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Jörg Gerke: KLIMAWANDEL UND LANDWIRTSCHAFT: EMISSIONEN REDUZIEREN UND EFFIZIENT ARBEITEN?

Wie bei vielen wissenschaftlichen Themen, die in den politischen Würgegriff geraten sind, gibt es auch hier, bei der Frage nach dem anthropogen verursachten Klimawandel, eine Art von Wissenschaft, die aus der Politisierung Nutzen zieht – vor allem beim Kampf um Forschungsgelder, Posten und Renommee.



Sinaida Serebrjakowa: Ernte, 1915


Tatsächlich ist der Anteil der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft erheblich. Schätzungen von UN-Organisationen gehen von einem Anteil von global 35% aus. Weiterhin stammen rund 50% der erhöhten Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre heute aus den Böden, und zwar wesentlich aus den land- und forstwirtschaftlich genutzten Böden.


Der Anteil der Landwirtschaft an dem Treibhausgasausstoß steigt, insbesondere der Lachgasausstoß, durch die landwirtschaftliche Intensivierung und den Anbau von Energiepflanzen. Energiepflanzen, die vermeintlich „regenerative Energien“ bereitstellen, sind ein wichtiger Treiber der Erhöhung der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen.


Leider wird die Landwirtschaft als Emittent von Treibhausgasen politisch in den westlichen Staaten ignoriert. Das liegt vermutlich daran, daß der landwirtschaftliche Hauptemittent, nämlich eine industrialisierte Intensivlandwirtschaft, ein wichtiges politisches Ziel in den westlichen Industriestaaten ist. An der politischen Ignoranz gegenüber der Emission von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft, beispielsweise in Deutschland, der EU und den USA zeigt sich, daß es dieser Politik nicht um eine Reduktion von Treibhausgasemissionen geht.


Deswegen ist die Schlüsselfrage nicht in erster Linie eine Frage nach einem Konsumverzicht. Es geht vielmehr darum, eine Landwirtschaft zu betreiben, die Nachhaltigkeit einschließlich geringer Treibhausgasemissionen verknüpft mit nachhaltig hohen Erträgen. Als Alternative zur Intensivlandwirtschaft wird der organische Landbau betrachtet. Es liegt daher nahe, diesen auf Ertragsfähigkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen.


Organischer Landbau: Was kann er leisten?


Der organische Landbau (auch vielfach als biologischer oder ökologischer Landbau bezeichnet), wurde im deutschsprachigen Raum in den 1920er- bis 1940er Jahren entwickelt.


Organischer Landbau ist durch einige zentrale Randbedingungen vom konventionellen Landbau zu unterscheiden: Den Verzicht auf mineralische N- Düngemittel aus dem Haber-Bosch-Verfahren, den Verzicht auf organische Pestizide aus der chemischen Synthese und einer Verbindung von Ackerbau und Grünlandwirtschaft mit landwirtschaftlicher Tierhaltung.


Im organischen Landbau wird die fehlende mineralische N-Düngung durch den Anbau von Leguminosen kompensiert, die Stickstoff aus der Luft binden und in pflanzenverfügbare Formen bringen. Besonders perenniale oder semi-perenniale Leguminosen wie Luzerne, Esparsette und verschiedene Kleearten wie Weißklee, Rotklee, Schwedenklee, Gelbklee oder Hornschotenklee weisen ein hohes Vermögen auf, Stickstoff aus der Luft zu binden.


Damit ist schon vorgezeichnet, daß sich konventionelle und organische Fruchtfolgen sowie konventionelles und organisch bewirtschaftetes Grünland stark unterscheiden. Hinzu kommt, daß Mischkulturen und weite Fruchtfolgen im organischen Landbau genutzt werden können, um den Unkrautdruck und den Druck von Schaderregern auf einem niedrigen Niveau zu halten. Mischanbau und weite Fruchtfolgen bieten zudem die Möglichkeit, den Ertragsunterschied zwischen der konventionellen Intensivlandwirtschaft und dem organischen Landbau auf ein niedriges Niveau zu drücken.


Gefahr der Verwässerung durch Kompromisse


Jedoch gibt es Entwicklungen im organischen Landbau, die dessen Nachhaltigkeit in Frage stellen. Die für die Bodenfruchtbarkeit notwendigen Ackerfutterbaujahre in der Fruchtfolge mit Luzerne-Klee-Gras- Gemengen begrenzen den Anbau von Verkaufsfrüchten und stellen deswegen eine ökonomische Begrenzung für organische Betriebe dar.


Die gesetzlichen Regelungen der EU und damit auch die deutschen Regelungen erlauben den organischen Betrieben den Import konventioneller organischer N-Düngemittel wie Gülle und Stallmist. Auch durch den Einkauf von Futtermitteln beispielsweise von Kraftfutter können hohe N-Importe von außen in die organischen Betriebe erfolgen. Unter solchen Bedingungen ist der Anbau von semi-perennialen Leguminosengemengen zur betrieblichen N-Bindung entbehrlich, so daß es mittlerweile organische Marktfruchtbetriebe gibt, die weniger als 20% oder sogar 10% an Futterbauleguminosen in der Fruchtfolge haben.


Diese Entwicklung hat einen hohen Einfluss auf die Humusgehalte von organisch bewirtschafteten Böden und damit auch auf die CO2-Emission aus diesen Böden. Darüber hinaus ist der geringe oder fehlende Anbau von Futterbauleguminosen auch für die Lachgasemission aus der organischen Landwirtschaft wichtig.


Weltweit organisch? Zurück zu den Wurzeln!


Diese Fehlentwicklungen des organischen Landbaus führen zu einer neuen Form organischer, globaler Landwirtschaft, die ja ursprünglich ein Alleinstellungsmerkmal der konventionellen Intensivlandwirtschaft darstellte. Unter solchen Bedingungen verbleibt als wesentlicher Unterschied zwischen organischer und konventioneller Landwirtschaft nur noch die Restriktion beim Pestizideinsatz. Durch diese Entwicklung werden nun Überlegungen notwendig, wie ein echter nachhaltiger organischer Landbau strukturiert sein muß und welche Konsequenzen dies für die Emission von Treibhausgasen hat.


Zurück zu den Wurzeln: Ein organischer Landbau als Verbindung von nachhaltig hohen Erträgen, angepasster Bewirtschaftung und niedrigen Emissionen von Treibhausgasen ist das Gebot der Stunde! Die weltweite Ausbreitung hat die Praxis des organischen Landbaus stark verändert und ihm seine Ursprünglichkeit genommen. Die sah für den organischen Landbau weder einen N-Input aus dem Haber-Bosch-Verfahren vor noch den Einsatz synthetisierter organischer Pestizide. Sehr wohl aber die Verbindung von Ackerbau und Tierhaltung.


Eine Landwirtschaft, die diese Restriktionen (kein N-Input aus Haber-Bosch-Verfahren und keine synthetisierten Pestizide) befolgt, weist ein ganz anderes Muster und eine weitaus geringere Intensität von Treibhausgasemissionen auf als im Vergleich dazu die intensive konventionelle Landwirtschaft.


Ausführliches und Weiterführendes zum Thema auf dem Blog des Autors ostdeutsche-bodenpolitik.de.


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Beiträge von Jörg Gerke finden sich auch in unseren Ausgaben vom Frühjahr 2019 und Winter 2019/20.



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