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Paul Gottfried: REAKTION AUF JOHANNES SCHARF

In unserer aktuellen Sommer-Ausgabe zitiert Johannes Scharf Forschungsergebnisse der Evolutionsbiologin Gesine Fuchs, die nahelegen, dass Frauen soziale Stigmatisierung aufgrund nonkonformistischer Wahlentscheidungen eher fürchten als Männer. Eine weibliche Neigung zu Anpassung und Überläufertum, so die Schlussfolgerung, sei bereits biologisch angelegt. Dem widerspricht nun auf unserem Blog Prof. Dr. Paul Gottfried, Präsident des H.L.-Mencken-Clubs: In Wahrheit seien Frauen deutlich öfter an der vordersten Front nonkonformistischer Bewegungen zu finden als im Schlepptau der konformen.



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Mit allem Respekt für Johannes Scharfs Betrachtungen über unsere heutige weibliche Wählerschaft: Mich dünkt, dass seine Erklärung nicht der gestellten Frauenproblematik genügt. Es bleibt offen, ob die linke Kehrtwendung dieser Wählerinnen gänzlich oder großenteils auf eine evolutionsbiologische Ursache zurückzuführen sei. Fragwürdig ist es, ob die Frauen so bedingt sind, dass sie einem von Männern vorgezeichneten wahlpolitischen Weg triebhaft folgen. Von diesseits des Atlantiks betrachtet, sind die Frauen mit Abstand durchgreifender und glühender radikalisiert als ihre männlichen Pendants.


Gleich an welche Streitfrage man sich wendet, Abtreibung, erweiterte LGBT-Rechte, oder eine Willkommenskultur für Eindringlinge, laufen die Frauen kopfüber voran. Ungleich den meisten Männern bestehen sie mehrheitlich auf dem Recht, Föten bis zur ihrer Ankunft im Geburtskanal zu töten. Wenn man diese radikale Wendung nachvollziehen will, dann sind die Beteiligten nicht als schlichte Mitläuferinnen, sondern des öfteren vielmehr als Taktgeber zu erachten. Die Frauen tun alles andere als die Fahne in den Wind zu hängen. Sie bringen ihre Wahlkraft und organisatorische Betriebsamkeit gegen überkommene Verhaltensmaßstäbe und die bisherige Familienordnung in Stellung. Etliche Artikel in der neuesten Tumult-Ausgabe zeigen glasklar, dass in Deutschland die weibliche Wüterei in einer harten Sprachdiktatur einmündet.


Herr Scharf versäumt, auf andere Zeitfaktoren Rücksicht zu nehmen - etwa ausgehend von der im Anwachsen begriffenen Menge von Frauen, die Universitäten besuchen. Dort werden sie mit sozialrevolutionären Einfällen und protestpolitischen Forderungen konfrontiert und zu “weichen” gesinnungsgestaltenden Fachgebieten (wie links angehauchte Sozialwissenschaften und Women’s Literature) hingezogen.


In den USA liegt eine bemerkbare weltanschauliche Scheidewand zwischen “ausgebildeten” Absolventinnen und den vermutlich Unaufgeklärten, die Kinder erzeugen und die sich der christlichen Glaubenslehre hingegeben zeigen. Beide Gruppen beweisen gefühlsbetonte, von ihrer Weiblichkeit geprägte Verhaltensweisen, aber begeben sich auf umgekehrte Lebenswege.


Zu der fortwährenden Radikalisierung der Frauen trägt ebenso entscheidend der Korporationssektor bei, der unisono für die Feministinnen aus teilweise gewerblichen Gründen eintritt. Wenn an der Arbeitskraft die Frauen anteilig vertreten sind, dann wirkt das darauf hin, Lohnkosten zu verbilligen und den vielfältigen Konsummarkt zu erweitern. Vollbeschäftigte Hausfrauen sind typischerweise keine Erwerbstätige. Sie geben weitaus weniger Geld denn “angestellte” Frauen aus und helfen jedenfalls nicht die Gehälter der männlichen Mitarbeiter durch ihre Anstellungsvorrätigkeit herunterzufahren. Aus ähnlich gelagerten Lohngründen begünstigt der Korporationssektor den weiteren Empfang der aus der Dritten Welt einströmenden Zuwanderer.


Mit diesen Erklärungsversuchen für weibliche Radikalisierungspotentiale erhebe ich keinen ausschließlichen Anspruch auf Schlüssigkeit. Was jedoch einleuchten dürfte ist, dass Johannes Scharfs Akzentsetzung auf einer erblich bedingten Anpassungsneigung des “zarten Geschlechts” eine folgenschwere Zeiterscheinung nicht genügend hintergründig beleuchtet. Dass sich ein prominenter kanadischer “Konservativer” mit Herrn Scharfs Analysen in Einklang befindet, verleiht dessen Stellungnahme keine zusätzliche Wucht. Jedenfalls ist es bestimmt nicht das erste Mal, dass ich Jordan Peterson nachdrücklich widersprechen muss.




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Über den Autor:


Prof. Dr. PAUL GOTTFRIED (*1941), US-amerikanischer paläokonservativer Philosoph und Historiker; ab 1989 Horace-Raffensperger-Professor für Geisteswissenschaften am Elizabethtown College in Pennsylvania; Dozent am Ludwig von Mises Institute und Präsident des H. L. Mencken Clubs.



 

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