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Michael Mansion: UNROMANTISCH WIE GOTT IN FRANKREICH

Eine große Verwunderung ist angesichts der jüngsten Ereignisse in Frankreich unangebracht. Der französische Philosoph Alain Finkielkraut zum Beispiel hatte ein solches Szenario bereits vor Jahren vorausgesehen. „Ein Leben wie Gott in Frankreich“ ist von der romantischen Überhöhung endgültig zur beißenden Satire geworden.



Toufik-de-Planoise, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons


So sind etwa auch genaue Zahlenangaben über den jüdischen Exodus aus Frankreich schwierig.

Es gibt hierzu in Israel genauere Beobachtungen aus jüngerer Zeit. Demnach sind von 2015 bis 2019 insgesamt 18.762 Menschen jüdischer Herkunft nach Israel ausgewandert. Man kann aber davon ausgehen, dass in den vergangenen zehn Jahren etwa 40.000 Juden Frankreich verlassen haben.

Dies nicht deshalb, weil sie sich von einem französischen Antisemitismus bedrängt gefühlt hätten, sondern von einem importierten Judenhass. Diese Erkenntnis gilt aber auch in Frankreich als nicht-gesellschaftsfähig. Die amtierende politische Klasse sieht die zentrale politische Gefahr im rechten Lager und betreibt einen Liberalismus der munteren Beliebigkeit nach dem Motto, dass sich die Mehrheit in einem allseits akzeptierten Konsens von Mittelmäßigkeit zusammenfindet, der als edler und echter demokratischer Kompromiss verkauft wird.


Gesetze der Republik zweitrangig


Dabei randaliert in Frankreich schon seit Jahren ein nicht integrierbarer Mob aus islamisch geprägten Zuwanderermilieus. Die Tötung des Jugendlichen war lediglich ein willkommener Anlass, es mit der Zerstörung noch ein wenig zu übertreiben. Schon 2016 hatte das französische Meinungsforschungsinstitut Ifop festgestellt, dass gut 50% der Jugendlichen Muslime unter 25 Jahren der Auffassung sind, dass die Gesetze des Islam über denen der Republik stehen. Offiziell wird jedoch eine Theorie des Ismus favorisiert, wonach in gute und radikale Muslime zu unterscheiden ist. Das Wesen des Islam als einer vormodernen Herrschaftskultur wird nicht erkannt oder soll nicht erkannt werden.


Währenddessen ist die vorläufige Bilanz der Zerstörung beträchtlich. Allein im Großraum Paris waren 5000 Polizisten im Einsatz (insgesamt etwa 40.000). Neunundsiebzig Polizeikommissariate und Kasernen der Gendarmerie wurden angegriffen und beschädigt. Weiherhin auch 34 Rathäuser und 28 Schulgebäude sowie Banken und Geschäfte. Der Hass entlud sich bezeichnenderweise auch am Pariser Holocaust-Denkmal. Die Demonstranten besprühten die Gedenkstätte, entfernten die Trikolore und kündigten einen neuen Holocaust an, wie „L´Express“ berichtete. Auch eine große Bibliothek in Marseille mit einer Vielzahl historischer Dokumente wurde zerstört.


Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire gab bekannt, dass mehr als 700 Läden, Supermärkte, Restaurants und Bankfilialen geplündert oder zerstört worden seien. Präsident Macron sprach von einer mittlerweile eingetretenen Beruhigung der Situation, nachdem nach einer Woche Dauerrandale „nur“ noch 300 Autos brannten. Es waren zuvor doppelt so viele! Das lässt darauf schließen, dass der französische Staat den offensichtlich virulenten Bürgerkrieg im Hinblick auf seine Schwere an der Anzahl zerstörter Güter misst. Das kann man machen, gibt dabei aber zugleich ungesagt zu, dass man es dabei belassen will. Analysen, die geeignet wären, gravierende politische Fehler offen zu legen, sind unerwünscht und werden als „rechts“ verortet. Wie es heißt, werde man jetzt unverzüglich mit dem „Wiederaufbau“ beginnen. Nein, nicht in der Ukraine, sondern in Frankreich.


Im Krieg mit der Stadtguerilla


Die Systemkrise in Frankreich spitzt sich derweil weiter zu. Der Bruch zwischen den Polizeigewerkschaften und den Vertretern der islamfreundlichen Linken ist offensichtlich und dürfte nicht mehr zu kitten sein. Während man bei der Polizeigewerkschaft von „wilden Horden“ spricht, gegen die eine republikanische Ordnung erzwungen werden muss, unterstellt Mélenchon (LFI), die Gewerkschaften hätten zum Bürgerkrieg aufgerufen und müssten zu schweigen lernen. Die politische Macht müsse die Kontrolle über die Polizei übernehmen. Die Grünen hatten sich ähnlich geäußert. Darauf erfolgte die Antwort der Polizeigewerkschaften, dass sie solcherart Beleidigungen nicht mehr hinzunehmen bereit seien. „Wir befinden uns im Krieg und wir haben es mit einer Stadtguerilla und nicht mehr mit bloßer Gewalt zu tun(…). Es handelt sich um einen städtischen Krieg, gegen den unsere Kollegen kämpfen, um zu gewinnen“.


Die aktuelle Situation in Frankreich erschließt sich aus einer Gemengelage von Vorstadt-Elend, hoher Arbeitslosigkeit und einer gescheiterten Integrationspolitik der Muslime, die ganze Stadtteile okkupiert und eine Gegenkultur etabliert haben. Zugleich feiert sich an französischen Universitäten eine linke Schickeria, die ein Herrschaftswissen reklamiert, das ökologisch, vielgeschlechtlich,

anti-kolonialistisch, vegan und vor allem antiweiß daherkommt. Die französische Schuldkultur bedarf keines Holocaust-Überbaues. Es genügt das koloniale Erbe des Landes, das – gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis – ausschließlich „weiß-beschmutzt“ sei. Immerhin hat Frankreich mit Michel Houellebecq einen Autor, der im Enzensbergerschen Sinne keine Oden schreibt, sondern die vorfindliche Wirklichkeit romanhaft spiegelt. Offiziell wird ihm das natürlich übel genommen, aber es scheint nicht so zu sein, dass es den Kauf seiner Bücher wesentlich behindert. Houellebecq betreibt literarische Gesellschaftskritik, womit er als Literat in Europa eine Sonderstellung einnimmt.


Es mehren sich (medial) die bangen oder auch scheinheiligen Fragen, ob denn das französische Geschehen wie ein Virus auf Deutschland überspringen könnte. Selbst die dünne Informationslage unserer Qualitätsmedien müsste aber reichen, den Blick nach Essen, Castrop-Rauxel oder Berlin-Neukölln zu richten, wo die Gegenkulturen längst die Bezirkshoheit übernommen haben und die Polizei als braune Nazischweine beschimpft. Die gesellschaftliche Spaltung ist in Frankreich allerdings weiter fortgeschritten als in Deutschland. Zugleich ist in Frankreich immerhin der politische Streik möglich, aber er scheint über Partikularinteressen nicht hinauszuwachsen und wirkt nicht anhaltend progressiv in den gesellschaftlichen Raum. Selbst in den kleinsten lothringischen Ortschaften hat man die zulässige Höchstgeschwindigkeit, unterstützt von Beton- und Asphalt-Wällen, auf 30 km/h begrenzt. Kaum noch jemand wagt im öffentlichen Raum zu rauchen und man unterhält auch nicht mehr mehrere „Verhältnisse“. Frankreich ist rein gewaschen. Es gibt bei oberflächlicher Betrachtung des französischen Alltags keine besondere französische Kultur mehr, wenn man diese nicht am Rotwein-Konsum festmachen will.


Frankreich und die guten Sitten


Das findet man in Brüssel ganz gut, denn dort werden nationale Eigenheiten ohnehin ungern gesehen. Schade – als Heimat von Revolution und Aufklärung hätte Frankreich ein Erbe zu verwalten. „La Grande Nation“ hat derweil ein Problem mit der Staatsgewalt. Vermutlich befürchtet sie Schlimmes bei ihrer Anwendung. Diejenigen, auf die sie in Anwendung zu bringen wäre, haben nicht viel zu befürchten. Den entstandenen Schaden ersetzt der Steuerzahler. Die vornehmlich jugendlichen, im Durchschnitt (im Raum Paris) 17-jährigen Täter sind „Schutzbedürftige“ und bedürfen sozialstaatlicher Betreuung, was wiederum zu Lasten der Steuerzahler geht.


Nach einer Umfrage vom April 2023 hält nur eine Minderheit der Franzosen (32%) den Islam für mit den Werten der französischen Gesellschaft vereinbar. Das ist zugleich kein Gesamterklärungsmodell der aktuellen Vorkommnisse, aber ein wichtiger Punkt, dessen Bedeutung heruntergeredet wird, um den Eindruck zu erwecken, man hätte es mit einer tendenziellen Verrohung der „guten Sitten“ zu tun, einem Mangel an Respekt gegenüber der grundsätzlich guten Agenda der politischen Klasse. Argumentativ in die Enge getrieben, ist ihr Verteidigungsmodus denunziatorisch angelegt und trifft dabei exakt diejenigen, die das Desaster hatten kommen sehen, womit der Vorgang seine eigene Dialektik hat.


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