top of page

Jörg Gerke: DIE ENERGIEWENDE - EINE KLEINE ANALYSE

Die rot-grün-gelbe Bundesregierung hat ein Programm für „Klimaschutz und Energiewende“ beschlossen, für das bis 2026 ein Budget von 200 Milliarden EUR vorgesehen ist.

Was hat es damit auf sich? Was den „Klimaschutz“ betrifft, so wurde vielfach nachgewiesen, dass ohne Betrachtung der Treibhausgasemissionen aus Böden mehr als 90 % der Treibhausgasemissionen ignoriert werden.


Was aber bedeutet „Energiewende“ für eine Bundesregierung, an der die „Grünen“ beteiligt sind?

Der Begriff Wende ist nicht neu im grünen Vokabular. Er tauchte in der Zeit der rotgrünen Koalition schon einmal auf, im Begriff der „Agrarwende“. Weithin bekannt wurde dieser Begriff, als unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ab dem Jahr 2001 Renate Künast (Grüne) als Landwirtschaftsministerin amtierte. Was wurde damals unter Agrarwende verstanden, und wie wurde diese in der Regierungspolitik eigeleitet?


Der Begriff der Agrarwende war bei den Grünen verknüpft mit einer anderen Agrarpolitik – gegen eine industrielle Landwirtschaft, für ökologischen Landbau, für bäuerliche Landwirtschaft und vor allem als Kampagne für gesunde Nahrungsmittel.


Die Begriffe sind recht vage. Dennoch soll im Folgenden die Agrarpolitik unter Künast in den Jahren 2001 - 2005 an den Zielvorstellungen, für die sie stehen, gemessen werden.


Es waren vor allem zwei agrarpolitische Entscheidungen, die in dieser Zeit getroffen worden sind und bis heute nachwirken: Erstens die Einführung des europäische Ökosiegels und zweitens der Verkauf eines großen Teils der bundeseigenen Treuhand/BVVG-Ackerflächen in Ostdeutschland.

Die Einführung des europäischen Ökosiegels zog praktisch die Globalisierung des ökologischen Landbaus auf europäischer Ebene nach sich, und damit eine Absenkung der ökologischen Standards auf das niedrigste Niveau im Kreis der EU-Staaten. Globalisierung bedeutet darüber hinaus die Internationalisierung von Stoffkreisläufen und somit eine Reduzierung der Nachhaltigkeit des ökologischen Landbaus.


Der Verkauf der Treuhand/BVVG-Ackerflächen in Ostdeutschland an die Pächter bewirkte de facto, dass die Bodenflächen fast ausschließlich an Großbetriebe, vor allem LPG-Nachfolger, verkauft wurden. Denn ebendiese dominierten unter den Pächtern der BVVG-Flächen. Gefördert wurde auf diese Weise nicht nur die Korruption in gravierendem Ausmaß (die Flächen wurden in der Amtszeit von Künast fast zum Nulltarif unter Großbetriebe verteilt). Man stellte in Ostdeutschland auch die Weichen hin zur industrialisierten Großbetriebsstruktur, sei es mit dem Siegel „bio“ oder mit dem Siegel „konventionell“. Bäuerliche Betriebe, die eine nachhaltigen Landwirtschaft ermöglicht hätten, wurden fast vollständig ausgegrenzt. Aber diese Bodenpolitik in Ostdeutschland, gefördert von einer grünen Landwirtschaftsministerin, hatte noch weitere fatale Folgen. Eben in jenen Regionen, in denen nach 1990 der Anteil der bundeseigenen Treuhand/BVVG-Flächen sehr hoch gewesen war, findet nun ein Ausverkauf an externe Investoren statt, zumeist an ortsfremde und fachfremde Investoren. So liegt der Flächenanteil dieser Investoren beispielsweise in der Uckermark und in Vorpommern bei über 40 bzw. 50 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Denn die externen Investoren bevorzugen große, arrondierte Betriebe als Kaufobjekte. Dies sind die Folgen einer BVVG-Verkaufspolitik in den Jahren 2001-2005, politisch kontrolliert unter anderem vom Bundeslandwirtschaftsministerium mit seiner grünen Spitze. Dem vermeintlichen Ziel der Grünen, bäuerliche Landwirtschaft zu fördern, ist diese Politik schroff entgegengesetzt.


Globalisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft sind das Ergebnis der grünen Politik „Agrarwende“ 2001- 2005. Anspruch und Wirklichkeit standen einander diametral gegenüber.

Und jetzt: eine weitere grüne Energiewende?


Unter „Energiewende“ versteht man die Förderung von drei Arten der Energiegewinnung und -verarbeitung verstanden: aus Sonne, Wind und Biomasse. Dabei wird die gewonnene Energie fast ausschließlich in elektrische Energie umgewandelt.

Und daher rückt die Verbreitung von Elektromotoren ins Zentrum. Deren Elektroenergie speist sich aus den drei „regenerativen“ Energien.



Auch die verkündete „Energiewende“ ist wie zwanzig Jahre zuvor die „Agrarwende“ eine Täuschung.


Zum einen ist die Biomasseerzeugung auf Äckern für die Energienutzung weder nachhaltig noch klimafreundlich oder energiesparend. Um eine Energieeinheit Biogas-Strom aus Mais zu erzeugen, wird nahezu eine gleich große Energiemenge als Input benötigt. In abgeschwächter Form gilt Ähnliches für Öle, die auf den Äckern erzeugt werden (etwa Rapsöl), um sie zu verarbeiten und dem Diesel beizumischen. Tatsächlich fungiert der Anbau von Energiepflanzen als Treiber der Emission von Treibhausgasen, insbesondere von Lachgas und Methan. Dem Agrarreferenten von Greenpeace, Martin Hoffstetter, ist Recht zu geben, wenn er feststellt, dass Pflanzenöle auf den Esstisch und nicht in den Tank gehören. Es wäre allerdings vorteilhaft gewesen, wen er diese Aussage nicht erst nach dem Beginn des Ukraine-Krieges getroffen hätte, sondern schon viel früher, nämlich damals, als klar geworden war, welch große Mengen von Treibhausgasen durch den Anbau der Energiepflanzen freigesetzt werden.


Zum anderen erfordert ein Landbau, der das Prädikat „nachhaltig“ verdient, eine Kreislaufwirtschaft mit Rohstoffen, vor allem mit knappen Rohstoffen. Wichtige chemische Elemente wiederzuverwenden, ist die Quintessenz wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Bestimmte Metalle (Lithium, Kupfer, Kobalt) und einige seltene Erden sind die Erzeugung, Speicherung und Steuerung von Elektroenergie – somit für alle Elektromotoren – unverzichtbar. Bei der Produktion von Elektromotoren und Batterien und in den Steuerkreisen werden große Mengen dieser Metalle verbraucht. Die zugänglichen Reservoirs dieser Elemente schrumpfen weltweit. Die Wiederverwendungsquote nach der Verschrottung liegt in der Regel weit unter 50 %, vielfach unter 30 %! Aber eben hier entscheidet sich, ob wir in hundert Jahren noch industriell produzieren können. Dass im Bereich der Elektroenergie diese Rohstoffe vergeudet werden, spottet jedem Programm der Nachhaltigkeit. Doch das Regierungsprogramm der „Ampel“ konzentriert sich auf die Gewinnung und Distribution von Energie und nicht auf die weitaus wichtigeren Stoffkreisläufe.



Schlussfolgerung:


Die Agrarwende unter einer grünen Bundeslandwirtschaftsministerin hat zur Globalisierung und Industrialisierung der ökologischen Landwirtschaft beigetragen. Und heute erweist sich die „Energiewende“ als ein Projekt, das auf verantwortungslose Weise wertvolle, unersetzliche Rohstoffe verschwendet.


---

Dieser Beitrag erschien am 29. April 2022 im Blog Ostdeutsche-Bodenpolitik unter den Kennworten Agrarindustrie, Agrarpolitik, Bodenpolitik, Nachhaltige Landwirtschaft: http://ostdeutsche-bodenpolitik.de/2022/04/29/die-energiewende-eine-kleine-analyse




*




Beiträge von Jörg Gerke finden sich auch in unseren Ausgaben vom Frühjahr 2019 und Winter 2019/20.





*




Hier können Sie TUMULT abonnieren.

Für Einzelbestellungen klicken Sie bitte hier.

bottom of page