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Beate Broßmann: ERKLÄR MIR SACHSEN!

Gespräch des DLF-Moderators Carsten Hueck mit Michael Krell, einem der beiden Herausgeber des Sammelbandes „Sächsische Realitäten. Analysen aktueller Protestphänomene der radikalen Rechten in Sachsen“ in der Sendung „Büchermarkt“ vom 21.6.2024.



Dresden, Innere Neustadt VSchagow, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons


Der Band kommt akademisch daher. Es werden in einem fort Studien und  Fachliteratur von Kollegen zitiert, so daß der Leser den Eindruck gewinnt, hier sei schon viel und lange geforscht worden und man habe es mit seriöser Wissenschaft zu tun. Liest man allerdings das Vorwort und hört sich das Interview im DLF mit einem der Herausgeber, Michael Krell, an, wird einem schnell klar, daß man es erstens mit Hofschranzen zu tun hat und zweitens der Herausgeber und Verfasser des Aufsatzes „Sachsen first“ nicht der hellste Stern am akademischen Abendhimmel ist. Aber warum sollte er auch: der „Kampf gegen Rechts“ ist ein prosperierender Wirtschaftszweig, und des Staates Füllhorn wird über Krethi und Plethi ausgeschüttet.


Anhand eines Vorwortes für ein bestelltes Produkt und eines Gespräches mit geschlossenem Ausgang wird das ganze Debakel des gesellschaftlich-politischen Herrschaftsdiskurses deutlich. Man will nicht hören, sondern verurteilen, man will nicht reden, sondern unterstellen. Und hernach steht man vor Wahlergebnissen, die man befürchtet hatte, die man aber nicht versteht bzw. mißversteht, so daß sich auf beiden Seiten Frustration und Kampfeslust gegeneinander aufschaukeln, bis alles in Scherben fällt.

Die Partei „Freie Sachsen“ ist eine Sammlungsbewegung radikaler rechter Akteure, hören und lesen wir. Diese haben als Verschwörungsrevisionisten die an sich schon verschwörungsrevisionistischen Querdenker gefügig gemacht. So schlau wie perfide haben sie aus den Erfahrungen der NPD gelernt, sind modern und gut organisiert und nutzen jedes Thema dazu, ihr rechtsextremistisches Gedankengut unter die Leute zu bringen. Sich des Corona-Protestes bedienend, hat sich die Neonazi-Szene reorganisiert. Zu den konkreten Zielen dieser Regionalpartei sagt Krell kein Wort. Es genügt, daß der Verfassungsschutz sie als „gesichert rechtsextrem“ einstuft. Der muß es ja wissen! Wir brauchen dafür keinen Gehirnschmalz mehr zu investieren.


Auf die Frage Huecks, ob es zwischen der seit der Wende regierenden sächsischen CDU und den „Freien Sachsen“ Gespräche gebe, antwortet der Afterwissenschaftler: Wieso denn? Die sind doch gesichert rechtsextrem! Natürlich nicht. Er ergänzt: der Ministerpräsident habe ihnen immer wieder Gesprächsangebote unterbreitet, um die Fehlgeleiteten vom demokratischen Diskurs zu überzeugen, obwohl diese Menschengruppe „gesichert rechtsextreme Bestrebungen verfolgt – mit dem Ziel, die Demokratie im Endeffekt abzuschaffen.“ Krells Vorwurf: Die CDU hat sich nicht genügend abgegrenzt. Als ob Huecks Frage nicht das Gegenteil insinuiert hätte.


Der Moderator des DLF steht dem „Wissenschaftler“ allerdings an Beschränktheit in nichts nach, wenn er zu wissen glaubt, daß Sachsen ja über eine lange Tradition in Bezug auf die Verankerung rechtsradikalen Denkens in der Bevölkerung verfügt. Und wörtlich: „Das heißt auch, das bürgerliche Milieu ist ja bereits infiziert!“


Ja, das ist das Niveau der gegenwärtigen geisteswissenschaftlichen Forschung und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ostdeutsche Bürgertum ist infiziert. Ein heimtückischer Virus ist über die fünf Bundesländer gekommen und hat den ahnungslosen, glücklichen Bewohnern des wiedervereinten deutschen Landes (Gebiet Ost) die Gehirne vernebelt und sie um den Verstand gebracht. Da hilft kein Zuhören und kein Gespräch. Bewahre: man könnte sich ja anstecken! Deshalb haben sie nicht an das Corona-Virus geglaubt: weil sie allesamt angesteckt sind von einem viel schlimmeren Virus. Jetzt begreifen wir das! Ob Impfungen da noch etwas bringen? Sie sind ja schon infiziert, schon fast zwanzig Jahre sind ja vergangen, seit die ersten Infizierten auf die Straße gingen, um möglichst viele Dresdner Mitmenschen anzustecken. Und dann breitete sich die Seuche in ganz Sachsen aus. Thüringen wurde erfaßt. Sachsen-Anhalt und sogar Brandenburg. Nur die Berliner waren irgendwie immun…


Ja, dann bleiben uns wohl nur noch Exorzismus und Umerziehungslager. Pardon: Deterritorialisierung. Oder sollte man die Antifa bewaffnen? Aber die Ostdeutschen verfügen ja noch über eine andere Traditionslinie: das Bauen perfekter Mauern…


Sächsische Realitäten. Analysen aktueller Protestphänomene der radikalen Rechten in Sachsen. Herausgegeben von Michael Krell und Tom Böhme. Thelem Universitäts- und Buchverlag: Dresden und München 2024


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Über die Autorin: Beate Broßmann, 1961 in Leipzig geboren, erfolgreiches Philosophie-Studium, vor der „Wende“ in der DDR Engagement für demokratische Reformen, später Mitglied der oppositionellen Vereinigung „Demokratischer Aufbruch“.





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