Jede Gewaltherrschaft steht vor zwei Aufgaben, zeigt deshalb auch zwei ganz verschiedene Gesichter. Zunächst einmal muss sie alles, was ihr nicht in den Kram passt, ziemlich viel also, unterdrücken und ausschalten, verbieten und zerstören. Wie sie das macht, war neulich in Potsdam zu besichtigen, wo schwarz maskierte Polizisten im Auftrag von Nancy Faeser den Volksfeind Jürgen Elsässer frühmorgens aus dem Schlaf klingelten, das Haus durchsuchten, seine Zeitschrift beschlagnahmten und ihm die Arbeit untersagten.
Die zweite Aufgabe besteht darin, die eigene Meinung an den Mann beziehungsweise an die w/m/d-Person zu bringen. In Deutschland ist das Aufgabe der öffentlich-rechtlich verfassten Rundfunkanstalten, der ARD, des ZDF und des Deutschlandfunks. Gemeinsam bilden sie ein marktbeherrschendes Unternehmen, ein Machtkartell, das seine Position dazu benutzt, die Leute zu bevormunden, die Konkurrenz an die Wand und die eigne Meinung durch zu drücken. Die Mittel, die dazu nötig sind, hat ihm das Bundesverfassungsgericht in die Hand gegeben, als es das duale System in seiner jetzigen Gestalt erfand.
Hinter der Propaganda, meinte Dr. Joseph Goebbels, muss immer ein scharfes Schwert stehen. Bei der Propaganda dachte er an die Sprachregelungen, die dazu dienten, die Presse auf Vordermann zu bringen, beim scharfen Schwert an die Konzentrationslager. Lager gibt es heute nicht mehr, Sprachregelungen aber immer noch. Sie heißen nur anders, seitdem sich die Presse selbst der Sache angenommen hat. Wer heute lieber von Flüchtlingen als von Geflüchteten spricht, macht sich verdächtig. Wer die unkontrollierte Masseneinwanderung einen Bevölkerungsaustausch nennt, landet am Pranger. Wer die massenhafte Abschiebung, vom Kanzler wortreich angekündigt, als Remigration bezeichnet, bekommt es mit dem Verfassungsschutz zu tun. Volksaufklärung und Propaganda werden jetzt freiwillig geübt, ein Ministerium braucht es dazu gar nicht mehr.
Es muss, hat Walter Ulbricht, wie Goebbels ein Routinier der Gewaltherrschaft, seinen Leuten eingebläut, es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten. Wir, das sind die Machthaber. Die Öffentlich-Rechtlichen haben die Sprache gekapert und mit der Sprache auch das Denken. Wer das geschafft hat, kann alles Mögliche behaupten, sogar das Gegenteil von dem, was er ganz offensichtlich tut. Die Leute werden es nicht wahrhaben wollen oder rundweg leugnen, werden mitmachen und applaudieren, da hat Tom Buhrow schon ganz recht. Zwar hat der Rundfunkstaatsvertrag die Sender zur Objektivität und zur Unparteilichkeit, zur Meinungsvielfalt und zur Ausgewogenheit verpflichtet. Doch das ist nur die Theorie; die Wirklichkeit sieht anders aus.
Über die belehrt das Geschwätz, mit dem ein paar Leichtmatrosen versuchen, dem Kurs einen Drall nach links zu geben. Wahrscheinlich glauben sie, damit der Zeitenwende, dem Doppel-Wumms, dem Reform-Booster oder sonst einem Blödsinn zu dienen. Aber wer glaubt das denn sonst noch?Spätestens seit der Zeit, als sie eine Grippewelle zum Vorwand nahmen, das Volk mit allerlei windigen, überflüssigen oder gefährlichen Maßregeln zu traktieren, haben die Staatssender ihre Glaubwürdigkeit verloren. Seitdem gibt es tausend gute Gründe, für ein Programm, das sich einen Spaß draus macht, Grundrechte zu verhöhnen oder zu missachten, nicht länger zu bezahlen. Viele wollen das nicht mehr, ich auch nicht, und es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass es immer mehr von diesen Leuten gibt. Zahlen müssen sie natürlich trotzdem; werden sie auch, so lange sich kein Gericht dazu bereit findet, der Frage nachzugehen, ob das öffentlich-rechtliche Medienkartell die Grundsätze, zu denen es sich bekennt, auch befolgt. Gegen die Staatsgewalt sind wir alle gleich machtlos. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen nachgeben. Wir wissen aber auch, wofür. Wer sich nicht nur von Begriffen wie Objektivität und Unparteilichkeit, Ausgewogenheit und Vielfalt, sondern auch von Tugenden wie Anstand, Fairness und Gerechtigkeit eine anspruchsvollere Vorstellung bewahrt hat als Intendanten und Chefredakteure, wird gar nicht umhinkommen, die Meinungs- und Informationsfreiheit, ein Grundrecht immerhin, um jeden Preis zu verteidigen. Mahngebühren, Widerspruchsverfahren und Kontopfändungen kosten eine bisschen Geld, sind im Vergleich zum Wert von Grundrechten aber geradezu lächerlich billig.
Bis auf weiteres halte ich mich an Johann Nestroy. Der hatte sein Wiener Publikum gern daran erinnert, dass man die Freiheit nur als ganze verteidigen kann. Marktfreiheit, Maskenfreiheit, „ja sogar Gedankenfreiheit haben wir gehabt; insofern wir die Gedanken bei uns behalten haben. Es war nämlich für die Gedanken eine Art Hundsverordnung. Man hat´s haben dürfen, aber am Schnürl führen; wie man s´ loslassen hat, haben´s ein´n erschlagen. Mit einem Wort: Wir haben eine Menge Freiheiten g´habt, aber von Freiheit –keine Spur“. Und um auch das nicht zu vergessen: Nestroy hat auf die Dauer mehr erreicht als engstirnige Verfassungsschützer wie Metternich und Haldenwang.
*
Über den Autor: Konrad Adam, geb. 1942, Journalist, Publizist und Politiker, war 1979 bis 2000 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, anschließend bis 2007 Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt.
Hier können Sie TUMULT abonnieren.
Für Einzelbestellungen klicken Sie bitte hier.