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Bettina Gruber: MÄNNERHASS UND SCHLECHTE LAUNE

Aktualisiert: 8. März 2019

Unter diesem Titel wird es auf dem TUMULT-Blog künftig mindestens einmal pro Monat eine Kolumne aus der Feder von Bettina Gruber geben. Zum Titel ist zu sagen, dass die »schlechte Laune« sich nicht auf die meistens eher aufgeräumte Kolumnistin bezieht. Übellaunigkeit erscheint als wesentlichstes Kennzeichen einer Geschlechter-Debatte, die mit puritanischer Verbissenheit versucht, selbstgeschaffene Probleme zu lösen.


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Für viele verblüffend und daher erklärungsbedürftig ist erstens, dass diese Debatte nach dem flächendeckenden Sieg feministischen Gedankenguts stattfindet und zweitens, dass die genannte Verbissenheit immer noch steigerungsfähig zu sein scheint.

Anlass, über Männerfeindlichkeit zu reflektieren, gibt es nicht erst seit der Welle unsubstantiierter Beschuldigungen, die mit #metoo eingesetzt hat und sich keineswegs auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Ein aktuelles deutsches Beispiel ist die Kampagne gegen den Regisseur Dieter Wedel, bei der, wie für #metoo charakteristisch, jahre-, ja jahrzehntealte Vorfälle ausgegraben und schwer- oder unbeweisbare Vorwürfe erhoben wurden. Einen Vorgeschmack hatte die Kachelmann-Affäre geliefert, bei der unter gutgelaunter Beteiligung deutscher Medien Ruf und Existenz eines Menschen ruiniert wurden, ohne dass sich die Anschuldigung der Vergewaltigung jemals gerichtlich erhärten ließ.

Parallel zu den juristischen Angriffen hat eine Kultur struktureller Misandrie die akademische und mediale Landschaft erobert. Die American Psychological Association rückte »traditional masculinity« jüngst in die Nähe eines Krankheitsbildes und schuf damit ein unheilvolles Pendant zur historisch lange praktizierten Pathologisierung von Frauen. Zwar ist in den »Guidelines for Psychological Practice with Boys and Men« viel und wohlwollend von Prävention die Rede, mit der Männer vor Rauchen, Suiziden und anderen Unarten bewahrt werden sollen, aber die Tendenz ist eindeutig: Im Fokus stehen als klassisch männlich aufgefasste Qualitäten wie Leistungsorientiertheit (achievement) und die Bereitschaft »Risiken« und »Abenteuer« einzugehen, die als potentiell behandlungswürdig kritisiert werden. (Ironischerweise ist der Gestus der Broschüre geprägt von dem, was man als ›paternalistisches Wohlwollen‹ zu bezeichnen pflegt.) Wer das für eine überseeische Marotte hält, die das behäbigere Deutschland ohnehin niemals erreicht, sollte sich keinen Hoffnungen hingeben: In einem Artikel, der sich gegen die erzwungene Feminisierung junger Männer wendet (welt online: »Jungs drohen zu den neuen Mädchen zu werden«), predigt der Psychiater Jan Kalbitzer, dass Männer »bis zum Erreichen [der] Gleichberechtigung…die Erblast tragen« müssten, »darauf aufzupassen, dass sie ihre strukturell noch bestehenden Vorteile nicht ausnutzen.« Es dürfte schwierig für ihn werden, zu erläutern, worin diese Vorteile in Deutschland 2019 bestehen und warum junge Männer an einer historischen »Erblast« tragen sollten, die nicht zufällig nach »Erbsünde« klingt, im Gegensatz zu dieser allerdings keine anthropologische und philosophische Tiefendimension hat, sondern einer neuen und ziemlich schamlosen Lust am social engineering entspringt. (Mehr dazu im Sommerheft von TUMULT unter dem Titel »Die Zukunft der Schuld«). Statt einer ausgeglichenen Würdigung beider Geschlechter wurde im Ergebnis einiger Jahrzehnte feministischer Ideologisierung die »Krankheit Frau« durch die »Krankheit Mann« ersetzt.

Giftig ist in dieser reduktionistischen Perspektive praktisch alles, was mit Männlichkeit assoziiert wird. Wie das aussieht, demonstriert z.B. die Universität Princeton, die 2017 nach einem »Interpersonal Violence Clinician and Men’s Engagement Manager« suchte, einem Mediziner(!), der sich der Umerziehung und Neuprogrammierung der Studenten hin zu »gesunder Männlichkeit« widmen soll. Der Manager soll unter anderem die Funktion haben, »Gender-Stereotype« zu bekämpfen und Studenten, die eines sexuellen Fehlverhaltens beschuldigt werden, »Pflichtkurse« zu verordnen, also ihre Vorstellung von Geschlecht umzumodeln und sie einer Zwangsschulung zu unterwerfen – wohlgemerkt ohne jeden Beleg für irgendein tatsächliches Vergehen, sondern »auf Verdacht«. Princeton folgt hier nur einer Reihe anderer Universitäten, die das »Verlernen« toxischer, das heißt, vollkommen normaler Männlichkeit zum Programm erhoben haben. An dieser Stelle zeigt sich besonders deutlich, dass diese grobe Manipulation ein Nachfolgeprojekt der totalitären Diskurse vom »Neuen Menschen« ist. Es geht beim Kujonieren von Männern nicht um den Schutz von Frauen und bei Gender nicht um die Befreiung irgendwelcher Sexualitäten, es geht um Macht. Um die Macht relativ kleiner Gruppen, ihre utopistischen Vorstellungen auf dem Rücken der Mehrheit durchzupeitschen.

Der postmoderne universitäre Diskurs hat den Hass vorbereitet, der sich in den Medien, in der Werbung (der umkämpfte Spot von Gillette ist nur ein besonders krasses Beispiel) und auf Twitter austobt. Hier eine Auswahl von Hashtags – #menaretrash #killallmen #menaretheproblem #castratemen #endpatriarchy #toxicmasculinity #theworldwouldbebetterwithoutmen #maletears #MasculinitySoFragile – von denen einer unerfreulicher ist als der andere. Selbst wenn man sie als ironisch-popkulturelle Äußerungen in ihrer Gehässigkeit entschärfen möchte, sind sie aussagekräftig: Man versuche einmal, »men« durch »women« zu ersetzen.

Was hat diesen sehr weitreichenden Erfolg möglich gemacht? Sind Männer als Feindbilder einfach ein Erbstück des älteren Feminismus, ein Stück Weltbildmöblierung, das in der neueren Ideologie weiter seinen Dienst versieht, weil es so praktisch ist? Das sicher auch, denn warum sollte man einen bewährten Universalsündenbock gegen einen anderen austauschen (Antisemiten tun das ja auch nicht). Folgt man der Logik des cui bono (die in Zeiten einer durch und durch moralisierten Politik fast aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden scheint), bietet sich eine andere Erklärung an: Als universelle Gefahr definierte Männer machen segensreicherweise Interventionen nötig. »Toxic masculinity« wird ganze Kohorten von Psychotherapeuten, Ärzten, Pädagogen, Sozialarbeitern, Männerbildseminarveranstaltern, Ratgeberverfassern und anderen Spezialisten in Lohn und Brot setzen und hat dies teilweise schon getan. Von den Psychiatern, die dann die Scherben dieses Vorgehens bei beiden Geschlechtern beseitigen sollen, ganz zu schweigen − ich gehe davon aus, dass für diese goldene Zeiten anbrechen. Unter diesem Aspekt ist »giftige Männlichkeit« zuallererst Wirtschaftsfaktor und Dünger für das wuchernde Mycel von Behörden, therapeutischen Berufen und einmischungsfreudigen NGOs. Frauen sind mittlerweile zwischen Frauenrhetorikseminar und Gleichstellungsbeauftragter derart überbetreut, dass es höchste Zeit für die Bewirtschaftung einer neuen Ressource wurde. (Diese wirtschaftlich-administrative ist, wohlgemerkt, nur eine Erklärung. Komplexe ideen- und mentalitätshistorische Gründe treten dazu.)

Manche Frau ist vermutlich der Meinung, der emsig betriebene Aufbau eines neuen Feindbilds »Mann« sei ein Problem der Männer, die sich halt fortan damit herumschlagen dürften, sich für ihre schiere Existenz zu rechtfertigen. Frauen, die geneigt sein mögen, ihnen ein hämisches »Viel Freude mit der neuen Erblast!« zuzurufen, sind jedoch genauso kurzsichtig wie jene Männer, die die Domestizierungsversuche bei ihren Geschlechtsgenossen beklatschen (ein neuer und spezieller Typus des Kollaborateurs, mit dem wir uns noch beschäftigen werden). Das autoritär von oben nach unten etablierte Konzept einer »giftigen Männlichkeit« ist eine Hypothek nicht nur für Männer (vor allem für junge beeinflußbare, deren Identität noch im Werden ist), sondern ebenso sehr für jede Frau, die Männer unter ihren nahen und nächsten Bezugspersonen hat. Also vermutlich für locker fünfundneunzig Prozent aller Frauen (und daneben für die Gesamtgesellschaft, die künftig mit Männern funktionieren soll, denen man Risikofreudigkeit, Abenteuerlust und Aggression madig gemacht hat).

Deswegen macht sich die Verfasserin dieser Zeilen auch nicht zur »Stellvertreterminoritären« (»Die Stellvertreter«, TUMULT, Frühjahr 2018), wenn sie eine Kolumne über Männerhass schreibt. Männerfeindlichkeit ist ein Problem, das beide Geschlechter betrifft. Je rascher die Mehrheit der Frauen begreift, dass hier auch gegen ihre ureigensten Interessen agiert wird, umso besser.

Twitter-Screenshot

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Über die Autorin: BETTINA GRUBER, Dr. phil. habil., venia legendi für Neuere Deutsche Philologie sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Vertretungs- und Gastprofessuren in Deutschland, Österreich und den USA. Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin an der Ruhr-Universität Bochum 2005. 2015 bis 2017 im Rahmen des BMBF-Projektes FARBAKS an der TU-Dresden. Letzte Buchveröffentlichung: Bettina Gruber / Rolf Parr (Hg.): Linker Kitsch. Bekenntnisse – Ikonen−Gesamtkunstwerke. Paderborn 2015.

Weitere Beiträge von Bettina Gruber finden sich etwa in den Druckausgaben vom Sommer 2017 oder vom Winter 2017/2018.

 

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