abendessens kundtun. Einen solchen Knopf drückte sie kurz vor der Bundestagswahl, als sie sich in die Debatte um die Abstimmung von CDU/CSU im Bundestag zur Migrationspolitik einschaltet. Merz polterte nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg: „Ich weigere mich anzuerkennen, dass die Taten von Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg die neue Normalität in Deutschland sein sollen. Das Maß ist voll. Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik.“ Der von Merz vorgelegte Fünf-Punkte-Plan („Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“) wurde am 29. Januar 2025 mit knapper Mehrheit im Deutschen Bundestag angenommen, erstmals mit den Stimmen der AfD. Merz gibt sich tapfer, denn frei gewählten Abgeordneten und auch der Unionsfraktion könne das Recht nicht abgesprochen werden, „dass wir hier Anträge zur Abstimmung stellen, die wir in der Sache für richtig halten. Auch wenn es Ihnen mit Ihrer Minderheit von SPD und Grünen im Deutschen Bundestag nicht gefällt.“ Erinnert man sich noch daran, als der damalige CSU-Chef Horst Seehofer angesichts des ungebremsten Migrantenstroms hervorhob: „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung …“ und zuspitzte: „Es ist eine Herrschaft des Unrechts.“ „Zwei, drei Knöpfe“ genügten auch damals schon, dann kehrte der „anständige Umgang“ zurück. Nun aber schäumt die Altkanzlerin Merkel erneut und sucht nach den Knöpfen, sie halte die Abstimmung unter Zuhilfenahme der Stimmen der Schwefelpartei für einen Fehler und Wortbruch: „Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen.“ Wer hätte es gedacht? Das von der Unionsfraktion eingebrachte Zustrombegrenzungsgesetz wird durch den Deutschen Bundestag am 31. Januar 2025 abgelehnt. Merz habe „das Tor zur Hölle geöffnet“, plärrte SPD-Rolf Mützenich im Bundestag. Wo aber die Hölle ist, da ist der Teufel nicht weit. Wer nun glaubt, gegen den Teufel kämpfen zu müssen, der läßt alle Skrupel fahren, der hat längst vergessen, den Zweifel für einen notwendigen und wertvollen Verbündeten zu halten. Der Ruin jeder Gedankentätigkeit ist eingeleitet. Ihm ist nur noch an Dogmatik und Verkündigung gelegen: „Ich bin das gute, das edle, das gerechte Deutschland im weißen Kleid, das böse überlasse ich euch zur Ausrottung“ (Thomas Mann). Der Vormärz will nicht weichen. „Merz mit e“, macht freilich den Unterschied: „Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedauere ich das.“
Therapeutisches Biegen
Der Unbeugsame heißt eine Merz-Biographie der Autoren Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart. Schließlich: „So ist Friedrich Merz eben, einer wie er trifft seine eigenen Entscheidungen“. Nirgends steht geschrieben, daß eine biographische Arbeit ohne Satire auskommen muß. Doch war da nicht tatsächlich der Hoffnungsträger, der klare Kante zeigte und auf gravierende Probleme der Republik verwies. Prangerte er nicht einen vermeintlichen „Sozialtourismus“ der ukrainischen Kriegsflüchtlinge an, da diese zwischen ihrer Heimat und Deutschland hin und her pendelten? Es bedurfte dann lediglich etwas Aufblöken seitens der Medien und Merz knickte ein und nahm seine Aussage zurück: „Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung“, so postete er damals auf Twitter. Sein Einwurf habe „ausschließlich der mangelnden Registrierung der Flüchtlinge [gegolten]. Mir lag und liegt es fern, die Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit einem harten Schicksal konfrontiert sind, zu kritisieren.“
Klare Kante ebenso im September 2023. Gegenüber dem Fernsehsender der Welt stellte er in Bezug auf abgelehnte Asylbewerber fest: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“ Auch gab es noch das deutliche Wort über die „kleinen Paschas“, Kinder mit migrantischer Herkunft, die Lehrkräfte terrorisieren und so ihren fehlenden Integrationswillen bekundeten. Und endlich einmal folgte das Bekenntnis: „Ich werde mich natürlich nicht dafür entschuldigen“. So gänzlich ohne eine Verbiegung wollte er es aber nicht belassen. Im Übrigen sei die Formulierung von den „kleinen Paschas“ jedoch nicht seine Wortschöpfung, sondern gehe auf eine Begegnung mit zwei Lehrerinnen aus dem Hochsauerlandkreis zurück, beteuerte er, ein echter Volksvertreter eben, der „Merz, mit e“. Doch Stabilität ist nicht Sache des Unbeugsamen. So mußten auch nur wenige Stunden nach der Bundestagswahl am 23. Februar vergehen, die Union fuhr das mickrige Ergebnis von 28,6 Prozent (sechs Prozent Stimmenanteil gehören der CSU), da beginnen die Fall- und Einknickübungen des Friedrich „Merz, mit e“. Schneller und wohl skrupelloser wurden in der bundesrepublikanischen Geschichte die Wahlversprechen nicht entsorgt. Der Unionwähler hätte es allerdings wissen müssen, daß sich die unselige Zerstörungspolitik nun ungebremst fortsetzt. Allerdings – will der Wähler überhaupt etwas wissen? Merz erspart sich denn auch der Mühe der Verstellung. Klargestellt wird dann schon am Montag in der Frühe: „Ich will auch noch einmal sehr deutlich sagen: Niemand von uns spricht über Grenzschließungen. Obwohl das im Wahlkampf streckenweise behauptet worden ist. Niemand von uns will die Grenzen schließen“.
Seit Monaten, zuletzt nach Magdeburg und Aschaffenburg, tönte es explizit anders. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte noch am 22. Januar im Interview mit der Welt, sollte ein künftiger Koalitionspartner nicht „mitgehen“ wollen, „dann können wir halt nicht regieren“. Ein „Ja“ entfuhr Jens Spahn (CDU) bereits im August 2024 in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz nach dem Messerangriff in Solingen mit drei Toten und acht Verletzten auf die Frage, ob er die Grenzen schließen würde. Da die SPD Grenzschließungen immer kategorisch ausschloss, ist Merz nunmehriges Umfallen gewissermaßen nur folgerichtig. Solche Gelenkigkeit sollte doch mindestens zum Ehrenvorsitz in Physiotherapeutischen Gesellschaften genügen. Bei zdf.de beschreibt Dominik Rzepka das physiotherapeutische „Muster Merz“ aufs Trefflichste: „Provozieren, Grenzen verschieben, zurückrudern“. Wurde nicht eben auch provoziert mit der vollmundigen Anfrage zur Finanzierung linker NGOs? Urplötzlich spielen die 551 Fragen überhaupt keine Rolle mehr. Es war 16,5-Prozent-SPD-Chef Lars Klingbeil der von der CDU das Zurückrudern als Vorbedingung für jegliche Koalition verlangt hatte. Auch scheint man über die Millionen an Fördergeldern zum „Schutz der Demokratie” oder die zig Milliarden, die auf der ganzen Welt verteilt werden, nichts mehr hinterfragen zu wollen. Im Sondierungspapier der CDU darf der Wahlbetrogene nun lesen: „Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung und wollen Integration ermöglichen. Wir wollen ein einwanderungsfreundliches Land bleiben“. Bei der SPD heißt es dementsprechend dazu: „Wir bewahren unser fortschrittliches Staatsbürgerschaftsrecht, vereinfachen legale Migration …“ Im 5-Punkte-Programm tönte „Merz, mit e“ noch: „Konsequente Zurückweisung aller Versuche illegaler Einreise“, nun schnell den Wattebausch drüber: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen. Wir wollen alle rechtsstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren.“ Das freut auch die Grünen, denn natürlich werden die Nachbarn weder Migranten zurücknehmen noch irgendwelche Zurückweisungen akzeptieren. Was sagt es ferner, wenn die illegale Migration im Anschreiben an die Mitglieder der Union „illegale Migration“ genannt wird, im Sondierungspapier und in Schreiben eines Lars Klingbeil und einer Saskia Esken an die SPD-Mitglieder aber übereinstimmend verharmlosend und begrifflich täuschend als „irreguläre Migration“ figuriert?
… bedauerlicherweise nicht mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet
Zwar könnte Merz viele Pläne zur Stabilisierung des Landes mit der AfD sofort umsetzen, doch rennt er da permanent gegen die von ihm errichtete Brandmauer: „Aber wir sagen ganz klar: Mit der AfD werden wir nicht zusammenarbeiten“ – und sucht Anschluß bei der völlig desolaten SPD. Die Genossen fuhren mit 16,5 Prozent das miserabelste Wahlergebnis seit 1887 ein und erhalten nun dennoch die völlig unverdiente Chance, dieses Land weiterhin zu ruinieren. Den Wortbruch zu kaschieren unternimmt Merz nicht, lieber läßt er durch den parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thorsten Frei die Wähler beschimpfen, denn die hätten die Union bei der Bundestagswahl „bedauerlicherweise nicht mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet“. Nur nebenbei sei gefragt: Wie lange regierte die CDU unter Merkel das Land? So einfach ists, nur etwas Kosmetik dann noch fürs Volk: Seht hier den »Wütrich« thronen, / beim »Tausendgüldenkraut«,/ dort jene »Kaiserkronen« /die »Königskerze« schaut! Immerhin bleibt angesichts aller gestelzten Rhetorik noch die dilettantische Gestik und die Groteske der Entschlossenheit, die sich in Wankelmut vollendet.
Dem Unbeugsamen könnte freilich noch ein gänzlich überraschendes Szenario drohen. Der Autor Stephan Paetow beschreibt es wunderbar in seiner Blackbox KW 10. Der „voraussichtlich künftige Kanzler Merz“: „Nachdem die Neuverschuldung beschlossene Sache ist, soll das Paket zügig vom alten Parlament beschlossen werden – die Grünen haben auch noch ein paar Extrawünsche angemeldet –, außerdem müssen die Mitglieder der SPD einer Koalition mit der Union zustimmen. Deshalb schreibt die Presse immer noch vorsichtig vom „voraussichtlich künftigen Kanzler Merz“. Denn wenn SPD-Esken aus einer üblen Laune heraus die finalen Koalitions-Verhandlungen mit der Union am Ende platzen lässt, und es auf eine Kanzlerabstimmung im Bundestag ankäme, könnte das im dritten Wahlgang auf einen Kanzler Klingbeil hinauslaufen, mit den Stimmen von Roten, Grünen und Knallroten. Mit dem Billionengeschenk der Union lässt sich schließlich auch ohne Söder und Merz prima regieren. Damit könnte Merz als der größte Depp in die Geschichte der BRD eingehen. Als der CDU-Mann, der den Sozialisten einen Blankoscheck in die Hand drückte, ohne dafür irgendein Zugeständnis zu bekommen. Am Ende nicht mal die Kanzlerstimmen.“
Es gibt Visionäre, wie den Publizisten Fritz Goergen, die sehen den „Größtmöglich Eintretenden Unfall der CDU/CSU (GEU)“ voraus. So stelle man sich vor „im dritten Wahlgang besorgen ausreichend viele Abgeordnete der AfD CDU-Merz eine Mehrheit. Dann muss sich Merz geschockt aus seinem Abgeordnetenstuhl hochstemmen und auf die Frage, ob er die Wahl annimmt, NEIN sagen – wegen der Brandmauer. Der Größtmöglich Eintretende Unfall der CDU/CSU (GEU). Eine Wiederholung des Thüringer Urereignisses dürfen wir ausschließen. Sonst müsste ja Angela Dorothea Merkel extra nach Afrika reisen. Und von dort aus die sofortige Rückgängigmachung der Wahl von Merz zum Kanzler mit den Stimmen der AfD anordnen wie damals nach der Wahl von FDP-Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Erfurt im Februar 2020“. Somit bleibt wohl nur einzustimmen in Horst Seehofers bitteres Statement: „Offenbar mussten SPD und Grüne die Wahl verlieren, um am Ende das zu bekommen, was sie schon immer haben wollten.“ Da ist sie nun, die versprochene „neue Politik“ des „Merz, mit e“.
Der März ist wohl erschienen.
Doch ward es Frühling? – nein!
Ein Lenz kann uns nur grünen
im Freiheitssonnenschein.
aus: Es ist wieder März geworden. Volkslied von August Freiherr von Seckendorff, 1849
Titel-/Beitragsbild im Original: Wald-Burger8, CC BY-SA 4.0, via Wiki Commons
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