"Unser Hof hat Napoleon überlebt", war vor wenigen Tagen auf einem Plakat protestierender Bauern in der Bundeshauptstadt zu lesen, "unser Hof hat Hitler und Stalin überlebt." Gegenwartsbezug verlieh diesen Feststellungen der hoffnungsvoll ausblickende Schlussteil des Satzes: "Unser Hof wird auch die Grünen überleben." Jörg Gerke lotet vorerst bündig im Blog, umfassender dann in der Winter-Druckausgabe die tatsächlichen Überlebenschancen aus.
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Am 26.11.2019 haben mehr als 10.000 Landwirte mit mehr als 5.000 Traktoren in Berlin gegen die Deutsche Agrarpolitik demonstriert.
Die Süddeutsche Zeitung wußte schon am gleichen Tag, daß die Bauern falsche Forderungen stellen würden.
Die Organisation dieser Demo erfolgte nicht durch die sich mehr und mehr ins Abseits manövrierende Agrarlobby, den Deutschen Bauernverband, sondern durch einzelne, auch ehemalige DBV- Funktionäre des Mittelbaus.
Der vermutliche Anlass für diese Proteste ist die Düngemittelverordnung.
Es gibt in Deutschland Probleme durch Überdüngung. Dies zeigt sich allein schon daran, daß im Durchschnitt der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland ein Stickstoff-Überschuss von mehr als 100 kg/ha im Mittel jährlich besteht. Dieser Überschuss von rund 1,6 Millionen Tonnen jährlich wird als Nitrat ins Grundwasser und in Oberflächengewässer, als Ammoniak oder Lachgas in die Luft abgegeben.
Nitrat ist schädlich im Trinkwasser, Ammoniak versauert die Eintragsgebiete und Lachgas ist ein um den Faktor 300 relevanteres Klimagas als Kohlendioxid. Diese hohen N-Überschüsse existieren seit mehr als 30 Jahren, ohne daß regierende Agrarpolitiker gleich welcher Farbe in Deutschland etwas dagegen getan hätten. Sie versagen in diesem Bereich seit mehr als 30 Jahren. Stattdessen wurde die Bürokratie in Form der Düngeverordnung durch die Politik in unglaubliche Höhen gefahren.
Die Kritik an der überbordenden Bürokratie ist die Wahrheit der jetzigen Schlepper-Proteste. Die Demonstranten verteidigen aber die industrialisierte Landwirtschaft trotz der immensen Umweltprobleme, nicht nur in Bezug auf die Nährstoffüberschüsse, auch in Bezug auf den übermäßigen Einsatz von Antibiotika in den großindustriellen Mastanlagen, und den übermäßigen Ressourcen- und Energieeinsatz.
Es gibt jedoch keine ernsthaften politischen Bestrebungen, gleich welcher Partei, die Missstände der heutigen Landwirtschaft zu beheben.
Besonders evident ist dies im Bereich des von der Bundesregierung so hervorgehobenen „Klimaschutzes“, der ein zentrales Politikziel werden soll. Daß dem nicht so ist, wird in einem Beitrag im TUMULT-Winterheft 2019/20 ('Der Boden als Kohlenstoffspeicher') beschrieben. So trifft ein „Weiter so“ der Demonstranten in Berlin auf ein Konglomerat von Regierungsparteien und NGOs wie BUND, NABU, WWF etc., das fachliche Inkompetenz und eigene Profilierung kultiviert.
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