Nachdem bereits Paul Gottfried und Dörthe Lütjohann an dieser Stelle auf Johannes Scharfs Artikel in der aktuellen Druckausgabe reagiert haben, widmet sich nun auch Brand Samten der erheblichen 'Rollenkonfusion' im Gefolge der 'Emanzipation ins Leere.'
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Wer zu Beginn der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine Schwester hatte, die ein Kind erwartete, dessen Erzeuger nicht gerade durch Zuverlässigkeit glänzte, dem blieb der Kommentar der künftigen Omama unvergesslich: „Wir kriegen das Kind auch ohne Mann groß.“
Aus der Erfahrung einer von Vätern weitgehend verwaisten Welt wurde eine Mutter in der Nachkriegspopulation allein durch die Sicherung ihrer bloßen Existenz zur „Frauenrechtlerin“. Der Schwangeren half sie so, der Zumutung durch das starke Geschlecht zu trotzen. Den Rat zur Abtreibung schlug diese in den Wind.
Dann kam die Zeit der „Mein-Bauch-gehört-mir“-Kampagnen, zu deren Ergebnis unter anderem die Abschaffung des Paragraphen 218 zählte, der einen Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellte.
Auf 1980 datiert deshalb nicht von ungefähr die von Johannes Scharf (Der schmale Grad, TUMULT, 2/19) zitierte Studie die Inversion der konservativen Bewahrerin zur linken Aktivistin im Gender Gap.
Die Ursache hierfür einem evolutionsbedingten weiblichen Herdentrieb zuzuschreiben, geht fehl. Der Verfasser übersieht, dass „nach den Gesetzen des Dschungels“ nicht die im Kollektiv Angepassten, sondern die „Leitkühe“ über die Diversifikation der Nachkommen entscheiden. Der Mutter-Instinkt schrieb sich so über die Äonen dominant in die weiblichen Gene ein. Wohingegen der Frauenraub und dessen Abwehr das triebdynamische Agens der frühen Jäger und Sammler sowie späten Nomaden und Halbnomaden bilden. (Das von Scharf angeführte Beispiel weiblichen Verrats an den eigenen Gefangenen zu Ende des Zweiten Weltkriegs verdiente vor diesem Hintergrund zumindest einer eingehenderen situativen Erhellung: als Reaktionsbildung der Frauen, um als Kriegsbeute der Vergewaltigung durch die Sieger zu entgehen.)
Die Nachkriegs-Großmütter sind ausgestorben. Sie taugen, angesichts der von Paul Gottfried gegen Scharf eingewandten Bedeutung des weiblichen Anteils an Korporationssektor, Lohnkostensenkung und Konsumstimulanz nicht mehr als Modell von Mutterschaft. Die Großen Schwestern haben deshalb die Führung übernommen, ihre Geschlechtsgenossinnen vor dem „Los einer Frau“ zu bewahren.
Die Generationen seither scheinen mit ihrer neu erkämpften Freiheit alles andere als glücklich zu sein. Nachdem der feministische Zeitgeist die mütterliche Stimme in ihnen tötete, verfielen sie in Rollenkonfusion. Der Paralyse zu begegnen, verlegten sie sich aufs „Gendern“. Nicht mehr zu wissen, ob man Männlein oder Weiblein ist, gehört heute zum Formenkreis postmodernen Sinnverlusts. Typus Borderline ist seine Leitpathologie.
Das Problem lässt sich aber nicht mit rechter oder linker Lagerbildung erschlagen. Weder denaturierte Emanzipations-Rhetorik noch überkommene Rollen-Stereotype werden ihm gerecht, wenngleich man mit ersterer ein gutes Einkommen generieren kann, wie die hochdotierten „Professx“ an den einschlägigen universitären Lehrstühlen [1] belegen.
Jenseits der staatlich subventionierten Elfenbeintürme sieht es weniger verträglich aus. Nicht zuletzt deshalb erheischt die neue deutsche Suche nach Verlässlichkeit bei der Realisierung des Kinderwunsches unter Frauen die gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Durch die moderne Reproduktionsmedizin wird der männliche Part bei der Zeugung ohnehin zu einem rein technischen Problem. [2]
Der neue Mann indes sieht sich der analogen Intensivierung des Verwertungszusammenhanges bei nämlicher politisch induzierter Rollenkonfusion ausgesetzt (die Zuwanderung erhöht zudem, wie Gottfried treffend bemerkt, den Konkurrenzdruck) – mit der Konsequenz einer Minderung seiner Fertilität.
Für die „Heranwachsendinnen“ indes stellt sich die Frage nach der Vaterschaft mit existenzieller Unerbittlichkeit. Die ontogenetische Unbedenklichkeit eines - als serienreif dann attestierten - Klonens ist, Gott sei Dank, noch nicht in Sicht.
Seit Napoleon gilt das Primat der Politik, laut Marx jenes der Ökonomie. Heute ist die Ökologie in aller Munde. – Es ist an der Zeit zu begreifen, dass im Kampf der Geschlechter die Biologie das Schicksal der Alten Welt bestimmt.
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Apropos „rechts“: Es hilft in der Sache nicht weiter, sich über die „Linken“ zu ereifern und sich dabei ihrer Methode zu bedienen, nämlich durch Beschwören einer Kollektivschuld im Dritten Reich die eigene Argumentation moralisch zu erhöhen. Bei Scharf (a.a.O., S.79) ist nachzulesen:
„Nachdem die NSDAP, ähnlich wie die Grünen, anfangs eine reine Männerpartei gewesen war, erhielt die Partei erst etwa eineinhalb Jahre vor der Machtergreifung verstärkt Zulauf von Frauen. Treu sind sie im Dritten Reich ihrem ‚Führer‘ ins Verderben gefolgt…“
Simple Analogien und Pauschalisierungen verhüllen die Kausalitäten mehr als dass sie diese erhellen. Ganz davon abgesehen, dass es zu den Paradoxien der deutschen Demokratie der Nach-Wende-Zeit gehört, dass die „Linke“ an der Macht eine rechte Politik befördert (Schröders Hartz-4, Senkung der Steuer bzw. deren weitgehende Aufhebung bei Entäußerungsgewinnen, erster Kampfeinsatz deutscher Soldaten im Ausland unter Außenminister Joschka Fischer), während linke Inhalte mit den „Konservativen“ augenscheinlich besser durchzusetzen sind (Mindestlohn, Abschaffung der Wehrpflicht, Atomausstieg, „Ehe für alle“, Zuwanderung).
Heute empfehlen die anarcho-libertären Grünen sich als Retter des Systems: Finanzierung der Überschuldeten in der Eurozone zu Lasten der Leistungsträger unter dem Banner des Universalismus, Kameralismus im Energiesektor mit irreversiblen Fragmentierungen der letzten, in kommunalem Besitz verbliebenen, zusammenhängenden Kulturlandschaften in den Insignien der Klimarettung, Senkung des Wertes der Ware Arbeitskraft durch ungebremste Zuwanderung im Namen der Humanität, Instrumentalisierung weiblichen Protestes nach den Maßgaben des Gender Mainstreaming. Bürgschaften zu geben und die Verantwortung dafür an das Gemeinwesen zu delegieren, scheint seit der Flüchtlingskrise der angesagte Politikstil zu sein.
Wie bemerkte der Amerikaner mit deutschen Wurzeln, Henry Louis Mencken, in seinen Notes on Democracy (Demokratenspiegel, Übersetzung D.S. Kellner, Berlin 1930):
„Der Kapitalismus genießt unter der Demokratie einen Vorteil: seine Feinde sind, selbst wenn er angegriffen wird, zerstreut und schwach, und er ist gewöhnlich leicht imstande, die eine Hälfte gegen die andere zu bewaffnen und sich so beider zu entledigen.“ Und sarkastisch führt der scharfzüngige Zeitzeuge aus den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts (a.a.O.) aus: „Was immer für eine Aufschrift die Parteien tragen, was immer für ein Schlachtruf von den Demagogen erschallt, die sie führen, man hat tatsächlich nur die Wahl zwischen der Plutokratie auf der einen und einer Horde lächerlicher Utopisten auf der anderen Seite.“
Man muss die Ansichten nicht teilen, aber eine Auseinandersetzung mit ihnen trüge vielleicht zu einem neuen Realismus bei.
[1] Laut Datensammlung Geschlechterforschung, FU Berlin, 2017, insgesamt 185 auf 14 Bundesländer verteilt.
[2] Ein entsprechender Entwurf für ein sogenanntes bio-ethisches Gesetz ist
am 24. Juli 2019 von den Ministerinnen für Gesundheit, Justiz sowie höhere
Bildung und Forschung im französischen Kabinett vorgestellt worden (s. NZZ, 26. Juli 2019).
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Der Autor veröffentlichte bisher Kurzprosa. Gegenwärtig hat er die Arbeit an einem Roman
abgeschlossen. In ihm wird eine Gesellschaft beschrieben, die zu ihrer Fortpflanzung
keiner Männer mehr bedarf.
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