Überraschend kam das Verbot des Compact-Magazins nicht. Mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren war es zu auffällig, um Nancy Faesers Spürhunden zu entgehen. Lautsprecher der etablierten Parteien, begleitet vom Chor der fortschrittlichen Kräfte, hatten seit langem vorgearbeitet, gedrängt und gefordert. Schon deshalb darf man sicher sein, dass diesem Angriff auf die Meinungs- und Informationsfreiheit weitere Angriffe folgen werden.
JasonCarswell, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
An dieser Stelle empfiehlt sich der Hinweis, dass ich Compact als überflüssiges Produkt und Jürgen Elsässer, seinen Erzeuger, als unangenehmen Kumpan betrachte. Ich bin ihm ab und zu begegnet, habe seine Einladung, an seinen Veranstaltungen teilzunehmen und für sein Magazin zu schreiben, aber durchweg abgelehnt. Die rechten Leute von links sind mir genauso unsympathisch wie die linken von rechts. Denn ich habe die Erfahrungen, die Deutschland mit den nationalen und den internationalen Sozialisten gemacht hat, nie vergessen.
Dies zu bemerken, war zwar richtig, klingt aber auch ein wenig peinlich, wie eine eilig nachgeschobene Versicherung, im Kampf gegen rechts auf der richtigen Seite zu stehen. Denn so weit sind wir ja inzwischen: die Erinnerung an die Verfassung, an die Bedeutung der Grundrechte und die Vorzüge des Rechtsstaats reicht nicht mehr. Sie gilt nur dann als unbedenklich, wenn sie mit einem politischen Glaubensbekenntnis einhergeht. Wer die Meinungs- und Informationsfreiheit auch nach rechts verteidigt, macht sich verdächtig.
Selbst das wäre kein Unglück, wenn wir nur wüssten, was unter rechts zu verstehen ist. Das wissen wir aber nicht, sollen wir auch nicht wissen, denn nur, wenn alle verdächtig sind, kann es jeden von uns treffen. Wenn es rechts ist, einer geregelten Arbeit nachzugehen, seine Kinder pünktlich zur Schule zu schicken und zu glauben, dass man den Unterschied von Mann und Frau mit bloßem Auge erkennen kann, „dann bin ich rechts“, hatte ich vor zehn Jahren gesagt. Damals konnte das noch als Ironie verstanden werden, inzwischen ist es allerdings gefährlich. Die Roten, die Grünen und die Gelben machen mit ihrem Unfug ernst.
Sie haben Deutschland in ein Land verwandelt, in dem man hinter der Parole „Nazis töten“ durch die Straßen ziehen darf. In dem man öffentlich dazu aufrufen darf, politisch Missliebigen die Türen einzurennen und ins Gesicht zu kotzen. In dem man lauthals bedauern darf, dass die auf den politischen Gegner abgefeuerte Kugel ihr Ziel nur knapp verfehlt hat. In dem der Bundespräsident in Person allen, die für die falsche Partei stimmen, empfindliche Strafen androhen darf. Nur „Alles für Deutschland“ darf man nicht sagen, schreiben oder denken. Das ist verboten.
Mittlerweile hat die Fortschrittskoalition ihre Gesslerhüte an jeder Straßenecke aufgesteckt. Wer sie nicht grüßt, wird bloß- oder besser kaltgestellt: fertiggemacht, wie es in der Sprache von Aktivisten heißt, die ihre Werte mit der Faust verteidigen und empört reagieren, wenn man sie dafür nicht lobt. Moralische Empörung, hat ein kluger Mann einmal bemerkt, sei das einzige Mittel, das auch dem Idioten Anerkennung verschafft. Das hat sich offenbar herumgesprochen, bis hinauf in die Regierung.
Ein Staat, der statt aufs Recht auf die Empörung setzt, delegitimiert sich selbst. „Wenn die Repräsentativ-Verfassung vor einer konkreten Herausforderung, die die Interessen aller berührt, versagt, muss das Volk in Gestalt seiner Bürger, auch einzelner Bürger, in die originären Rechte des Souveräns eintreten dürfen“. So Jürgen Habermas vor langer Zeit auf einem Parteikongress der SPD. Er sprach tatsächlich vom Volk, genauso wie das Grundgesetz, mehrfach sogar. Die Bürger sollten das nicht vergessen, auch einzelne Bürger nicht. Denn das Volk sind sie.
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Über den Autor: Konrad Adam, geb. 1942, Journalist, Publizist und Politiker, war 1979 bis 2000 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, anschließend bis 2007 Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt.
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