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Bettina Gruber: Da Capo II: SEIFENOPER »RECHTSEXTREMISMUS« – Der Tragödie Zweiter Teil.

In ihrem Nachschub zur zeitgenössischen »never ending story« nimmt Bettina Gruber zum einen tatsächliche Schwerstkriminelle ins Visier, die sich kaum retten können vor Anwerbungsversuchen und ähnlichen Sympathiebekundungen von Seiten der kulturellen und politmedialen Hautvolee, zum anderen jene Meinungsverbrecher, die auch und gerade deswegen nicht auf allzu baldige Resozialisierung hoffen dürfen, weil sie bei der Durchsetzung ihrer Anliegen bisher dreist auf Waffengewalt verzichten.



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»Das Problem ist real. Es sind rechtsextreme Netzwerke, die eine echte Gefahr für die Menschen darstellen. Wie glaubwürdig kann ein FPÖ-Innenminister sein, dessen Fraktion immer wieder Berührungspunkte mit rechtsextremen Netzwerken zu haben scheint?«



Soweit Pamela Rendi-Wagner, die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, am 28. März auf Facebook. Man sieht, sie kann sehr zupackend sein, wenn es nicht gerade um IS-Kämpfer geht, die es sich in Wiener Gemeindebauten gemütlich machen. – auf Kosten und mitten im Habitat der bescheideneren steuerzahlenden Klientel, die Sozialdemokraten eigentlich vertretet sollten und vor langer Zeit auch vertreten haben. Hierbei muss es sich allerdings um ein irreales Problem handeln, das keine echte Gefahr für »die Menschen« darstellt. IS-Attentate sind ja bekanntlich harmlose Inszenierungen und dieses ganze Blut ist immer nur Ketch-Up.


Die Antwort auf Frau Rendi-Wagners Frage ist übrigens ziemlich einfach. Der Innenminister kann vollkommen glaubwürdig sein, denn wenn sie damit die Identitären gemeint hat: Die sind alles Mögliche, aber »rechtsextrem“ sicherlich nicht. Man könnte das schon anhand der eisernen Beharrlichkeit erahnen, mit welcher die Medien statt »die Identitäre Bewegung“ ausschließlich »die rechtsextreme Identitäre Bewegung« schreiben. Ohne dieses Framing geht es nicht, der Leser könnte sich sonst noch informieren wollen, um was für eine Bewegung es sich tatsächlich handelt.


Natürlich ist das Definitionssache, aber vollkommen willkürlich sind auch Definitionen keineswegs, jedenfalls nicht die, die etwas taugen. Die intensivste Auseinandersetzung mit dem Extremismusbegriff in seiner Anwendung auf die IB findet sich in einer vom Co-Chef der IBÖ, Patrik Lenart, erstellten fünfzigseitigen Analyse, deren Lektüre ich jedem, wirklich jedem, vor allem aber mainstreammedial vorgeschädigten Lesern ans Herz legen möchte. Ungeachtet der naturgemäß parteilichen Ausgangssituation des Verfassers habe ich selten eine Untersuchung gelesen, auf die die Wendung sine ira et studio annähernd so gut gepasst hätte. Von Medien, Parteipolitikern und »Experten« kann man sich eine vergleichbare Sachlichkeit und begriffliche Trennschärfe nur wünschen. Leider zieht man die Vorverurteilung einer, zur Abwechslung mal wirklich non-konformen, Jugendbewegung vor.


Wie jeder Proportion verlustig, ja grotesk die derzeit geführte Debatte ist, verdeutliche man sich an folgendem kleinem Rückblick in die Extremismusgeschichte der benachbarten Bundesrepublik: Der RAF-Terrorist Christian Klar, verurteilt wegen neunfachen(!) vollendeten und elffachen versuchten Mordes, fand nach seiner Entlassung Beschäftigung im Deutschen Bundestag. Anscheinend fiel dies 2016 erst nach Jahren auf, als der ihn beschäftigende Bundestagsabgeordnete der Linken einen Hausausweis für ihn beantragte. Politiker seiner Partei standen nicht an, diese Anstellung eines erklärten Systemhassers im Herzen der deutschen Demokratie zu rechtfertigen. »Sein« Abgeordneter (der laut Spiegel die Wahl zwischen Wulff und Gauck mit der zwischen Hitler und Stalin verglichen hatte) erklärte völlig tiefenentspannt, Herr Klar mache ja »nur die Technik«. Na, da kann ja nichts schiefgehen.


Nicht ganz so krass, aber auch nicht ohne Charme ist die Geschichte des wegen Mordversuchs und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilten Christoph Wackernagel. Hier setzte sich Regisseur Claus Peymann für eine Freilassung ein und besorgte Wackernagel einen Job als Regieassistent am Bochumer Schauspielhaus.


Wohlgemerkt: Was ich kritisiere, ist nicht die Resozialisierung politischer Straftäter. Der fragliche Linken-Abgeordnete bemerkt auf seiner Homepage zur Causa Klar: »Rechtstaat ist: keine Diskriminierung nach Verbüßung der Haft.« Dem ist nichts hinzuzufügen. Aber das ist nicht der Punkt. Denn als sonderlich eifrig, unpolitischen Schwerkriminellen im Namen dieses Prinzips zu Hilfe zu eilen, ist auf der Linken niemand bekannt geworden. Diese sehr selektive Humanität gründet natürlich in weltanschaulichen Sympathien, die im Kultur- und Medienbetrieb nicht nur geduldet sind, sondern mehr oder weniger die Norm darstellen.


Gemessen an diesen Maßstäben müssten längst Scharen hyperventilierender Abgeordneter, Journalisten und Kulturschaffender für Sellners Meinungsfreiheit auf der Straße sein. Der ist nämlich nicht nur kein Mörder, auch kein versuchter Mörder und schon gar kein Terrorist, sondern meines Wissens bislang völlig unbescholten. Wendete man die Logik, die bei Klar und Wackernagel gewaltet hat, auf seinen Fall an, müsste er es mittlerweile mindestens zum Burgtheaterdirektor oder ins Verteidigungsministerium gebracht haben.


Steht bloß die fehlende Gewalttätigkeit der Sympathie des Establishments im Wege? Der Mann ist schließlich in der Rubrik des edlen Verbrechers nicht unterzubringen, weil er nichts verbrochen hat und resozialisieren kann man ihn auch nicht, weil er nie »desozialisiert« war. Kein Rauschgift, keine Toten, keine gefährlichen Drohungen, keine Banküberfälle, keine angezündeten Autos oder Kaufhäuser, nicht einmal eingeschlagene oder auch nur beschmierte Scheiben. Damit muss man als Linker doch fremdeln. Es fehlt einfach, was Luhmann die »Anschlussfähigkeit« nannte, der Stallgeruch, der besorgten Starregisseuren schlaflose Nächte bereitet und sogar Abgeordnete der Linken ihre soziale Ader entdecken lässt. Die Kampagne gegen die IB folgt daher der hoffnungsvollen Maxime: »Was nicht ist, kann noch werden.« Wer weiß, wer daran arbeitet.


Aber, nein! Es ist natürlich nicht nur diese dröge Abwesenheit des Verbrecherischen, dieses Fehlen jeder kriminellen Energie, dieses sture Beharren auf Rechtsstaatlichkeit statt gehorsam den finstern Glanz des Terrorismus zu verbreiten, was diese Rufmord-Kampagne an einer Gruppe junger Menschen auf den Weg gebracht hat. (Auch wenn man zugeben muss, dass die Gewaltlosigkeit der IB die Antifanten-Linke im Vergleich so miserabel aussehen lässt, dass gewisse Aggressionen nachvollziehbar sind.).


Es ist ein viel elementarerer Verstoß. Die Identitäre Bewegung verstößt gegen ein ungeschriebenes Gesetz der »bunten«, postmodernen, vermeintlich-noch-linken Linken (doch, doch, sie ist postmodern). Dieses lautet, dass in »westlichen« Gesellschaften eine Gruppe, die als nicht-minoritär angesehen wird, kein Recht auf Vertretung ihrer Interessen hat, sondern sich gefälligst der Vertretung anderer, »unterdrückter« Gruppen zu widmen habe. (Natürlich ist das alles andere als ein klassisch linker Grundsatz.) Die Identitären haben den unverzeihlichen Faux-Pas begangen, zunächst zu konstatieren, dass eine junge autochthone Generation mit eigenen Interessen überhaupt existiert und dann auch noch die Frechheit besessen, diese eigenen Interessen vertreten zu wollen.


Hätten sie sich mit gleicher Verve, gleichen Aktionen und gleicher begrifflicher Ausstattung für einen Indianerstamm am Amazonas eingesetzt, wäre das Wohlwollen allgemein gewesen. So dagegen haben sie die Lebenslüge linksbunter Politik vorgeführt: die Vorstellung, dass Politik nicht primär Interessen folgt, sondern moralischen Grundsätzen, ja dass Politik und Moral sich als deckungsgleiche Sphären etablieren ließen. Moral besteht für Europäer dann darin, sich als Gruppe mit maximaler Energie selbst zu benachteiligen. Mit ihren Aktionen diese hegemoniale Ideologie in all ihrer Absurdität kenntlich gemacht zu haben, ist eine Form der Geschäftsstörung, die nicht hingenommen werden kann. Da kommt es auf das Ruinieren der Existenzen einer Handvoll junger Erwachsener wirklich nicht an. Geschieht schließlich im Namen der Humanität.






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Über die Autorin:


BETTINA GRUBER, Dr. phil. habil., venia legendi für Neuere Deutsche Philologie sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Vertretungs- und Gastprofessuren in Deutschland, Österreich und den USA. Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin an der Ruhr-Universität Bochum 2005. 2015 bis 2017 im Rahmen des BMBF-Projektes FARBAKS an der TU-Dresden. Letzte Buchveröffentlichung: Bettina Gruber / Rolf Parr (Hg.): Linker Kitsch. Bekenntnisse – Ikonen−Gesamtkunstwerke. Paderborn 2015.



 

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