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Bettina Gruber: »MÄNNER STINKEN« — Ekel, Misandrie und Machtumkehr bei der ZEIT

Die Literatur kennt eine lange Geschichte des Ekels vor dem weiblichen Körper. Camille Paglia hat dieses Motiv der Abwehr, das den Philologen und der Psychoanalyse in vielfältigster Abwandlung bekannt ist, zur Grundlage ihres geschlechterpessimistischen Mammutwerks Die Masken der Sexualität gemacht. Der Ekel ist dabei kein bloßes Missfallen, sondern er verweist auf eine imaginäre Bedrohung, die von der intimen Anatomie der Frau ausgeht. Diese erscheint nicht nur als hässlich, sondern durch ihre Uneinsehbarkeit zutiefst beunruhigend. Abgrenzung ist daher das oberste Gebot. Gesteigert ist dies beim Körper der alten Frau der Fall, der, von Horaz über Lessing bis Kafka, als Häufung aller physischen Schrecken gilt. Der Komparatist Winfried Menninghaus hat das und mehr Anfang der 200er Jahre in der faszinierenden, aber unerfreulichen Studie Ekel. Theorie und Geschichte eines starken Gefühls eindrucksvoll dargestellt. Da es ein Breitensport geworden ist, „Triggerwarnungen“ auszustoßen, sei bemerkt: Frauen, die sich von Zurufen auf der Straße in ihrer Menschenwürde beeinträchtigt fühlen, oder Lesern, die in der Literatur vom zwanzigsten Jahrhundert unbeirrt Höheres am Werk sehen wollen, kann man die Lektüre nicht empfehlen.

Es gibt also eine literarisierte Geschichte des männlichen Körperekels, und es wäre erstaunlich, wenn es keine weiblichen Spiegelphänomene dazu gäbe. Allerdings ist hier aus begreiflichen Gründen keine oder kaum eine Überlieferung vorhanden, denn Bildung und, noch wichtiger, Äußerungsmacht, fehlen historisch weitestgehend. Man kann das als Unterdrückung begreifen (was es in Teilen sehr wohl ist) oder aber darauf hinweisen, dass uns diese Asymmetrie grob die Hälfte aller Beschimpfungen zwischen den Geschlechtern erspart hat – Tonnen an Widerwärtigkeitsliteratur, von der wir verschont geblieben sind.

Damit ist es allerdings vorbei, denn die Verunglimpfung von Männern durch die zur Pöbelei, Obszönität und Überlegenheitsphantasien befreite Frau hat längst auch das Terrain des Körpers erreicht. Und es scheint, dass der aktuelle Typus der geschlechterpolitisch privilegierten Frau entschlossen ist, den mitlebenden Männern jede historische Ungerechtigkeit, die sie selbst nicht erlitten hat, heimzuzahlen.

Im Zeitmagazin schrieb letztes Jahr die Autorin Anna Mayr über die Vorzüge des Badens gegenüber dem Duschen, das sie als Erfindung eines französischen Gefängnisarztes in ein

eher düsteres Licht rückte. Schon als Kind wäre das Duschen mit einem besonders beworbenen Shampoo eine Enttäuschung gewesen, nur das wohlige Wannenbad brächte ihr wahre Entspannung und außerdem wäre die Duschroutine Gegenstand von Geheimnistuerei – in Wirklichkeit nämlich würden nicht alle Frauen täglich duschen, gäben dies aber nicht zu. Soweit so gut, oder jedenfalls nur milde befremdlich. Wenn die Verfasserin es für nötig hält, der Welt ihre hygienisch-balneologischen Vorlieben mitzuteilen und die Zeit wiederum für vordringlich, ihre Leser daran teilhaben zu lassen, dann ist das eben so. Wir werden ja auch über Herzogin Meghans schlechte Laune, den tiefen Schock von Staatssekretärinnen, die jemand „jung und schön“ genannt hat, und den unsagbaren Horror des Manspreading in der U-Bahn auf dem Laufenden gehalten. Das neue weibliche Ich-Spreading verlangt nach Raum, also bitte, Vorhang auf!

Aber jetzt geht’s ans Eingemachte, denn warum sehen sich Frauen veranlasst, über ihr tägliches Duschen oder Nicht-Duschen den Schleier des Schweigens zu breiten? Der alerte Leser hat es sofort erfasst: nur der bleischwere Druck omnipräsenter Männlichkeit kann das zu verantworten haben:

„Das liegt daran, dass unsere Welt von alten, dicken Männern regiert wird – und von deren Hygienestandards. Mag sein, dass der durchschnittliche Patriarchenkörper einmal täglich morgens abgespült werden muss, um erträglich zu riechen. Manchen Frauen reicht es aber vollkommen, nur alle zwei Tage zu duschen …“

Die Zeit nahm an dieser Stelle nicht nur keinen Anstoß, sie hob sie auf Twitter als Aufhänger hervor, als sie den im Oktober 2019 im Magazin erschienenen Beitrag unter dem Hashtag „Archiv“ im Juni dieses Jahres als offensichtlich besonders lesenswert hervorhob und postete.



Zwar müsste es sich nach den ansonsten bei der Zeit üblichen Standards hier mindestens um Sexismus in Tateinheit mit Altersrassismus handeln, aber mit dem „durchschnittlichen Patriarchenkörper“, der angeblich geschlechtsspezifischer Vorkehrungen bedarf, um „erträglich(!) zu riechen“, nicht genug. Frau Mayr entgegnet auf die vielleicht etwas naive, aber eigentlich fast unangemessen freundliche Frage „Wie konnte bei dir so ein merkwürdiges Männerbild entstehen?“ und „Wie kann man so abfällig über ein Geschlecht schreiben…“ mit dem unten stehenden Tweet: einem neunzehnfach wiederholten „Männer stinken“ (ein Glücksfall, dass bei Twitter die Zeichenzahl begrenzt ist)!





Es verschlägt einem weniger der Hass die Sprache als die pure Infantilität, die sich hier ausspricht. Das ist unter normalen Verhältnissen eine Umgangsform, wie man sie von Pubertierenden erwarten würde, und auch da eher in der frühen Phase dieses Lebensabschnitts. Der Tweet erinnert an beschmierte Toilettenwände oder die in ein Schulpult geritzte Schrift. Er ist keine Antwort auf eine berechtigte Frage, sondern ein Markieren eines Raums – eines Machtraums, in dem Männer auch bei höflicher Nachfrage kein Anrecht auf Antwort haben. Dass Frager keine Antwort zu bekommen brauchen, sehen offensichtlich auch die sog. editors-in-chief so, die die Twitter-Anfrage eines irritierten Lesers unbeantwortet stehen ließen.

Aussagekräftig ist sicher die Konstellation, in der uns der Männerkörper hier entgegentritt: er ist alt, dick und stinkt. Von diesem männlichen Körper geht kein Reiz aus, aber auch keine Bedrohung mehr. Er wird schlicht als unappetitlich präsentiert. Das allerdings konterkariert die Rede von „Patriarchenkörper“. Denn in einem Patriarchat ist eine solche Präsentation des Männerleibs nicht denkbar.

Die Ekeltirade zeigt wohl einen Machtverlust (in westlichen Gesellschaften!) an, den die Patriarchatsjammerinnen offenbar noch nicht mitbekommen haben. Wenn das so ist, ist er selbst zugefügt. Unfassbar beschränkte Einlassungen wie die im Deutschlandfunk verbreitete eines evangelischen Theologen tragen dazu bei, diskriminierende Aussagen wie diese zu legitimieren. Man möchte gerne darauf hinweisen, dass, alte, dicke Männer hin oder her, noch nie so viele Frauen in so entscheidenden Positionen tätig gewesen sind. In Deutschland allerdings, nimmt man das politische Spitzenpersonal, mit singulär katastrophalen Konsequenzen. Hier herrscht übrigens, was Frau Mayr vielleicht entgangen ist, eine kräftigere ältere Dame. Ich lehne deren Politik in toto ab, aber ich käme nie auf die Idee, mir Gedanken über ihr Duschverhalten zu machen, geschweige denn, mich dazu zu äußern.

Nun mag es sein, dass in diesem Fall eine spezifische biographische Konstellation die Autorin zu solchen Aussagen gebracht hat. Aber das ist nicht von Belang. Interessant ist lediglich, dass sexistischer Ekel an Männer ausgestellt werden kann, dass ein als seriös geltendes Organ diesem Ekel eine Bühne geboten hat und schließlich, dass der Artikel unbeanstandet stehen bleiben konnte. Es handelt sich ja nicht um Kunst, sondern um ein journalistisches Elaborat. Gewiss gilt für ein solches die Meinungsfreiheit, allerdings ist die Diffamierung der halben Menschheit kein überzeugender Ausweis für ein stets auf seine Menschenliebe pochendes Blatt. Der Begriff der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ wurde im schönen Bielefeld zwar nicht für Fälle wie diesen erfunden, aber ausnahmsweise einmal trifft er exakt zu.




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Über die Autorin:

BETTINA GRUBER, Dr. phil. habil., venia legendi für Neuere Deutsche Philologie sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Vertretungs- und Gastprofessuren in Deutschland, Österreich und den USA. Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin an der Ruhr-Universität Bochum 2005. 2015 bis 2017 im Rahmen des BMBF-Projektes FARBAKS an der TU-Dresden. Letzte Buchveröffentlichung: Bettina Gruber / Rolf Parr (Hg.): Linker Kitsch. Bekenntnisse – Ikonen−Gesamtkunstwerke. Paderborn 2015.



 

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