Unter dem Titel 'Untergangster im Untergang' lud der sächsische Ableger der Heinrich-Böll-Stiftung am 14. November 2019 zu "Input und Diskussion über die Ideologie der 'Identitären' und ihre Aktivitäten in Dresden" ins Hörsaalzentrum der Technischen Universität. Angehörigen oder Sympathisanten rechtsextremer Vereinigungen oder Positionen gegenüber, so ließ man im Ankündigungsschreiben sicherheitshalber verlauten, behalte man sich im Rahmen einer 'Antidiskriminierungs-Regel' die Einlassverweigerung vor. Eine liberale Studentin im ersten Semester nahm die Einlass-Hürde offenbar mühelos und spielte uns über Umwege ihren Erlebnisbericht zur Veranstaltung zu, den wir im Folgenden dokumentieren.
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Mein Name ist Alicia B.[1] und ich studiere im ersten Semester an der TU Dresden. Politisch betrachte ich mich im weitesten Sinn als liberal und stehe auf dem Standpunkt, dass immer auch die andere Seite gehört werden muss.
Da ich schon in der Schule überdurchschnittlich politikinteressiert war, habe ich die Gelegenheit ergriffen, letzte Woche eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen - „Weiterdenken“ - zu besuchen. Diese fand im Hörsaalzentrum statt, ich konnte also davon ausgehen, dass es sich dort um wissenschaftlich seriöse Inhalte handeln würde. Wenn ich etwas nachgedacht hätte, hätte mich allerdings schon der Titel zweifeln lassen müssen. Es sollte sich um eine politikwissenschaftliche Veranstaltung über die sog. „Identitäre Bewegung“ handeln.
Da ich davon bis dahin nur sehr vage beunruhigende Dinge gehört hatte, erwartete ich mir von dem Abend gesicherte Informationen und eine verlässliche Einordnung - und das sollten sich Studenten, die ihre bei den heutigen Studienplänen knappe Zeit opfern, sich auch erwarten können. Der Titel allerdings lautete eher halbseiden: „Untergangster im Untergang.“
Dieser Abend begann damit, dass sich zunächst die Vortragenden vorstellten: Judith G., eine österreichische Politikwissenschaftlerin, Danilo S., ein Mann mittleren Alters, der seit 15 Jahren in Chemnitz für eine Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus arbeitet, und ein ganz junger Mann namens Marco P., der als einzige Qualifikation die Bezeichnung „Antifaschist“ vorweisen konnte. (Wenn „Antifaschist“ eine fachliche Qualifikation für irgendetwas darstellen soll, dann wäre „Rechtsradikaler“ ja auch eine.)
Um es vorwegzunehmen: ich checkte auf meinem Handy die Namen. Die Politikwissenschaftlerin, die hier erklären sollte, was „rechtsextrem“ sei, ist Mitglied der österreichischen Kommunistischen Partei Österreich (KPÖ) - und bildet in Wien Lehrerinnen aus. Nun sollten Wissenschaftler eher nicht mit ihrem Gegenstand sympathisieren, aber dass sie ihn geradezu hassen, ist doch wohl eine noch schlechtere Voraussetzung für wissenschaftliche Wahrheitsfindung. Hier hat die Heinrich-Böll-Stiftung, das wurde im weiteren Verlauf des Abends klar, den Bock zum Gärtner gemacht.
Die Österreicherin stellte die Grundansätze der Identitären dar, allerdings keineswegs neutral. Bei sämtlichen Begriffen, die diese Bewegung von der alten Rechten unterscheiden, betonte sie immer wieder, dass es sich dabei bloß um ein Täuschungsmanöver handle, das den „wahren“ Nazi-Charakter verdecken solle. Sogar mir als Studentin im ersten Semester ist klar, dass dieses „Argument“ keines ist. Politische Konzepte, die von älteren Vorstellungen abweichen, unterscheiden sich von diesen damit ja ganz real. Man „täuscht“ damit niemanden, sondern man hat ganz einfach ein anderes Programm. Politik funktioniert nicht über tief im intern versteckte (böse oder gute) Absichten, sondern über das, was Einzelne oder Gruppen nach außen tragen und tun.
Und zum „tun“ gehören eben auch Sprache und Programmatik. Hier wurde die nächste Unsauberkeit und Unredlichkeit in der Argumentation sichtbar. Denn die Vortragende behauptete, die IB pflege eine gewalttätige Sprache, die dann auch zu körperlicher Gewalt führen müsse. Nun kann ich die Frage der Sprache nicht beurteilen, da ich mich bislang kaum mit dieser Gruppierung beschäftigt hatte. Als liberale Person sind mir beide Enden des politischen Spektrums von Haus aus eher suspekt. Mein großes Vorbild ist Hildegard Hamm-Brücher. Ganz klar (und sehr peinlich) war aber, dass Frau G., nachdem sie immer wieder die Gefährlichkeit und Gewalttätigkeit der Gruppe betont hatte, kein einziges handfestes Beispiel von Gewalt aufzählen konnte. Sie blieb da ganz im Vagen und das sagte für mich eigentlich alles: Die Identitären mögen nicht besonders sympathisch sein, aber gewalttätig sind sie nun gerade nicht.
Mein Versuch, das in den nächsten Tagen nachzurecherchieren, hat auch nichts anderes ergeben. Das dramatischste war schon die Tatsache, dass der Vizerektor der Universität Klagenfurt bei einer Auseinandersetzung ein Schubs erhalten hatte. Daraus eine Verbrecherbande zu stricken, ist schon ein bisschen sehr steil, insbesondere wenn man mehr oder weniger im gleichen Atemzug erklärt, wie wichtig „antifaschistische Aktionen“ seien. Was „antifaschistische Aktion“ bedeuten kann, hat man gesehen, als neulich 'Antifaschisten' in Leipzig in die Wohnung der Angestellten eines Immobilienkonzerns eindrangen. Der hatte ein Bauprojekt, das ihnen nicht passte - mit dem Ergebnis, dass sie die junge Frau in ihrer eigenen Wohnung überfielen und zusammenschlugen.
Diese extreme Einseitigkeit ist wirklich ärgerlich, das Ärgerlichste aber sollte noch kommen: Nach dem alle drei Referenten „aufgeklärt“ hatten, meldete sich eine schwarzverschleierte junge Frau zu Wort und trug mit etwas zittriger Stimme auf Englisch ihre Besorgnis vor: Sie studiere in Dresden, habe sich bis jetzt sehr wohlgefühlt, die Stadt sei so schön und die Leute freundlich. Aber jetzt habe sie Angst bekommen und wolle wissen, wie gefährlich die Lage sei und wie sie sich schützen könne. Darauf ergreift der Rechtsextremismus-Berater aus Chemnitz das Wort und erklärt in dramatischem Tonfall, die Lage würde immer schlimmer und in Chemnitz gäbe es drei bis vier Übergriffe auf Migranten - pro Tag. Glücklicherweise gebe es einen Arabischen Kulturverein mit drei- bis viertausend Mitgliedern (!), den er ermutigen würde, „Widerstand“ zu leisten. An dieser Stelle war ich wirklich fassungslos. Das klang nicht nach der Beobachtung von Radikalen oder Extremisten, sondern schon eher nach dem Schüren von Bürgerkrieg. Der antifaschistische Herr P. aus Dresden wiegelte denn auch sofort ab und schlug versöhnlichere Töne an.
Den Clou des Abends erzielte in der Fragerunde ein bärtiger älterer Herr. Er hob artig die Hand und wollte wissen, warum denn niemand vom Verfassungsschutz eingeladen worden sie. Eigentlich eine berechtigte Frage. Die Antwort sprach Bände: Die Vortragenden reagierten einhellig pikiert: Der Verfassungsschutz, so ließ das Trio verlauten, habe seinen Erkenntnissen nichts Neues hinzuzufügen. Im Gegenteil, er hinke hinter den „Recherchen der Antifa“ (auf die man sich offensichtlich den ganzen Abend hoch wissenschaftlich bezogen hatte) her. Später steckte mir ein Sitznachbar, dass Antifanten die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes prinzipiell als „Turnbeutelvergesser“ titulieren.
Ob das Amt das gerne hört? Na ja. „Weiterdenken“ scheint für die Heinrich-Böll-Stiftung in Sachsen jedenfalls ein ziemlich unpassendes Motto zu sein. Und mein Vertrauen in politische Stiftungen ist bei solchen Veranstaltungen jedenfalls erstmal im Keller.
[1] Wir haben den Namen geändert. Die junge Frau war angesichts der Aggressivität „antifaschistischer“ Elemente unter ihren Kommilitonen so eingeschüchtert, dass sie ihren Bericht nicht einmal in den Computer tippen wollte, weil sie fürchtete „gehackt“ zu werden. Sie übergab ihn einem unserer Redaktionsmitglieder handschriftlich. So viel zum Wohlfühlfaktor an linksbeherrschten Universitäten.
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