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Jörg Gerke: DIE UMWELTBEWEGUNG, DIE GRÜNEN UND DIE NGOs (Teil I)

In Deutschland bildeten sich Mitte der 1970er Jahre Protestbewegungen gegen den Neubau und die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken. Es waren Bewegungen von unten, von keiner der im Bundestag vertretenen Parteien unterstützt.




Der Protest gegen die Atomkraft war aber nur das sichtbarste Zeichen dieser sich entwickelnden Bewegung. Es ging ihr auch um Naturschutz, eine andere Art der Landwirtschaft und einen erweiterten Umweltschutz. Die Protestbewegung traf auf den Widerstand staatlicher Institutionen. Der Protest fand aber auch in den öffentlich-rechtlichen Medien statt, in den Tageszeitungen und Wochenjournalen, häufig kritisch oder polemisch. Es gab allerdings im Vergleich zu heute keine vergleichbare Medienkultur des Verschweigens und Tabuisierens.


Zwei zentrale Bücher der 1970er Jahre begleiteten und bestimmten die sich bildende Umweltbewegung. Von Herbert Gruhl erschien 1975 „Ein Planet wird geplündert“ und drei Jahre später „Seveso ist überall“ von Egmont R. Koch und Fritz Vahrenholt. Während Koch und Vahrenholt unter anderem über einen der folgenschwersten Chemie-Unfälle des Jahrzehnts berichteten, bei dem in Italien große Mengen besonders toxischer Dioxin-Verbindungen freigesetzt wurden, beschäftigte sich Gruhl mit den Grundlagen nachhaltigen Wirtschaftens. Gruhl, der in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bis 1976 das Thema Umweltschutz vertrat, 1978 die CDU verließ und eine neue Partei, die „Grüne Aktion Zukunft“ (GAZ) gründete, bereitete damit indirekt die später erfolgende Gründung der Grünen vor.


Die Grünen waren als parlamentarischer Arm der Umweltbewegung ein Instrument, um die Fragen des Naturschutzes und der Nachhaltigkeit in die Parlamente und in die öffentliche Diskussion zu bringen. Parallel zu den Grünen etablierten sich Umwelt- und Naturschutzverbände oder richteten sich neu aus, wie der Naturschutzbund Deutschlands (NABU) oder der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND). Das Buch von Herbert Gruhl war zu seiner Zeit grundlegend für das Verständnis der erwachenden Umweltbewegung und der Grünen, während das Buch von Koch und Vahrenholt den Blick auf problematische chemische Nebenprodukte, chemischer Abfälle und die damals in der Breite wenig bekannte Toxizität diverser chemischer Produkte lenkte.

Daß das weitere Schicksal der Grünen als Umweltpartei nicht einfach von ihren Anfängen her fortgeschrieben werden kann, und schon gar nicht bis in die Gegenwart, liegt an einer einschneidenden Zäsur, die sich bald nach der Gründung der Grünen Partei ereignete.


Genossen sickerten ein


In den 1970er Jahren gab es in Westdeutschland eine Reihe von kommunistischen Gruppen, kurz K-Gruppen, in den meisten Fällen außerordentlich kritisch gegenüber der Sozialismusvariante der Sowjetunion und ihrer Ableger, aber andererseits außerordentlich affin zum Sozialismus chinesischer Prägung. Beispiele dafür sind der Kommunistische Bund Westdeutschlands (KBW), der Kommunistische Bund (KB) und verschiedene KPD-Gruppen.


Nach der Gründung der Partei Die Grünen schwenkte eine Reihe von ehemaligen K-Gruppen-Funktionären über. Offenbar versprachen sie sich dadurch bessere Chancen für durchgreifende gesellschaftliche Veränderungen. Natur- und Umweltschutz waren für diese Funktionäre von K-Gruppen Transportmittel ihrer Ideologie. Beispiele für ehemalige K-Gruppen-Funktionäre sind Trittin, Kretschmann, Büttikofer, Fücks, Sager, alles Personen, die in der Partei zumindest zeitweise eine wichtige Rolle spielten. Für Trittin, Kretschmann und Fücks trifft das auch heute noch zu.

Eine besondere Rolle hat hierbei Joscha Schmierer, der den KBW von 1973 bis 1982 lenkte. Schmierer traf noch Ende 1978 mit einer KBW-Delegation in Kambodscha mit dem Führer der roten Khmer, Pol Pot, zusammen. Den roten Khmer werden fast zwei Millionen Ermordungen in ihrer Zeit der Herrschaft bis 1979 zugeschrieben. Nach dem Besuch war in der KBW-Zeitung zu lesen: „Das Volk von Kambodscha verwandelt sein Land in einen blühenden Garten.“ Schmierer wurde unter Außenminister Fischer Mitglied des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes und blieb dies auch noch unter dem Außenminister Steinmeier.


In der Folge der Unterwanderung durch K-Gruppenkader verließen viele Mitglieder der ersten Stunde die Partei. Darunter Herbert Gruhl selbst, aber auch Persönlichkeiten wie Baldur Springmann, einer der Pioniere des Organischen Landbaus in Deutschland.


Die Auswirkung der Verdrängung von Umweltpolitiker durch marxistisch-maoistische K-Gruppen-Kader kann kaum überschätzt werden. Umweltschutz und Nachhaltigkeit wurden bei den Grünen zum Anlass, fundamentale gesellschaftliche Veränderungen durchzusetzen, für die es, im Gegensatz zu einer reinen Umweltpolitik, keine gesellschaftliche Mehrheit gab.


Die Grünen und ihre Vorfeldorganisationen nach vierzig Jahren


Von einer Nachhaltigkeitspolitik ist 2023 nur noch das Bekenntnis zur Aufgabe der Atomenergie übrig geblieben. Dazu kommt eine unüberschaubare Anzahl von Vorfeldorganisationen, die sich vermeintlich mit „Nachhaltigkeit“ beschäftigen. Sie sind mit Steuergeldern bedacht, liegen vielfach auf grüner Parteilinie und bezeichnen sich dennoch ungerührt als „Nichtregierungsorganisationen“. Eine Reihe davon sind, wie beispielsweise BUND und NABU, im Rahmen der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskussion groß geworden. Die Grüne Partei definiert mit ihren Vorfeldorganisationen einiges davon, was schließlich im veröffentlichten Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskurs Thema wird.

Die Grünen des Jahres 1980 verfolgten eine andere Wirtschafts- und Nachhaltigkeitspolitik in Gegensatz zu dem, was die damals etablierten Parteien CDU, CSU, SPD und FDP vertraten.


Schwerpunkt war ein pfleglicher Umgang mit den Ressourcen, vor allem den Rohstoffen. Dazu gehörte auch der Umgang mit langlebigen und reparaturfähigen Produkten, die zudem am Ende ihrer Gebrauchszeit recycelbar waren. Natürlich gab es auch schon vor 40 Jahren grüne Konzepte, den Energieverbrauch zu senken und fossile Energie durch die Nutzung von Holz und Biogas zu ersetzen. Allerdings ohne Aufbau einer für die Biogasproduktion notwendigen, die Ackerflächen degradierenden Agrarindustrie, wie sie die heute populäre Mais-basierte Biogaserzeugung voraussetzt. Auch hätten sich die anfänglichen Grünen sicher nicht vorstellen können, wie ihre Partei einst mit der Forderung nach immer mehr E-Mobilität vor einem moralischen Dilemma stehen würde: Die Förderung und Gewinnung der für die elektrischen Komponenten unverzichtbaren Rohstoffe Kupfer, Kobalt, Lithium und seltene Erden finden unter zum Teil menschenverachtenden Bedingungen statt. Das wäre mit den Grünen von 1980 kaum möglich gewesen. Das spielt aber keine Rolle. Die Grünen der Gegenwart profitieren immer noch von einem „Umweltbonus“, den sie schon lange nicht mehr verdienen. Ganz besonders nicht in Bezug auf den Organischen Landbau.


Fortsetzung in Kürze.



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Beiträge von Jörg Gerke finden sich auch in unseren Ausgaben vom Frühjahr 2019 und Winter 2019/20.



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