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Adorján Kovács: ÜBER DIE SOGENANNTE AUFKLÄRUNG UND IHRE BEGRIFFE

Linksradikale haben eine mittlerweile 200 Jahre alte Taktik: Sie klagen ihre Feinde immer genau der Taten an, die sie selbst begehen. So meinten kürzlich mal wieder zwei von ihnen (Floskelwolke), dass „rechtskonservative bis rechtsextreme Kreise Begriffe und Formulierungen kapern und zweckentfremden“, z. B. den Begriff der Freiheit. Das ist sehr lustig. Während Autoren wie Thor Kunkel in seinem „Wörterbuch der Lügenpresse“ oder Michael Esders in seinem „Sprachregime“ die aktuellen Verdrehungen der linken Sprachterroristen untersuchen, muss für die Ursachensuche geschichtlich weiter zurückgeschaut werden. Denn diejenigen, die ständig die angeblichen und tatsächlichen Werte der sogenannten Aufklärung im Munde führen, vermeiden es, genau zu definieren, was sie denn unter „Aufklärung“ bzw. ihren Werten verstehen.



Museum of the French Revolution, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons


Sie meinen, es nicht nötig zu haben. Das liegt an der Anmaßung, der die Anhänger der sogenannten Aufklärung seit dem 18. Jahrhundert bis heute unterliegen und die sich schon im Namen zeigt: Es handelt sich um ein lupenreines Selbstlob, was an sich schon ausreichen müsste, um den Begriff selbst verdächtig zu machen. Die Aufgeklärten seien demnach hellwache Menschen und vertreten das Richtige, die Anderen dagegen tumbe Menschen, die noch der Aufklärung bedürfen. Das kennen wir doch: Sind nicht die Grünen und die Woken, ja, der ganze digitalfinanzielle Komplex, der den Great Reset betreibt, auch erleuchtet? Illuminiert? Nicht zu hinterfragen? Und trotzdem meinen Konservative wie die Gründer der „Denkfabrik Republik 21“ oder der Historiker Egon Flaig, sich auf die Werte der Aufklärung beziehen zu müssen.


Auch die verwendete Lichtmetaphorik ist hochaggressiv: Das Dunkel und dessen Anhänger müssen besiegt werden, sie müssen dem Licht weichen. Was ist aber nun das Dunkel, das so dringend besiegt werden muss? Der Feind, dessen Existenz die Aufgeklärten motiviert? Es ist Gott. Der Glaube an Gott war und ist für alle sogenannten Aufklärer das eigentliche Problem, um das es im Wesentlichen geht. Der Historiker Dan Diner hat zwar in einem Büchlein, bezeichnend pluralisch mit „Aufklärungen. Wege in die Moderne“ betitelt, versucht, zu moderieren und die Unterschiede zwischen der radikalen französischen und der gemäßigten angelsächsischen Aufklärung beschrieben. Der wesentliche Unterschied war das Verhältnis zum Christentum und da vor allem zur katholischen Kirche, denn die terroristisch-exterminatorische antiklerikale Qualität der philosophisch dilettierenden Schriftsteller Diderot, Voltaire, Rousseau hatten Denker wie Locke, Berkeley und sogar Hume nie. Und das lag nicht nur daran, dass sie in einem protestantischen Staat lebten, sondern auch an einer sachlicheren Auffassung von Philosophie. Leider rettet die Brücke, die Diner bauen wollte, die Präpotenz der Aufklärung nicht. Der Begriff der Aufklärung ist selbst schon das Problem. Und gebiert seitdem immer wieder aufs Neue Verwirrungen.


Was sind denn die sogenannten Werte der Aufklärung? Ich folge hier den Ausführungen von Alexander Ulfig: Sie verfolge, schreibt er in seinem Buch über „Das bedrohte Vermächtnis der Aufklärung“, „das Ziel, auf Tradition und Autorität zurückgreifende Ansichten, sei es religiöser oder politischer Art, einer kritischen Prüfung zu unterziehen und diese Ansichten – falls sie der Prüfung nicht standhalten – zu revidieren beziehungsweise durch andere Überzeugungen zu ersetzen. Die menschliche Vernunft und nicht eine göttliche Instanz gilt dabei als das Richtmaß des Denkens und Handelns.“ Gott ist also durch den Menschen ersetzt worden. Entsprechend wird das Zeitalter der Aufklärung auch Zeitalter der Vernunft genannt, als ob es vorher, vor allem im erst von den sogenannten Aufklärern verzeichneten und dann verachteten Mittelalter, keinen Gebrauch von Vernunft gegeben hätte. Auch hier zeigt sich die denunziatorische Hybris und die Begriffsverwirrung, welche die sogenannten Aufgeklärten bis heute kennzeichnet.


Alexander Ulfig weiter: „Die in der Aufklärung vertretenen Werte, Ideale und Rechte wie Menschenwürde, Freiheit, Selbstbestimmung (Autonomie) und Unabhängigkeit haben einen universellen, d. h. für alle Menschen geltenden Charakter. Sie bestimmen bis heute das Selbst- und Weltverständnis des modernen Menschen und sind [angeblich, A.K] grundlegend für die Entstehung von freiheitlichen und demokratischen Gesellschaftsordnungen und Staatsgebilden. Erwachsen aus der Aufklärung sind die moderne Wissenschaft, der Individualismus, die moderne Religionskritik sowie die universellen Menschenrechte wie die Meinungsfreiheit.“ So wird es jedenfalls in einer gewaltigen Begriffsverwirrung postuliert. Schaut man genau hin, dann sind diese sogenannten Werte nichts Anderes als Lehren des Philosophen Immanuel Kant, in dessen Werk die Aufklärung theoretisch kulminierte, indem er die Lehren seiner Vorläufer zusammenfasste.


Es handelt sich bei der sogenannten Aufklärung schlicht um einen sehr erfolgreichen Propagandabegriff, der die Ideologie einer Gruppe von Schriftstellern und Philosophen des 18. Jahrhunderts, vor allem aber die Lehre eines einzelnen Philosophen, nämlich Kants, bis in unsere Zeit transportiert (so der Philosoph Daniel von Wachter). Zeitgleich mit ihr gab es aber unzählige Philosophen wie Knutzen und Crusius sowie Journalisten wie Burke und Görres, die ganz andere Überzeugungen vertraten. Nicht durch bessere Argumente, sondern durch Zensurmaßnahmen staatlicher Stellen des „aufgeklärten“, also atheistischen Absolutismus, vor allem aber durch die kirchen- und christenfeindliche Politik der säkularen Republiken seit 1789 sind diese Kritiker mit Gewalt zum Schweigen oder um ihren Einfluss gebracht worden.


Tatsächlich gehört die aus den Ideen der sogenannten Aufklärung hervorgegangene Französische Revolution zu den abstoßendesten und schädlichsten Ereignissen der gesamten Menschheitsgeschichte. Wer die Ideologie der sogenannten Aufklärung preist, relativiert die Massenexekutionen durch die Guillotine, den Völkermord in der Vendée, die chauvinistischen und imperialistischen Eroberungskriege im Namen der „Vernunft“ und der „Freiheit“ mit Millionen Toten, die Christenverfolgungen, die atheistischen Totalitarismen des 20. Jh.s mit ihren millionenfachen Massenmorden. Das ist die eigentliche Frucht der atheistischen Aufklärung (auch das höchste Wesen Robespierres war Atheismus), und nicht „Menschenwürde, Freiheit, Selbstbestimmung (Autonomie) und Unabhängigkeit“, wie im Einklang mit dem „aufgeklärten“ Zeitgeist behauptet wird, wobei diese Begriffe ja zu hinterfragen sind. Sie sind in ihrer Bedeutung nämlich entweder vollkommen verzerrt worden, wie Freiheit oder Selbstbestimmung, oder leer, wie Autonomie und Unabhängigkeit.


Die menschliche Vernunft galt auch für Theisten wie den Aquinaten, Duns, Occam, Descartes, Leibniz, Hegel als das Richtmaß des Denkens und Handelns. Sie war nur nicht, wie im „aufgeklärten“ Humanismus, absolut gesetzt. Auch die Werte des Christentums waren und sind universell; die Werte der „Aufklärung“ können aus dem Menschen heraus gar nicht begründet werden und sind, wie alle modernen Ideologien, säkularisierte Häresien des Christentums. So ist der Individualismus ebenfalls eine christliche Erfindung, heute modern pervertiert. Partikulare Werte und Sonderrechte sind gnostische Rezidive. Erleuchtete wie „woke“ Klimaschützer und Identitätspolitiker zwingen alle Nichtkonformen zu ihrem Glück. Einen wissenschaftlichen Fortschritt hat es in einer christlich-monarchischen Ordnung auch gegeben, wie dies das 17. und 18., auch noch das 19. Jahrhundert zeigen konnten. Die Absolut-Setzung der Wissenschaft im modernen Szientismus manipuliert heute die Massen stärker als je die christliche Religion und wird zu neuen Problemen führen, wie bei den staatlichen Zwangsmaßnahmen zur Corona-Pandemie sichtbar wurde. Den säkularen Staat gibt es nicht, er ist natürlich ein atheistischer Staat mit einer atheistischen Ideologie.


Immanuel Kant formulierte seine berühmte Antwort auf die Frage, was Aufklärung sei: „AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ Es ist eine groteske Tatsache, dass die selbsternannten Aufgeklärten, die behaupten, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, nichts anderes sind als Anhänger Kants, die dessen Ideen nachbeten und sich ständig auf ihn berufen. Angeblich autoritätskritisch, zitieren sie doch mit Kant ununterbrochen eine für sie sakrosankte Autorität. Aufklärer unterliegen einem performativen Widerspruch, der grotesker nicht sein könnte. Sie sind keine Selbstdenker, sondern Kantische Abziehbilder. Sie sind aber zuvorderst Feinde des Christentums.


Eine Gesundung der Verhältnisse kann, so sagen die Kritiker des gegenwärtigen Kulturkampfs, der sich ja mit der Cancel Culture zum kulturellen Terrorismus ausgewachsen hat, nur durch die Sanierung der Begriffe erreicht werden. Ihnen muss ihre wahre Bedeutung zurückgegeben werden. Das Reich der Lüge, das die Identitätslinke, ja, die Linke überhaupt als Nachfolger der Aufklärung errichtet hat, muss zerstört werden. Allerdings müssten alle, die an die sogenannte Aufklärung glauben und von deren angeblichen Werten reden, bei sich selbst anfangen. Es ist vor allem nicht möglich, die sogenannte Aufklärung von links zu bekämpfen. Dabei sind schon Adorno und Horkheimer gescheitert. Deswegen sind Konservative, die sich auf die sogenannte Aufklärung berufen, nichts als opportunistisch. Es wird ihnen nichts nützen. Sie suchen einen Anschluss an die kulturellen Terroristen, was völlig illusionär ist. Diese können, wenn überhaupt, nicht durch Argumente und schon gar nicht durch Anbiederung, sondern nur durch Empirie zu einem Wechsel im Denken bewogen werden.


Und was heißt schon konservativ? Akzeptiert man mit diesem Begriff nicht die Aufgeklärten als die selbsternannten „Progressiven“, so als wollten die Konservativen keinen Fortschritt? Dabei wollen sie natürlich den nicht-katastrophischen Fortschritt, wie ich es genannt habe, der aber nur möglich ist durch den Verzicht auf die utopischen und gewalttätigen Maßnahmen der Aufgeklärten. Für die sich heute noch als „Konservative“ Bezeichnenden muss es darum gehen, wieder den Anschluss an Gott zu finden, wie er sich in Christus offenbart hat. Der Rest, vor allem die Sanierung der Begriffe, auch die des Begriffs „konservativ“, ergibt sich dann von selbst.



Über den Autor: Adorján Kovács ist Gesichtschirurg und Essayist. Näheres zu Werk und Wirken finden Interessierte auf der Webseite des Autors.


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