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Beate Broßmann: PROSTITUTIONSZYKLUS. Fünf Anekdoten in Kleist'scher Manier (IV)

N., ein erfolgversprechender Nachwuchswissenschaftler auf der Suche nach der historischen Wahrheit, der 1987 noch Kandidat der SED wurde, weil das Stattfinden der Perestroika in der damaligen Sowjetunion ihn zu dem Schluss verleitete, politische Reformen seien von den herrschenden Parteien wohl am besten selbst einzuleiten, versuchte sich im neuen Deutschland nach der Vernichtung seines Arbeitsplatzes im Beruf des Fernsehjournalisten.


Anfänglich drehte er für das öffentlich - rechtliche Fernsehen anspruchsvolle und von wachem kritischen Bewusstsein zeugende Filme als Bestandteil der qualitativ unterschiedlich zu bewertenden Informationssendungen darüber, was zu jener Zeit SED-Unrechtsregime genannt wurde.


Da westdeutsche Journalisten Themen solcher Art aber mit mehr Schlagkraft und Eindeutigkeit hinsichtlich des zu verwendenden Vokabulars präsentieren konnten und dieses darüber hinaus bald schon als ausreichend abgehandelt galt, fiel es dem Berufsanfänger immer schwerer, Themen vorzuschlagen, die das Interesse von Sendeanstalten und deren Redaktionen fanden.


Schließlich bekam er einige Aufträge für ein Magazin eines Privatsenders. Daraufhin angesprochen, dass weder der Sender im Allgemeinen, noch dieses Magazin im Besonderen in dem Ruf standen, Informationen unter dem Gesichtspunkt von Bildung und Aufklärung auszuwählen und zu verbreiten, erwiderte er: „Das mag schon sein. Aber ich mache die Beiträge nur. Ich sehe sie mir nicht an.“





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Über die Autorin:


Beate Broßmann, 1961 in Leipzig geboren, erfolgreiches Philosophie-Studium, vor der „Wende“ in der DDR Engagement für demokratische Reformen, später Mitglied der oppositionellen Vereinigung „Demokratischer Aufbruch“.


Seit 2018 Autorin bei www.anbruch-magazin.de.





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