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Peter J. Brenner: TUMULT-Dossier: AUF DEM WEG ZUR REGIERUNGSWISSENSCHAFT

Aktualisiert: 23. Juli 2022


— Der 'Kampf gegen rechts' als Forschungsauftrag


Juni 2022






Der „Kampf gegen rechts“ und seine Institutionen


Der „Kampf gegen rechts“ ist in den letzten Jahren zu einem dominierenden Feld der deutschen Innenpolitik geworden. In erster Linie hat er sich bewährt in der Form der medialen Diskurslenkung und des zivilgesellschaftlichen Aktionismus, aber inzwischen hat er sich weitere Geschäftsfelder erschlossen. Dazu gehören insbesondere wissenschaftliche Institutionen, die sich am Rande des regulären Universitätsbetriebs etabliert haben und sich ausschließlich diesem einen Geschäftszweck widmen.


Statt der Formel „Kampf gegen rechts“ verwenden die einschlägigen Institutionen in ihren Selbstbeschreibungen wissenschaftsaffine Begriffe wie „Demokratieforschung“, „Migrationsforschung“, „Integrationsforschung“, „Rechtsextremismusforschung“, „Rassismusforschung“ und neuerdings die zwischen Politik und Wissenschaft schillernde Bezeichnung „gesellschaftlicher Zusammenhalt“, der die politische Agenda am deutlichsten erkennen lässt – sofern man sich klar macht, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt dadurch hergestellt wird, dass die ausgeschlossen werden, die nicht dazugehören.


Im akademischen Feld nicht etabliert ist der Begriff des „Antifaschismus“. Er wird in der öffentlichen Diskussion aber gerne und nicht zu Unrecht verwendet, um die politische Herkunft und Stoßrichtung dieser Institute zu kennzeichnen. In der Tat ist es nicht verfehlt, diese Einrichtungen als eine akademische Neuauflage des 1989 untergegangenen antifaschistischen Schutzwalls zu verstehen.

Diese Institute haben lange Zeit ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung geführt. 2020 aber hat die seinerzeitige Bundesregierung ein mit rund 40 Millionen Euro opulent ausgestattetes „Forschungsinstitut Gesell­schaftlicher Zusammenhalt“ (FGZ) gegründet. Damit wurde eine neue, eine akademische Frontlinie in der innenpolitischen Auseinandersetzung eröffnet. Dieses Forschungsinstitut ist bundesweit an elf verschiedenen Standorten angesiedelt. Es betreibt zurzeit 83 Projekte, hinzu kommen 23 mit zusätzlichen sechs Millionen Euro ausgestattete Einzelprojekte, die im Auftrag des „Bundesministeriums des Innern und für Heimat“ (BMI) seit 2022 den Rassismus in staatlichen Institutionen untersuchen.


Die Gründung des FGZ ist der vorläufige Höhepunkt einer diffusen Entwicklung, die im Rückblick deutliche Konturen erkennen lässt. Eine besonders eindrucksvolle Geschichte hat das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden aufzuweisen. Das Museum wurde 1912 gegründet, hat also inzwischen vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, das „Dritte Reich“, die DDR und die Bundesrepublik mindestens vier politische Regimewechsel erfahren, und vielleicht werden spätere Historiker auch das Jahr 2005 als einen Epochenbruch wahrnehmen. Das DHMD hat sich in seiner Konzeption und seinen Ausstellungen stets dem jeweils herrschenden Zeitgeist anzupassen vermocht. Im Kaiserreich und der Weimarer Republik diente es in bester aufklärerischer Tradition der Gesundheitsbildung; im „Dritten Reich“ widmete es sich der „Rassenhygiene“, in der DDR dem „sozialistischen Gesundheitsschutz“ und in der Gegenwart versteht es sich als „Ort der Demokratiebildung“. Die Geschichte des Hygiene-Museums zeigt idealtypisch die Konversion einer alteingesessenen Institution zu einer Zeitgeistagentur; und es ist anzunehmen, dass über kurz oder lang andere angesehene Einrichtungen diesem Vorbild folgen werden. Die anderen aktuell wirksamen „Kampf-gegen-rechts“-Institutionen sind aber neueren Datums. Eine erst kleine Gründungswelle lässt sich in der Bundesrepublik der 1980er Jahre feststellen; der eigentliche Impuls und institutionellen Verdichtung und diskursiven Verengung erfolgt durch die Neugründungen im Jahrzehnt von 2010 bis 2020.



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Der aktuelle Stand wird im beigefügten TUMULT-Dossier tabellarisch dokumentiert. In einem ersten Durchgang lassen sich rund 30 wissenschaftliche Einrichtungen – inklusive der elf Standorte des „Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ – identifizieren, die sich dem „Kampf gegen rechts“ verschrieben haben.

Die tabellarische Zusammenstellung stützt sich auf öffentlich zugängliche Informationen, besonders auf die Selbstdarstellung auf den Websites, die freilich oft nicht gut gepflegt und wenig strukturiert sind. Vereinzelt wurden auch weitere Informationen aus anderen Quellen herangezogen. Dieses Dossier ist ein erster, sicher noch unvollständiger und möglicherweise auch fehlerbehafteter Versuch, Ordnung in das chaotische Bild zu bringen.



Institutionalisierungsformen


Mit den Instituts-Neugründungen des Jahrzehnts zwischen 2010 und 2020 erhielt die Akademisierung des „Kampfes gegen rechts“ ihren entscheidenden Impuls. Erst seit dieser Zeit auch lässt sich eine klarere politische Konturierung des Forschungs­auftrags erkennen, der auf die schon älteren Institute ausstrahlt. Eine Schlüsselrolle in der Politisierung des Forschungsauftrags dürfte das Bielefelder „Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung“ gespielt haben. Sein langjähriger Direktor Wilhelm Heitmeyer etablierte in der von 2002 bis 2011 erscheinenden Buchreihe „Deutsche Zustände“ den Begriff der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ und erinnerte alljährlich an die wachsende „Gefahr von rechts“. Damit setzte er ein Denk- und Forschungsmuster durch, das in allerlei Variationen von den einschlägigen Institutionen aufgegriffen wird. Öffentlichkeitswirksam weitergeführt wurde dieses Muster in den seit 2006 erscheinenden „Mitte“-Studien, die in sehr ähnlicher Form, aber inzwischen konkurrierend sowohl in Bielefeld wie in Leipzig – hier seit 2018 unter dem Titel „Leipziger Autoritarismus Studie" ­– fortgesetzt werden.


Aus diesen Anfängen heraus hat sich mittlerweile eine blühende „Kampf-gegen-rechts“-Forschung entwickelt. Über die personelle und finanzielle Ausstattung dieser rund 30 Einrichtungen und ihren institutionellen Status lässt sich wenig Genaues sagen. Zum Teil sind diese Institute kaum mehr als leere Hüllen, die keine nennenswerte Ausstattung außer einem kleinen Verwaltungsapparat und einem großspurigen Namen haben. Das Forschungspersonal setzt sich in diesen Fällen aus Wissenschaftlern zusammen, die regulär an anderen Einrichtungen beschäftig und den Instituten per Joint Appointment zugeordnet sind. Ein Großteil dieser Institute bezieht seine personelle Schwungkraft aus zeitlich befristeten Drittmittelprojekten. Das ist nicht ungewöhnlich, solche Konstruktionen und ad-hoc-Institutionalisierungsformen sind im universitären Bereich seit langem üblich.


Bei manchen dieser Einrichtungen stellen die Universitäten eine Grundausstattung bereit, die mit Mitteln aus verschiedenen Quellen aufgestockt wird. Zum großen Teil handelt es sich um Sondermittel der Bundesregierung und der Landesregierungen oder der Länderhaushalte, die meistens, aber nicht immer, ausdrücklich für den „Kampf gegen rechts“ bereitgestellt werden. Zum Teil handelt es sich auch um Mittel von Stiftungen, unter denen die Hertie Stiftung und die Mercator Stiftung eine besonders wichtige Rolle spielen.


Ohne Einsicht in interne Unterlagen lässt sich dieses Gewirr von Finanzierungs- und Personalressourcen nicht aufschlüsseln. Das Institut mit der weitaus größten Personalausstattung dürfte neben dem „Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt“, das rund 200 Mitarbeiter ausweist, das „Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung“ in Berlin mit seinen deutlich über100 Mitarbeitern sein. Bei einer sehr groben Schätzung kann man davon ausgehen, dass die Zahl der direkt an diesen Instituten beschäftigten Mitarbeiter im mittleren dreistelligen Bereich liegt; in der gleichen Größenordnung dürfte die Zahl der Mitarbeiter liegen, die nicht an den Instituten beschäftigt, aber ihnen in irgendeiner Form kooptiert sind.


Auch der institutionelle Status der Institute ist schwer zu beschreiben. Zum größten Teil sind sie an Universitäten angesiedelt und haben dann im Wesentlichen den Charakter der klassischen „An-Institute“: selbständige Forschungseinrichtungen, die im Rahmen eines Kooperationsvertrages mit der Universität zusammenarbeiten, wobei die Zusammenarbeit in diesem Fall nicht wirtschaftlichen, sondern politischen Interessen dient. Die Institute nutzen die Infrastruktur und das Renommee der Universitäten; sie sind aber nicht in deren hierarchische Entscheidungsprozesse und administrative Abläufe eingebunden, sondern genießen einen Sonderstatus relativer Autonomie gegenüber den universitären Strukturen. Dafür sind sie umso abhängiger von den politischen Auftrags- und Geldgebern. Man darf übrigens davon ausgehen, dass diese „Kampf-gegen-rechts“-Institute mit politischem Forschungsauftrag das Modell sind, nach dem sich mittelfristig auch die regulären universitären Forschungseinrichtungen entwickeln werden. Die Klimaforschung ist hier schon einen Schritt weiter.


Die Institute sind nur mäßig untereinander vernetzt. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Kooperationen und auch personelle und institutionelle Überschneidungen. Es ist indes unverkennbar, dass jede dieser Einrichtungen ihre eigene Agenda verfolgt. Der 2021 gegründete „Verbund der Forschungszentren für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung in den Bundesländern“ (VFRD) umfasst bis jetzt ganze vier Mitglieder. Das ist nicht überraschend. Denn wenn diese Institute auch die gleichen politischen Interessen verfolgen, so stehen sie doch untereinander in Konkurrenz im Kampf um Aufmerksamkeit und Fördermittel.


Die Institute betreiben keine Grundlagenforschung, sondern eine kleinteilige, thematisch und räumlich eng begrenzte sowie zeitlich limitierte Projektforschung. Das gilt für die über 100 Projekte des „Forschungszentrums Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ ebenso wie für die Arbeit der anderen, meist auf regionaler Ebene agierenden Institute. Ihr theoretischer Ehrgeiz ist sehr gering. Eine Grundlagendiskussion darüber, was eigentlich – über politisch aufgeladene Worthülsen hinaus – Gegenstand, Methoden und Ziel der Demokratie‑ und Rechtsextremismusforschung sind, findet kaum statt. Sie könnte dazu führen dass die Grundlagen der eigenen Arbeit in Frage gestellt und die Mittelzuflüsse versiegen würden.


Unverkennbar liegt der Sinn dieser Institute nicht im Zugewinn theoretischer Erkenntnisse. Ihr gemeinsamer Nenner ist der gemeinsame Feind. Ihn zu benennen fällt allerdings schwer, da er eher durch diffuse politische als durch präzise wissenschaftliche Begriffe umschrieben wird. In der Regel reicht die Anführung der Vokabeln „Rechtsextremismus“ und „Rassismus“ als hinreichende Legitimationsgrundlage für die Zuweisung staatlicher Mittel. Wichtiger als der Gegenstand der Forschung ist ihr Ziel: Die Delegitimierung von Regierungskritik durch Diskursregulierung und die Durchsetzung der Diskurshegemonie mit dem Mitteln der Wissenschaft.



„Wissenstransfer“: Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft


Eine charakteristische Besonderheit der Institute ist die Dominanz des „Praxisbezugs“. Ihre zentrale Aufgabe ist der „Wissenstransfer“ in Zivilgesellschaft, Politik und Medien: „Das EFBI unterstützt mit seiner Forschung die sächsische Zivilgesellschaft“, heißt es rundheraus auf der Website des „Else-Fraenkel-Brunswik-Instituts“ in Leipzig. Gemeint sind damit Forschungsprojekte wie solche über „Geschlechterdemokratie im Erzgebirge“. Das Jenaer „Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft“ erklärt die „Einbindung und Partizipation von vor allem zivilgesellschaftlichen Akteur:innen“ zu einem seiner zentralen Ziele. Und auch von den 83 Projekten des FGZ sind 15 ausdrücklich dem „Wissenstransfer“ gewidmet. Hier werden Fragen behandelt wie die nach der „Politischen Identitätsentwicklung und demokratischen Gemeinschaftsbildung in der Dorfgründungssimulation: Lehrstrategien zum Umgang mit antidemokratischen Politisierungstypen“.


Allein die Bundesregierung hat im Juli 2021 1,15 Milliarden Euro für die „Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus“ bereitgestellt. Hinzu kommen weitere Mittel aus anderen Bundesministerien, den Bundesländern, den Parteien und den ihnen nahestehenden Stiftungen, den Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung, den Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und privaten Stiftungen. Die Fülle der kleinteiligen, meist regionalen Institutionen der „Zivilgesellschaft“ ist unüberschaubar. Thematisch wie institutionell sind sie sind so vielfältig, amorph, unterschiedlich strukturiert und oft auch kurzlebig, proteushaft wandelbar und chamäleonartig anpassungsfähig an die Wandlungen des Zeitgeistes, dass sie sich dem beschreibenden Zugriff entziehen. Sie beschäftigen viele Hundert, wahrscheinlich Tausende von akademisch ausgebildeten Personen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt wahrscheinlich nur geringe Chancen hätten.


Wer in diesem undurchsichtigen Kosmos der Zivilgesellschaft die diskursregulierende Macht ausübt, wurde bei den Anhörungen zum „Demokratiefördergesetz“ im Februar 2022 deutlich. Auf hartnäckigen Druck der Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“ mussten das „Bundesministerium des Innern und für Heimat“ und das „Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ (BMFSFJ) die Liste der rund 160 Organisationen herausgeben, die zur Abgabe von Stellungnahmen zum „Maßnahmenkatalog“ der Bundesregierung von 2020 und zum „Demokratie­fördergesetz“ 2022 aufgefordert worden waren. Hierzu gehörten zahlreiche Stiftungen, allen voran die Bertelsmann-Stiftung, die Stiftung Mercator, die Robert Bosch Stiftung und die Hertie Stiftung. Weiterhin vertreten sind parteinahe Organisationen aller Bundestagsparteien außer einer, Jugendorganisationen der Parteien bis hin zu der sozialistischen Jugend „Die Falken“, Gewerkschaften,, kirchliche und kirchennahe Einrichtungen, muslimische und migrantische Lobbyorganisationen und allerlei regionale und lokale Einzeleinrichtungen, von denen man noch nie etwas gehört hat. Nicht dazu gehören die „Desiderius-Erasmus-Stiftung oder das „Institut für Staatspolitik“ oder andere der wenigen Institutionen, die der Regierungspolitik skeptisch entgegenstehen. Von Interesse ist dabei allerdings weniger die leicht vorhersagbare ideologische Ausrichtung dieser Organisationen; interessant ist vielmehr die Kleinteiligkeit der zivilgesellschaftlichen Vernetzung, die bis in den letzten Winkel der bundesrepublikanischen Gesellschaft hineinreicht.


Das 2016 aufgelegte Programm „Strategie der Bundesregierung zur Extremismus­prävention und Demokratieförderung“ gibt einen Einblick in die Diversität und Vielfalt des förderungswürdigen zivilgesellschaftlichen Engagements in Deutschland. Die Liste der „Zuwendungsempfänger“ enthält gut 500 Eintragungen, von „ABC Bildungs- und Tagungszentrum e. V.“ bis „Zirkus macht stark/Zirkus für alle e. V.“ Zwei Jahre später legt die Bundesregierung unter Federführung des Familienministeriums ­­– dessen gesellschaftspolitische Durchschlagskraft man gar nicht hoch genug einschätzen kann – ein ähnlich gelagertes und mit jährlich 115 Millionen Euro ausgestattetes Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“.


Gefördert wurden, offensichtlich dem Gießkannenprinzip folgend, knapp 300 Städte, Gemeinden und Landkreise mit höheren fünfstelligen oder niedrigen sechsstelligen Beträgen. Die Träger der Fördermaßnahmen ergeben ein buntes Bild. Sie reichen von Kreisjugendringen und Volkshochschulen über das „Bruderhaus Diakonie Stiftung Gustav Werner Haus am Berg“, den „Förderverein Zentrum für Demokratie und Menschlichkeit, gegen Rassismus e. V.“ bis zum „Willkommenscenter Wartburgkreis (WiWAK)“ Gefördert wurden Projekte zu „Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit und für Demokratie und Vielfalt“, gegen Antisemitismus, gegen Antiziganismus, Homosexuellen- und Transfeindlichkeit, für Demokratiestärkung im ländlichen Raum, gegen Rassismus und rassistische Diskriminierung, Antidiskriminierung und Frühprävention im Vorschulalter, Rechtsextreme Orientierung und Handlungen, Islamistische Orientierungen und Handlungen. Acht Projekte mit teils zweifelhafter inhaltlicher Füllung sind der „Linken Militanz“ gewidmet, wobei von „Linker Gewalt“ gar nicht erst die Rede sein soll. Die beiden an der „Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“ angesiedelten Projekte wird man als unverdächtig einstufen dürfen. Ein mit 200 000 Euro ausgestattetes Projekt hingegen widmet sich der „Urbanen Gewalt“ in Leipzig, ohne auch nur einmal auf die bundesweit bekannten linksextremistischen Gewaltexzesse im Stadtteil Connewitz einzugehen. Die „Projektvorstellung Urbane Gewalt“ per Video vermittelt übrigens eine eindrucksvolle Vorstellung von der gut gelaunten Infantilität, mit der diese zivilgesellschaftlichen Projekte gesellschaftspolitische Schlüsselprobleme lösen wollen.


Auf Länderebene sieht es ähnlich aus. Der Freistaat Sachsen, der über ein eigenes „Ministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt“ verfügt, unterstützt zur „Förderung der Integration in Sachsen“ aktuell rund 80 Projekte mit fünf- und sechsstelligen Beträgen. Gleich drei dieser Projekte, gefördert mit jeweils rund 160 000, 96 000 und 167 000 Euro, machen „Angebote zur Unterstützung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter*, asexuellen, aromantischen und queeren (Isbtiaq*) Geflüchteten; Förderung der Integration in und Anbindung an bestehende Angebote für queere Personen des RosaLinde Leipzig e. V. für Isbtiaq* mit Fluchthintergrund zur Förderung des Empowerments und der Partizipation und damit zum Aufbrechen internalisierter Abwertungen der eigenen Identität“. Vermutlich handelt es sich hier um einen satirisch gemeinten Scherz, der von der Fördermittel-Behörde ernst genommen wurde und so den Satirikern einen unverhofften Geldzufluss bescherte.


Ob und wie solche Projekte evaluiert werden, nach welchen Kriterien ihr Erfolg gemessen, wie die Mittelverwendung haushaltsrechtlich kontrolliert und ob gegebenenfalls Rückzahlungserforderungen bei missbräuchlicher Verwendung erhoben werden, ist nicht erkennbar. Man darf aber annehmen, dass das behördliche Kontrollnetz nicht allzu engmaschig ist. Das aktuell diskutierte „Demokratiefördergesetz“ dient genau diesem Zweck, praktisch jede staatliche Kontrolle über die zivilgesellschaftlichen Projekte aufzugeben und die dort meist prekär Beschäftigten in eine Sonderform des öffentlichen Dienstes einzubringen, indem die Finanzierung von Institutionen der Zivilgesellschaft verstetigt wird. Zugleich sollen die zivilgesellschaftlichen Organisationen endgültig von jeder auch noch so oberflächlichen Nachweispflicht der eigenen Verfassungstreue und Extremismusferne entbunden werden – ein Herzensanliegen besonders der „Amadeu Antonio Stiftung“, das bei den Regierungsparteien auf offene Ohren stößt.



„Akademische Karriereentwicklung“


Ein wenig beachteter Aspekt darf nicht unterschätzt werden: Die „Kampf-gegen-rechts“-Institute dienen auch als Kaderschmiede für nachwachsende Wissenschaftlergenerationen. Das „Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ hat eine eigene Abteilung „Akademische Karriereentwicklung“. Mit dieser „Karriereförderung“ will das FGZ „Nachwuchswissenschaftler*Innen fördern und sie auf eine Tätigkeit im akademischen sowie im außeruniversitären Umfeld vorbereiten.“ Schon zuvor hatte das „Interdisziplinäre Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung“ in Essen ein eigenes „InZentIM-Nachwuchsnetzwerk“ eingerichtet, das Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit bieten will, „eigene wissenschaftliche Ideen und Formate gemeinsam mit Gleichgesinnten umzusetzen – und das fast ohne die Hürden der akademischen Bürokratie.“ Wie früher die Burschenhaften ihre Netzwerke und Seilschaften in den Universitäten etablierten, sind es nun die „Kampf-gegen-rechts“-Netzwerke, die akademische Karrierewege eröffnen und damit auf Dauer eine institutionelle Durchdringung gesellschaftlicher Schlüsselpositionen in Medien, Politik, Bildung und Wissenschaft mit der Agenda des „Kampfes gegen rechts“ sicherstellen.


Diese Strategie reicht auch direkt in die Universitäten hinein. Nachdem es in Deutschland bereits ein gutes Dutzend praxisbezogene Studiengänge zum Themenfeld „Migration“ gibt, erfährt nun auch der „Kampf gegen rechts“ eine weitere akademische Aufwertung: Die Universität Marburg hat für das Wintersemester 2022/23 die Einführung eines berufsbegleitenden Masterstudiengangs „Beratung im Kontext Rechtsextremismus“ angekündigt. Auch die private Berliner Hochschule „Hertie School“ mit ihren Masterstudiengängen „Public Policy“ wird man als eine Kaderschmiede in diesem Sinne begreifen können; sie bereitet „herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft“ vor.



Wissenschaft als Politik – Politik als Wissenschaft


Innerhalb weniger Jahre ist der „Kampf gegen rechts“ zu einem zentralen Instrument der Sicherung politischer Herrschaft geworden. Seine Mechanismen sind primitiv, leicht durchschaubar, aber doch von durchschlagender Wirksamkeit. Die „Kampf-gegen-rechts“-Institute erfüllen ihre Funktion unabhängig von ihrer tatsächlich geleisteten Arbeit. Ihr politischer Auftrag besteht darin, „Wissenschaft“ produzieren. Denn „die Wissenschaft“ besetzt inzwischen eine zentrale Funktionsstelle im Legitimationssystem postdemokratischer Gesellschaften: Wer Wissensangebote in den politischen Diskurs einschleusen kann, besitzt einen entscheidenden Legitimitätsvorsprung.

Dabei sind die Ansprüche an die wissenschaftliche Qualität dieser Angebote nicht allzu hoch. Auch dem gutmütigsten Betrachter kann nicht verborgen bleiben, dass die zahllosen Forschungs- und Transferprojekte der „Kampf-gegen-rechts“-Institute den Eindruck völliger Beliebigkeit hinterlassen. Entscheidend ist nicht die Relevanz und Qualität der Forschung, entscheidend ihre Uniformität. Was auch immer auf welche Weise erforscht wird – es kommt darauf, dass es in der immer gleichen Sprache nach außen vermittelt wird. Die „Kampf-gegen-rechts“-Institute liefern legitimierende Begriffsschablonen, die in beliebigen Diskursfeldern, in der Zivilgesellschaft, in den Medien, der Politik, in der Rechtsprechung, in den verfassungsschützenden Behörden und inzwischen sogar in der Wirtschaft weiterverwendet werden.


Dass und wie dieses Zusammenspiel von Politik und Wissenschaft funktioniert, zeigt überdeutlich die aktuelle Diskussion um das „Demokratiefördergesetz“. In dem „Diskussionspapier“ der Bundesregierung zum „Demokratiefördergesetz“ ist die Handschrift der „Kampf-gegen-rechts“-Forschung unverkennbar: „In den vergangenen Jahren hat insbesondere die rechtextremistische Bedrohung immer weiter zugenommen und sich in einer Vielzahl schrecklicher Straf- und Gewalttaten niedergeschlagen. Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind ebenso ein Angriff auf unser gesellschaftliches Miteinander wie Antiziganismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit, Antifeminismus, Queerfeindlichkeit und weitere Ideologien der Ungleichwertigkeit sowie Diskriminierungen.“


In modernen westlichen demokratischen Staaten werden Herrschaftsverhältnisse nicht durch Ideologien, sondern durch Diskurshegemonie gesichert. Dass man sich im politischen Meinungskampf Worte beliebig gefügig machen kann, wenn man nur über die entsprechende politische Macht und mediale Infrastruktur verfügt, ist keine neue Einsicht. Im Zeitalter der neuen Medien aber stellt sich die Frage nach der Diskurshegemonie grundsätzlich neu. Die Diskursangebote der Regierungsmacht konkurrieren mit einer unendlichen Vielzahl von anderen Angeboten und müssen deshalb täglich neu erkämpft werden. Hierzu leisten die „Kampf-gegen-rechts“-Institutionen ihren Beitrag, indem sie unablässig die stets gleichen Begriffskaskaden in die mediale Öffentlichkeit gießen. So entsteht ein wissenschaftlich veredeltes, weitgehend in sich abgeschlossenes Deutungssystem. Es besteht im Wesentlichen aus den Phantasieprodukten einer postdemokratischen Semantik: „Kampf gegen rechts“, „Demokratieförderung“, „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“, „Integration“, „Antirassismus“, „Antifaschismus“, „Willkommenskultur“, „Pluralität“, „Vielfalt“, „Humanität“, „Gleichberechtigung“, „Offenheit“, „Solidarität“. Das sind längst leere Worte geworden, die jeden Sinngehalt verloren haben. Durch die Arbeit der „Kampf-gegen-rechts“-Institute aber werden sie mit wissenschaftlichen Glanz versehen, und durch den Transfer in die bodennahen zivilgesellschaftlichen Organisationen werden sie bis in den letzten Winkel des Erzgebirges verbreitet und erhalten ihren lebensweltlichen Resonanzraum.

So erhält auch das Sinnlose seinen Sinn, und das Geld ist gut investiert.



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Über den Autor:


TUMULT-Stammautor Peter J. Brenner war von 1991 bis 2009 Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Universität zu Köln; anschließend arbeitete er bis 2019 an der Technischen Universität München. Er ist Verfasser vielgelesener Standardwerke seines Faches.





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