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Frank Böckelmann: HOCHMUT

DER VERSUCH EINER ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN TUMULT UND CASTRUM IST GESCHEITERT


Es war ein verheißungsvoller Beginn. Im Frühjahr 2024 führte ich mit dem CASTRUM-Verleger Ledio Albani lange Gespräche. Die politische Großwetterlage schätzten wir verblüffend ähnlich ein. Seine Agenda ergänzte passgenau die meine. CASTRUM hatte eine Corona junger, online aufgewachsener Mitarbeiter angezogen. Albanis Verlagsprogramm atmete den Geist St. Georges, doch öffnete sich trostfreier Existenzialliteratur und unnachsichtigen Zeitdiagnosen. Auch die nötigen Produktivkräfte für die Verwirklichung großer Pläne schienen bereitzustehen. Unser Chefredakteur Carsten Germis wurde einbezogen. Wir vereinbarten gemeinsame Stände auf den Buchmessen, die Fortsetzung der TUMULT-Schriftenreihe bei CASTRUM und eine Videogesprächsrunde mit Hendrikje Machate als Moderatorin.

 

Schon blickten wir voraus: Im Falle erfolgreichen Zusammenwirkens sprach bei TUMULT nichts gegen einen fließenden Übergang von bejahrten zu jungen Steuerleuten. Am 14. September 2024 wählte die Mitgliederversammlung unseres Trägervereins Ledio Albani in den dreiköpfigen Vorstand. Albani wollte möglichst rasch die ganze Verfügungsgewalt; der Verein und das Stammteam von TUMULT jedoch waren mit der Arbeit von Carsten Germis mehr als zufrieden und wollten zunächst sehen, ob es die jungen Leute von CASTRUM überhaupt konnten. Am 20. September einigten wir uns: Albanis Team sollte ab Anfang November die Online-Beiboote von TUMULT übernehmen, den Blog, die Accounts auf Instagram, X und Facebook (und später eine Videorunde).

 

Die Kür war brillant; leider enttäuschte dann die Pflicht. Ich musste mich an viele Ankündigungen und Verzögerungen gewöhnen, an die Forderung nach Garantien (die wir nicht geben konnten und wollten), ans Vergessen der Absichten von gestern und an die Neuauflage bereits abgehandelter Fragen. Vertrauen, das für Allianzen unverzichtbare stillschweigende Vertrauen, stellte sich nicht ein. Dennoch rangen wir uns immer wieder zu Einigungsformeln durch – es ging ja um vieles, und man hatte schon viel Hoffnung und Mühe investiert.

 

Ernsthaft belastet wurde unser Verhältnis durch Gerüchte in Wien und Berlin, Albani habe Germis schon abgelöst, und durch anmaßende Sprüche auf Instagram und X: „Castrum führt Tumult!“, „CASTRVM prägt TVMVLT“ und dergleichen mehr. Und am 7. Dezember postete man zum „TUMULT Magazin“: „Der dahinterstehende Verein und die Zeitschrift werden von Ledio Albani und Frank Böckelmann im gegenseitigen Einvernehmen geführt.“ Eine nicht geringe Selbstüberschätzung. Die Posen der Machtübernahme lähmten die Erwartung von Tempogewinn. Der ungeduldige Eifer stieß mich ab; aber ich nahm ihn hin als unvermeidliche Selbsterregung aufstiegsgieriger Narzissten.  

 

Überdies wich auf den Buchmessen in Frankfurt und Wien das von Seiten Albanis der Vierteljahresschrift anfangs reichlich gespendete Lob einem diffusen, höchst umwunden formulierten Tadel an den letzten TUMULT-Ausgaben. Dieser zielte offenbar darauf, dass die Artikel unserer Stammautoren nicht forsch und fetzig genug verfasst worden waren und daher Gefahr liefen, junge Leser zu langweilen. Da wurde TUMULT entschieden verkannt. Eindruck zu machen, ist eine schöne Prämie; aber die Aussicht auf ihn lenkt uns nicht. Hauptmotiv des TUMULT-Projekts ist der Wunsch zu verstehen, was wirklich gespielt wird.   

 

In dem von CASTRUM ab 17. Dezember gestalteten Portal Tumult.Online ist binnen weniger Wochen vielleicht noch nicht ganz erkennbar geworden, auf welche Art von Texten es Albani und sein Team angelegt hatten. Man griff größtenteils auf Bestände des alten TUMULT-Blogs zurück. Die wenigen Originalbeiträge waren Fälle von rauschhafter Selbstentzündung, Artikel eines Fan-Magazins beziehungsweise einer Begeisterungspostille. Wo bleibt das Negative? fragte ich mich. Offensichtlich ernst gemacht hat Albani dann aber am 23. Januar mit seinem Leitartikel „Death to America“. Hier schüttet er kulturellen Hochmut über die uns Europäern fremd gewordene Polit- und Sozialkultur der USA aus. Eine derartig selbstgefällige Weltmachtkritik verhindert gerade die bitter nötige Erkundung „Amerikas“.

 

Unser Verhältnis gegenüber den Auftritten von CASTRUM war stets ambivalent und ist es tatsächlich bis kurz vor seinem Ende geblieben. Noch am Mittag des 26. Januar 2025 sprach ich mit Albani über eine große CASTRUM-Anzeige auf der 3. Umschlagsseite der Frühjahrs-Ausgabe und über die geplante Buchreihe. Hinsichtlich des über sein mögliches Ziel hinausgeschossenen Leitartikels „Death to America“ erwogen wir eine flankierende Notlösung.

        

Zwei Stunden später erhielt ich Kenntnis von einem Tweet-Wechsel Tumult_online versus Marc Pommerening:





Mit „CG“ ist Chefredakteur Carsten Germis gemeint. Pommerening hatte auf ihn Bezug genommen. Die großkotzige Warnung und das Herbeiphantasieren von Hashtags namens „Vernichtung“ und „Unterwerfung“ brachten das Fass meines Unmuts zum Überlaufen. Augenblicklich war mir klar: Jetzt ist es aus.

        

Blinde Ruhmsucht brachte letztlich die Entscheidung. Einen Versuch war es wert.

 



Frank Böckelmann ist Herausgeber von TUMULT. Vierteljahresschrift für Konsensstörung.



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